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Interview: Peter Ramsauer – Minister unter Ministern

12.07.2013 13:33 Uhr
Interview: Peter Ramsauer – Minister unter Ministern
Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (links) im Gespräch mit Birgit Bauer und Dietmar Winkler
© Foto: BMVBS/Hans-Peter König

Am Rande des International Transport Forums (ITF) in Leipzig sprachen wir mit Peter Ramsauer (CSU) über den Ruf, den Deutschland bei seinen Ministerkollegen im Ausland genießt.

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Chinesische Firmen werben auf dem ITF mit ihren Infrastrukturleistungen, Ihnen schweben mehr ÖP-Projekte vor. Bauen die Chinesen bald die deutschen Autobahnen?
In Polen haben chinesische Unternehmen das tatsächlich schon versucht – beziehungsweise haben die Polen das mit chinesischen Firmen versucht. Als ich davon gehört habe, wollte ich von meinem polnischen Kollegen wissen, wie es läuft. Da war das Projekt aber schon wieder abgebrochen und die Polen gar nicht mehr begeistert. Die deutschen Firmen haben da weltweit eine andere Reputation. Wenn es irgendwo brenzlig oder kompliziert wird, erfolgt oft genug der Ruf nach deutschen Firmen, gerade nach den Mittelständlern.

Sie können sich als deutscher Verkehrsminister also noch selbstbewusst auf dem internationalen Parkett zeigen?
Durchaus. Bei allen Problemen, mit denen ich als Bau- und Verkehrsminister fast jeden Tag zu tun habe, an der weltweit guten Reputation der deutschen Firmen ändert das nichts. Auch in Leipzig, als ich mit 23 meiner Kollegen aus aller Welt zusammensaß, war immer wieder die hohe Meinung über die deutschen Unternehmen vernehmbar. Aber natürlich fallen auch immer wieder die Stichworte Stuttgart 21 und Flughafen Berlin Brandenburg.

Diese Themen werden angesprochen?
Allerdings. Erst kürzlich meinte ein asiatischer Reeder zu mir, was beim Nord-Ostsee-Kanal passiere, passe so gar nicht zum guten Bild, das die deutsche Bauwirtschaft in der Welt hat. Wir müssen etwas für unseren guten Ruf in der Welt tun. Ich habe deshalb die Fachleute zusammengebracht, um in der Reformkommission Großprojekte Empfehlungen zu erarbeiten, wie wir Großprojekte künftig besser abwickeln und Termin- und Kostenexplosionen vermeiden können. Natürlich gibt es solche Probleme auch anderswo. Auch Katar, das seinen Flughafen mit einer US-Firma gebaut hat, konnte ihn wegen Brandschutzproblemen nicht rechtzeitig eröffnen. Aber Deutschland muss sich mit den Besten messen und auch in Zukunft weltweit vorne sein.

In Deutschland haben wir das Problem der Unterfinanzierung der Infrastruktur. Wie sieht es bei Ihren Kollegen aus?
Deutschland hat über Jahre zu wenig in den Erhalt von Straßen, Schienen und Wasserstraßen investiert. Wir stehen jetzt vor einem enormen Investitionsstau. Ich habe deshalb sofort umgelenkt und gesagt: Erhalt geht vor Neubau. Das war die Maxime des Investitionsrahmenplans, den wir 2010 erarbeitet haben, und ist die Maxime für den neuen Bundesverkehrswegeplan, der 2015 fertig sein wird. Die meisten meiner Kollegen befinden sich in einer ähnlichen Situation. Überall konkurriert die Infrastruktur mit anderen wichtigen Bereichen wie Soziales, Umwelt oder Bildung um die öffentlichen Haushaltsmittel. Viele setzen auf den strategischen Hilfsweg: die Mobilisierung privaten Kapitals. In Deutschland ist diese Tradition noch nicht so verwurzelt, da gibt es noch viele – teils ideologische – Vorurteile. Wir haben da noch viele Entwicklungsmöglichkeiten.

Abhilfe durch ÖP-Projekte. Welche Baumaßnahmen eignen sich dafür?
Wir haben derzeit zwölf Autobahn-Projekte, von denen drei bereits fertig und in Benutzung sind. Momentan definieren wir das 13. Projekt, die Fertigstellung der A94 von München nach Passau. Hier fehlen noch 35 Kilometer, die wollen wir bis 1219 als ÖP-Projekt fertigstellen. Wir möchten in Zukunft auch bei der Schiene sehen, ob wir mit privatem Geld arbeiten können. Als Musterbeispiel haben wir die Strecke in das Chemiedreieck bei Burghausen – München-Mühldorf-Freilassing - definiert. Diese Strecke ist Teil des TEN-Projekts Paris-Bratislava. Momentan fährt hier eine nur teils elektrifizierte Bummelbahn einspurig durch grüne Wiesen. Der Ausbau ist eine komplexe Herausforderung, es ist leichter, wenn man komplett neu bauen kann. Ein Gutachten ist zu dem Ergebnis gekommen, dass es grundsätzlich möglich ist, Schieneninfrastruktur mit privatem Geld zu bauen. Dafür bedarf es allerdings noch gesetzgeberischer Maßnahmen. Das haben wir uns für die nächste Legislatur vorgenommen. Im Koalitionsvertrag sollte der Satz stehen: Die Koalitionspartner beauftragen den Bundesverkehrsminister, die gesetzgeberischen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass ÖP-Projekte künftig auch beim Schienenbau zum Tragen kommen.

Wie sieht das Finanzierungsmodell aus?
Wie beim Autobahnausbau. Es bedarf einer erheblichen Anschubfinanzierung. Übergeben wird das Vorhaben, wenn der Planfeststellungsbeschluss erteilt und auf der ganzen Strecke bestandskräftig ist. Wenn wir also das Baurecht für eine zweigleisige, voll elektrifizierte Schienenstrecke nach Freilassing haben, dann übernehmen die privaten Investoren, bauen aus, elektrifizieren, betreiben das Ganze, inklusive der Bahnhöfe, für 30 Jahre.

Welcher Effizienzgewinn lässt sich erzielen?
Da hatte ich mir deutlich mehr versprochen, als die Studie ermittelt hat. Sie geht davon aus, dass die Projekte zwei Jahre früher fertig werden. Bis wir für die Schienenstrecke bestandskräftiges Baurecht haben, wird es sicher 2019. Dann dauert es noch acht Jahre, bis sie in Betrieb gehen kann. Da sind zwei Jahre schon etwas. Wie so oft in der Verkehrspolitik müssen die Weichen jetzt gestellt werden. Die Auswirkungen tragen über die Legislaturperiode hinaus.

Und die Probleme?
Wir müssen nachweisen, dass das ÖP-Projekt wirtschaftlicher ist als die konventionelle Bauweise. Dieser Nachweis ist schwierig. Wenn ein Bauprojekt später fertig wird, müssen die volkswirtschaftlichen Kosten in ein gesamtgesellschaftliches Investitionskalkül einbezogen werden. Ich muss die volkswirtschaftlichen Kosten durch unterlassene Investitionen einrechnen. Und: nicht alle Projekte eignen sich für ÖPP. Das ist kein Allheilmittel. Im aktuellen Bundesverkehrswegeplan stehen noch 850 Kilometer Neubau vierstreifiger Autobahnen und 1600 Kilometer Ausbau auf vier oder mehr Streifen als „vordringlicher Bedarf“. Einige dieser Abschnitte werden sich für ÖPP eignen, andere nicht. Das wird in jedem Einzelfall geprüft.

Wie sieht es mit der Vorbereitung des Bundesverkehrswegeplans 2015 aus?
Die Länder übermitteln uns derzeit ihre Vorschläge, dafür ist bis September Zeit. Dann werden wir die Vorschläge untersuchen, vergleichen und nach Dringlichkeit sortieren. Wir müssen für die Verteilung der Investitionsmittel konsequent Prioritäten setzen. Wir werden sehr viel mehr in den Erhalt investieren. Neue Projekte wird es nur noch dort geben können, wo Engpässe auf den Hauptachsen beseitigt werden. Dazu führen wir eine neue Kategorie ein: den vordringlichen Bedarf plus. Die Projekte in dieser Kategorie sollen dann auch innerhalb der Geltungszeit des BVWP umgesetzt werden. Im derzeitigen BVWP schleppen wir Projekte mit, die teils seit 20, 30 Jahren als „vordringlich“ eingestuft und dennoch keine Chance auf Realisierung haben. Damit muss Schluss sein.

Zurück zum ITF: Welcher Ihrer Kollegen beeindruckt Sie am meisten?
Beim ITF bin ich mit vier Jahren Amtszeit der Dienstälteste. In Frankreich und Großbritannien hatte ich in den vier Jahren vier Kollegen, in Italien fünf, darum tue ich mich schwer, jemanden besonders hervorzuheben. Doris Bures aus Österreich, die mit der Pleite der Asfinag und der ÖBB zurechtkommen muss, hatte besonders Pech. Mein chinesischer Kollege Li Shenglin hat sich in den Ruhestand verabschiedet. Sein Nachfolger wird enorme Herausforderungen zu bewältigen haben, bei dem, was sich China beim Ausbau der Infrastruktur vorgenommen hat. Das gilt auch für Indien oder die Türkei.

Das Interview führten VR-Chefredakteurin Birgit Bauer und VR-Redakteur Dietmar Winkler

 

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