Wien/Eisenstadt. In Österreich sind in einem Schlepperfahrzeug 70* tote Flüchtlinge entdeckt worden. Die Leichen seien am Donnerstag in einem Kühllaster auf einem Pannenstreifen in der Nähe von Parndorf (Bezirk Neusiedl am See) gefunden worden, berichtete die österreichische Nachrichtenagentur APA. Ein Krisenstab sei eingerichtet worden.
Der Vorfall überschattete am Donnerstag die Westbalkan-Konferenz in Wien. Kurz bevor die Nachricht bekannt wurde, hatte Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) noch zu einem verstärkten Kampf gegen Schlepper aufgerufen. Einigkeit herrschte bei dem Treffen, dass die aktuelle Flüchtlingskrise nur mit einer gemeinsamen Strategie der EU bewältigt werden kann.
Das genaue Ausmaß der Flüchtlingstragödie in Österreich war zunächst unklar. Man gehe von mindestens 20 oder auch 40 bis 50 Toten aus, sagte Landespolizeidirektor Hans Peter Doskozil laut APA bei einer Pressekonferenz. Ein Sprecher des Innenministeriums in Wien sagte: „Es ist ein Lkw voller Leichen.“ Die Tatortarbeit und die Bergung der Toten laufe. Nach den Schleppern werde mit Hochdruck gefahndet. „Diese Tragödie macht uns alle betroffen“, betonte Österreichs Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP). „Schlepper sind Kriminelle. Und wer jetzt noch immer meint, dass es sanftmütige Fluchthelfer sind, dem ist nicht zu helfen.“
Die „Balkan-Route“ führt über die Türkei, Griechenland, Mazedonien und Serbien. Ungarn ist für Flüchtlinge ein Transitland, kein Zielland. Die meisten wollen weiter Richtung West- und Mitteleuropa.
Einigkeit herrschte bei dem Treffen in Wien, dass Maßnahmen wie der Bau des Grenzzauns in Ungarn nicht wirklich helfen. „Wir sind keine Verfechter von Grenzzäunen. Wir glauben auch nicht, dass Grenzzäune am Ende das Thema Migration lösen werden“, sagte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) in Wien.
An der Konferenz, bei der es auch um die Begrenzung des Zustroms von Asylbewerbern aus dem Westbalkan gehen sollte, nahmen auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU), die EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini und der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi teil. Vom Balkan waren die Regierungschefs aus Mazedonien, Albanien, Bosnien-Herzegowina, dem Kosovo, Montenegro und Serbien eingeladen. Im laufenden Jahr stammten fast 45 Prozent aller Asylanträge in Deutschland von Menschen aus diesen sechs Staaten. (dpa/ks)
*Diese Meldung wurde nachträglich geändert. Ursprünglich ist die Polizei von bis zu 50 Toten ausgegangen. Am Freitag gab das Innenministerium bekannt, dass sich 70 Leichen in dem Kühl-Lkw befanden.