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Länderreport: Bulgarien

30.11.2016 11:09 Uhr
Länderreport: Bulgarien
Bulgarien - ein Land mit vielen Problemen
© Foto: Picture Alliance/Martin Fejer

Bulgarische Lkw-Fahrer nehmen schlechte Arbeitsbedingungen im Ausland gerne in Kauf. Denn die Verhältnisse zu Hause sind noch katastrophaler. Ein Blick über die Grenze.

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Seit 2007 gehört Bulgarien zur Europäischen Union. Doch von der Integration in Europa ist man hier noch weit entfernt. Eine kürzlich vorgestellte Studie des Zentrums zur Erforschung der Demokratie in Sofia hat aufgezeigt, dass die Korruption weiterhin eines der Hauptprobleme im Land ist. Schmiergelder von Unternehmen an staatliche Stellen seien Alltag.

Das gilt auch auf den Straßen. Die Polizei kontrolliert sowohl auf Landstraßen als auch Autobahnen gerne und intensiv. Immer wieder bieten Beamte an, gegen eine kleine Gebühr nicht so genau hinzusehen. Erst im Sommer 2016 wurden vier Polizisten der Verkehrspolizei im Grenzgebiet zu Serbien verhaftet, weil sie Schmiergeld von Flüchtlingen angenommen haben. Die Regierung bemüht sich, das Problem einzudämmen, viele Maßnahmen erwiesen sich aber als wirkungslos. So müssen Verkehrspolizisten bei Kontrollen reflektierende Schutzwesten und einen Dienstausweis mit ihrem Foto, dem Namen und ihrer Einheit tragen.

Sie dürfen die Strafen bei Verstößen gegen die Straßenverkehrsordnung auch nicht vor Ort kassieren. Bußgelder müssen an eine Bank überwiesen werden. Um aber schwarze Schafe zu entdecken, müssen andere tätig werden. Die Regierung hat im Internet eine Seite in englischer Sprache eingerichtet, auf der man Korruptionsfälle anzeigen kann. Der hohe Anteil an Schattenwirtschaft verwundert nicht. Bulgarien ist immer noch das ärmste Land in der EU. Die Arbeitslosigkeit beträgt über neun Prozent, für bulgarische Verhältnisse extrem wenig. Das Land war jahrzehntelang von der Landwirtschaft geprägt - die heute kaum noch Bedeutung hat, seit nach dem EU-Beitritt langsam die Industrie modernisiert wurde.

Lkw mit Hilfsgütern

Bulgarien lebt stark von den europäischen Subventionen, die in den Ausbau der Infrastruktur, die Verbesserung des Bildungssystems und in die Modernisierung der Wirtschaft fließen. Vor allem Textilien werden aus bulgarischen Fabriken in Richtung Westeuropa verladen. Das schizophrene daran ist, dass in umgekehrter Richtung vor dem Winter immer wieder Hilfskonvois mit Winterkleidung nach Bulgarien rollen, um der verarmten Bevölkerung zu helfen.

Der offizielle Durchschnittslohn liegt bei gerade einmal 440 Euro im Monat - und dabei bedeutet dies gegenüber dem Vorjahr bereits eine Erhöhung von mehr als acht Prozent! Verlässlich sind diese Zahlen jedoch nicht. In vielen Firmen werden Teile des Lohns inoffiziell gezahlt, um Steuern zu vermeiden. Außerdem werden Zulagen und Sonderzahlungen oftmals nicht angegeben.

Sicher ist: Die Gehälter liegen weit unter dem EU-Durchschnitt. Kein Wunder also, dass viele bulgarische Berufsfahrer ihr Geld lieber im Ausland verdienen. Das Bundesamt für Güterverkehr hat schon 2015 festgestellt, dass die Anzahl rumänischer oder bulgarischer Fahrer bei deutschen Fuhrunternehmen deutlich zugenommen hat. Manche Personalvermittlungen haben sich darauf spezialisiert, Fahrer aus Bulgarien abzuwerben. Die nehmen für den höheren Lohn gern einiges in Kauf.

Einer Befragung des BAG nach verbringen 70 Prozent der befragten Kraftfahrer aus Bulgarien ihre Wochenruhezeit im Fahrzeug. Meist, ohne Spesen für die Übernachtung in Rasthöfen oder Motels zu bekommen. Trotz der langen Abwesenheit von zu Hause und der schlechten Arbeitsbedingungen würden sich laut BAG-Befragung die meisten bulgarischen Fahrer wieder für den Job hinterm Steuer entscheiden - ein Indiz für die schlechten Verhältnisse im Heimatland.

Dabei hat Bulgarien aufgrund seiner geografischen Lage eigentlich gute Voraussetzungen, als Drehscheibe zwischen Westeuropa und Osteuropa und sogar bis nach Asien zu dienen. Mit der Donau und dem Zugang zum Schwarzen Meer sind die Verbindungen für alle Verkehrswege gegeben. Nur hält die Infrastruktur nicht mit. Besonders im Schienengüterverkehr gibt es einen enormen Nachholbedarf, was die Organisation der Verkehre, aber auch den schlechten Zustand des Netzes betrifft.

Chronisch überlastete Hauptverkehrsstraßen

Gleiches gilt für die Straßen, vor allem abseits der Autobahnen. Risse im Belag sowie große Löcher sind gängig. In der Dunkelheit müssen Fahrer höllisch aufpassen, um keine Unfälle oder Schäden am Fahrzeug zu riskieren. Um den Ausbau und die Ausbesserung des Straßennetzes zu finanzieren, hat die bulgarische Regierung zu Beginn des Jahres die Preise für die obligatorische Straßenvignette um über 50 Prozent erhöht. 2017 soll ein GPS-gestütztes und entfernungsabhängiges Mautsystem eingeführt werden. Es gilt zugleich für das gesamte Straßennetz und löst die bisherige Vignette ab.

Auch wenn durch die derzeitigen politischen Verhältnisse die Reiselust in die Türkei stark abgenommen hat, sind die Hauptverkehrsstraßen in diese Richtung und nach Griechenland vor allem in der Urlaubszeit chronisch überlastet. Für zusätzliche Staus in der Gegenrichtung sorgt zudem die Desinfektionspflicht für alle Fahrzeuge, die aus der Türkei kommen. Eingeführt wurde die Zwangsreinigung der Reifen, um die Ausbreitung von Tierkrankheiten zu verhindern.

Heikel ist die Route für Lkw-Fahrer, weil sie als Flüchtlingsroute gilt. Wird ein blinder Passagier auf dem Lkw entdeckt, droht neben einer hohen Strafe vor allem der Verlust des Fahrzeugs. Die Regierung kann den Lkw ohne Entschädigung beschlagnahmen, wenn der Verdacht besteht, dass dieser zum Schmuggeln benutzt wurde. (ah)

Der Länderreport Bulgarien ist Teil unserer Online-Serie "Länderinfos". Hier stellen wir Ihnen nach und nach wichtige Transportländer näher vor.

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