Weniger Klein-Klein bei einer Schieflage

Zum 21. April ist das "Gesetz zur Erleichterung der Bewältigung von Konzerninsolvenzen" in Kraft getreten. Durch Änderungen der Insolvenzordnung will die Bundesregierung die Sanierungschancen von Unternehmen einer Gruppe erhöhen. Heute ist das operative Geschäft von Konzernen häufig auf die unterschiedlichen Gesellschaften aufgeteilt. Bislang gab es im deutschen Recht aber keine speziellen Regelungen für den Fall, dass eine Unternehmensgruppe in eine wirtschaftliche Schieflage gerät. Es wurden jeder Rechtsträger und dessen Vermögen in isolierten Verfahren behandelt. Für jeden Standort waren oft ein anderes Gericht und ein anderer Insolvenzverwalter zuständig, der eigene Sanierungsstrategien verfolgte und Gläubigerinteressen vertrat. Wenn die Insolvenzverwalter eines Konzerns unterschiedliche und nicht aufeinander abgestimmte Strategien verfolgten, konnte es zu Rechtsstreitigkeiten innerhalb der Gruppe kommen. Dies erschwerte es, die wirtschaftliche Einheit des Konzerns als solche zu erhalten und ihren vollen Wert für die Gläubiger zu realisieren. Zuständigkeit der Gerichte zentralisiert Ab sofort ist das einfacher. Die gesetzliche Neuregelung zentralisiert die Abwicklung der Tochterunternehmen eines zahlungsunfähigen Konzerns. Sämtliche Insolvenzverfahren eines Konzerns können künftig bei einem einzigen Insolvenzgericht gebündelt werden. Je Bezirk eines Oberlandesgerichts wird dabei ein Insolvenzgericht bestimmt, an dem ein Gruppen-Gerichtsstand begründet werden kann. Die Zuständigkeit des bestimmten Insolvenzgerichts kann sich innerhalb eines Landes auch über den Bezirk eines Oberlandesgerichts erstrecken. Die Bestimmung erfolgt auf Antrag einer Tochtergesellschaft beziehungsweise von deren Insolvenzverwalter. Der Gesetzgeber schreibt vor, dass das Einzelunternehmen, das einen Gruppen-Gerichtsstand beantragt, nicht nur untergeordnete Bedeutung im Verhältnis zum Konzern haben darf (Mindestanforderung: mehr als 15 Prozent der Arbeitnehmer, Bilanzsumme oder Umsatzerlöse).Bisher waren oft unterschiedliche Insolvenzgerichte innerhalb eines Konzerns zuständig, weil die einzelnen Gesellschaften an unterschiedlichen Orten ihren Sitz haben. Nur noch ein Insolvenzverwalter Für den Fall, dass eine Tochtergesellschaft eines Konzerns die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens bei einem anderen Insolvenzgericht beantragt, kann dieses das Verfahren jetzt an das Gericht des Gruppen-Gerichtsstands verweisen. Das Gericht des Gruppen-Gerichtsstands kann den vom Erstgericht bestellten vorläufigen Insolvenzverwalter entlassen, falls das notwendig ist, um einen Insolvenzverwalter in mehreren oder allen Verfahren über die Einzelunternehmen zu bestellen. Bessere Koordinierung der Verfahren Weiterhin kann das übergeordnete Insolvenzgericht gemäß der geänderten Insolvenzordnung eine unabhängige Person als Koordinator berufen, um die einzelnen Verfahren besser aufeinander abzustimmen. Die Insolvenzverwalter und vorläufigen Insolvenzverwalter der gruppenangehörigen Unternehmen müssen mit dem Verfahrenskoordinator zusammenarbeiten. Die Bündelung und Koordinierung soll zudem dabei helfen, die verschiedenen Interessen der Schuldner und Gläubiger besser abwägen und berücksichtigen zu können. Eine besondere Rolle spielt dabei der Koordinierungsplan, der als Referenzplan für die Maßnahmen dient, die auf der Ebene der Einzelverfahren zu ergreifen sind. Auch für die Gläubiger ist der von Vorteil. Sie konnten bislang nur den Insolvenzplan der Einzelgesellschaft einsehen, mit der sie geschäftlich verbunden waren. Die Neuregelung schafft also Transparenz. Besteht ein Gläubigerausschuss, muss dieser dem Koordinierungsplan zustimmen. Darüber hinaus ist es jetzt möglich, einen Insolvenzverwalter für mehrere oder alle Gesellschaften einer Unternehmensgruppe zu bestellen. Für den Fall, dass die Beteiligten keine Bündelung beantragen, sind die Insolvenzverwalter der einzelnen Gesellschaften vom Gesetzgeber zur Zusammenarbeit verpflichtet worden und müssen sich untereinander unverzüglich über alle Vorgänge unterrichten, die für die anderen Verfahren von Bedeutung sein könnten. Auch die zuständigen Gerichte und Gläubigerausschüsse müssen sich untereinander abstimmen und informieren, sofern die Unternehmen einer Gruppe von den neuen Möglichkeiten des Insolvenzrechts keinen Gebrauch machen und stattdessen separate Verfahren beantragen. Insolvenzmasse wird nicht gebündelt Trotz der Rechtsreform wird das Prinzip "Eine Gesellschaft, ein Insolvenzverfahren" nicht aufgehoben. Es gibt weiterhin zum Beispiel keine Zusammenfassung der Insolvenzmasse. Die Neuregelungen gelten für alle Insolvenzen, die nach dem 21. April 2018 beantragt werden. Mehr zum Thema unter: Unternehmensführung www.verkehrsrundschau.de/dossiers Begriffserläuterung Der Gerichtsstand Als Gerichtsstand wird in der Rechtssprache der Ort des örtlich und sachlich zuständigen Gerichts bezeichnet. Laut Paragraf 3 der Insolvenzordnung ist örtlich immer das Amtsgericht in der Gemeinde zuständig, in der das zahlungsunfähige Unternehmen seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Sind mehrere Gerichte zuständig, so schließt das Gericht, bei dem zuerst die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt worden ist, die übrigen aus. Der Gesetzgeber hat in Paragraf 3 der Insolvenzordnung nun zusätzlich den Gruppen-Gerichtsstand geregelt. ag