MiLoG: Offene Fragen und nur eine Antwort

Insbesondere im Bereich von Logistik und Straßengütertransport erweist sich das Mindestlohngesetz (MiLoG) als Bürokratiemonster, das deutsche, aber auch ausländische Arbeitgeber zu kaum handhabbaren Dokumentationspflichten zwingt. Die EU-Kommission sieht in den ausländischen Transporteuren auferlegten Anmeldungs- und Aufzeichnungspflichten eine unverhältnismäßige, durch den beabsichtigten positiven Effekt einer Mindestlohneinführung nicht gerechtfertigte Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit und des freien Warenverkehrs. Es ist also fraglich, ob Brüssel - oder in letzter Konsequenz der Europäische Gerichtshof - das MiLoG nicht ganz oder teilweise "kassieren" wird. Die Wirtschaft ist verunsichert. Unter anderem auch, weil trotz schriftlicher Anfragen und unmittelbar im Rahmen einer Anhörung im Ministerium gestellter Fragen an die zuständigen Verantwortungsträger nach wie vor nicht geklärt ist, wie etwa mit Bereitschafts- und Beifahrerzeiten des Fahrpersonals umgegangen werden soll. Nach Paragraf 21a Arbeitszeitgesetz sind Bereitschafts- und Rufbereitschaftszeiten keine Arbeitszeit, wenn deren Dauer im Voraus bekannt ist. Auch Beifahrerzeiten gelten nicht als Arbeitszeiten. Müssen diese Zeiten gleichwohl im Rahmen der Aufzeichnungspflicht nach Paragraf 17 Absatz 1 MiLoG festgehalten werden? Zumindest im Speditions-, Transport- und Logistikgewerbe, das zu den in Paragraf 2a Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz genannten Wirtschaftsbereichen gehört, die besonders mit Dokumentationspflichten belastet sind, muss dies schnellstmöglich geklärt werden. Nahles hüllt sich in Schweigen Da das MiLoG keinen vom Arbeitszeitgesetz abweichenden Arbeitszeitbegriff enthält, wäre daraus zu schließen, dass diese Zeiten nicht aufzeichnungspflichtig sind. Andererseits kann aber eine Vergütungspflicht bestehen. Nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts sollen Beifahrerzeiten - sogar mit dem normalen Stundensatz - vergütungspflichtig sein, sofern Arbeitgeber und Arbeitnehmer hierüber keine gesonderte Vergütungsregelung getroffen haben. Was aber kann im Lichte des Mindestlohngesetzes wirksam vereinbart werden? Da es sich bei diesen Zeiten nicht um Arbeitszeit handelt, kann nach Ansicht des BWVL auch keine Vergütungspflicht nach MiLoG gegeben sein. Im Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat man sich hierzu offenbar noch keine Meinung gebildet: Die an das Haus von Ministerin Andrea Nahles gestellte Frage ist nach wie vor unbeantwortet. Auch die Fragen der Wirtschaft nach einer Beschränkung der Auftraggeberhaftung hat noch nicht zu einer Reaktion geführt: Der Auftraggeber sollte, wie noch im Gesetzesentwurf vorgesehen, die Möglichkeit haben, eigenes fehlendes Verschulden nachzuweisen. Der Auftraggeber, der seinen - unmittelbaren - Vertragspartner sorgfältig auswählt, dessen Angebote auch unter Plausibilitätsgesichtspunkten überprüft und ein die Zahlung des Mindestlohnes durch den Auftragnehmer erlaubendes Entgelt vereinbart, darf nicht mit dem Risiko der Mindestlohndifferenzzahlung für die gesamte Nachunternehmerkette belastet werden. Bis zu 500.000 Euro Bußgeld möglich Dies gilt zumal dann, wenn dem Auftraggeber, anders als dem Staat, keinerlei realistische Kontrollinstrumentarien an die Hand gegeben sind. Schließlich drohen, wenn einer der Nachunternehmer den Mindestlohn nicht zahlt, für den Auftraggeber kaum kalkulierbare bußgeldrechtliche Risiken: bei bedingt vorsätzlichem Handeln bis zu 500.000 Euro, bei fahrlässigem Handeln noch bis zu 250.000 Euro. Dies jedenfalls dann, so die Bußgeldbestimmung in Paragraf 21 Absatz 2 MiLoG, wenn der Auftraggeber "Werk- oder Dienstleistungen in erheblichem Umfang ausführen lässt". Wann von "erheblichem Umfang" gesprochen werden kann, erschließt sich aus dem Gesetz nicht. Auch ein Blick ins Arbeitnehmerentsendegesetz, dessen Paragraf 23 Pate für die MiLoG-Bußgeldvorschrift gestanden hat, hilft nicht weiter. Auch hier fehlt es an klärenden Worten aus Berlin an die Wirtschaft und an die Bußgeldbehörden: Im Hause Nahles wird gerne darauf verwiesen, dass man diese Punkte der Rechtsprechung überlassen soll. Will man der Wirtschaft wirklich zumuten, bei den vorgeschriebenen Bußgeldhöhen ins offene Messer der Justiz zu laufen, um erst einmal handhabbare Kriterien zu entwickeln? So weit darf es nicht kommen: Hier ist ein Wort der Politik vonnöten. Neben den vielen Fragen hat es bislang lediglich eine Antwort gegeben, nämlich die auf die Frage, ob die Einführung des Mindestlohns Jobs kosten wird: Nach der im Mai vorgestellten Statistik der Minijobzentrale in Bochum sind seit Jahresbeginn knapp 250.000 gewerbliche Minijobs weggefallen, womit sich die Prognosen verschiedener Wirtschaftsforschungsinstitute bewahrheitet haben. Somit ist nun klar: Mindestlohn killt Minijobs. EU legt Veto gegen MiLoG ein Die EU-Kommission leitet wegen der ausländische Transportunternehmen treffenden Pflichten nach dem MiLoG ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland ein. Die Bundesregierung muss sich nun binnen zwei Monaten gegenüber der Kommission rechtfertigen.