Grünes Licht bedeutet Zuverlässigkeit

Zu Beginn des Jahres 2016 ist die EU-Verordnung 2016/403 in Kraft getreten. Sie ergänzt die sogenannte Todsündenliste aus der EG-Verordnung 1071/2009. Und sie regelt neu, wie Verstöße gegen Unionsvorschriften im gewerblichen Straßenverkehr einzustufen sind, die zur Aberkennung der Zuverlässigkeit der Kraftverkehrsunternehmer führen. Die EU-Verordnung 2016/403 gilt in allen Mitgliedstaaten unmittelbar, zur Umsetzung bedarf es also keiner nationalen Gesetze. Details zu Verwaltungsfragen sind zwar noch offen. Grundsätzlich steht aber fest, wie deutsche Behörden die Verstöße von Kraftverkehrsunternehmen künftig einstufen. Das Bundesverkehrsministerium hat zusammen mit dem Bund-Länder-Fachausschuss Güterkraftverkehr bereits das sogenannte Risikoeinstufungsverfahren überarbeitet und empfiehlt es den Bundesländern seit dem 1. Januar 2017 zur Anwendung. Todsündenliste gilt weiter Der Zugang zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers ist in der EG-Verordnung 1071/2009 regelt. Sie gilt weiterhin. Voraussetzung für die Berufszulassung selbst sind die Zuverlässigkeit (Artikel 6), die finanzielle Leistungsfähigkeit (Artikel 7), die fachliche Eignung (Artikel 8) sowie eine Niederlassung im betreffenden Mitgliedstaat (Artikel 5). Eine regelmäßige Überprüfung findet grundsätzlich alle zehn Jahre statt. Eine häufigere Überprüfung der Berufszugangsvoraussetzungen erfolgt vor allem dann, wenn ein Unternehmen im Rahmen der Risikoeinstufung besonders auffällt. Die EG-Verordnung 1071/2009 regelt auch, welche Gründe zur Aberkennung der Zuverlässigkeit von Kraftverkehrsunternehmen führen können. Die Risikoeinstufung erfolgte bis Ende 2016 auf der Grundlage einer Bewertung der Verstöße mit einer Punktzahl. Dabei differenzierte bisher Anhang IV der EG-Verordnung 1071/2009 (Liste der sieben Todsünden) nach schwersten Verstößen, schwerwiegenden Verstößen gegen das Gemeinschaftsrecht, schweren Verstößen gegen nationale Vorschriften sowie sonstigen Verstößen, wenn sie in einem gewissen Zeitrahmen gehäuft auftreten. Die Bewertung des Verstoßes geschah dabei nach folgenden Kriterien: - schwerster Verstoß: fünf Punkte - schwerwiegender: drei Punkte - schwerer Verstoß: drei Punkte - sonstiger Verstoß: ein Punkt Als Unternehmen mit einem erhöhten Risiko wurde bislang eingestuft, wer abhängig von der Betriebsgröße innerhalb von zwei Jahren eine bestimmte Punktzahlgrenze erreicht hatte. Diese lag bei - bis zu zehn Fahrzeugen bei fünf Punkten, - bis zu 50 Fahrzeugen bei acht Punkten, - über 50 Fahrzeugen bei elf Punkten. Bei Unternehmen, die mit einem erhöhten Risiko eingestuft wurden, erfolgten gezielte, häufigere Kontrollen. Ein Überschreiten der Punktzahlgrenze hatte eine Überprüfung der Berufszugangsvoraussetzungen zur Folge. Verstöße werden anders gewichtet Die Liste der sieben Todsünden in Anhang IV der EG-Verordnung 1071/2009 wird seit Jahresbeginn ergänzt durch die EU-Verordnung 2016/403. Sie listet die Verstöße nach Kategorien, Art und Schweregrad auf. Die bisherige Punktebewertung entfällt. Die Verstöße werden nun in drei Schweregrade unterteilt: - SI (serious Infringement): schwerwiegender Verstoß - VSI (very serious Infringement): sehr schwerwiegender Verstoß - MSI (most serious Infringement): schwerster Verstoß So gilt beispielsweise das Überschreiten der täglichen Lenkzeit von neun Stunden auf zehn bis elf Sunden als schwerwiegender Verstoß (wenn keine Verlängerung auf zehn Stunden möglich ist). Drei schwerwiegende Verstöße (SI) pro Fahrer und pro Jahr ergeben dabei einen sehr schwerwiegenden Verstoß (VSI), drei sehr schwerwiegende Verstöße (VSI) pro Fahrer und pro Jahr einen schwersten Verstoß (MSI). Ein MSI führt zur sofortigen Einleitung eines Verfahrens zur Überprüfung der Zuverlässigkeit. Wichtig ist dabei, dass nach wie vor nur Verstöße Eingang in der Verkehrsunternehmerdatei und damit in die Risikoeinstufung finden, die dem Unternehmer oder dem Verkehrsleiter zuzurechnen sind, nicht jedoch reine Fahrerverstöße. Klar ist aber auch: Ab einer bestimmten Anzahl relevanter Verstöße erfolgt die Aberkennung der Zuverlässigkeit von Verkehrsleiter oder Kraftverkehrsunternehmen, was den Verlust der Gemeinschaftslizenz zur Folge hat. Die Risikobewertung erfolgt nun anhand eines Ampelsystems (siehe Kasten oben). Zur Vereinfachung wird dabei die Anzahl der Fahrer mit der Anzahl der Fahrzeuge gleichgesetzt. Die Einstufung unter der Kategorie Rot (hohes Risiko) hat zur Folge, dass die Behörden von Amts wegen verpflichtet sind, die Berufszugangsvoraussetzungen umgehend zu überprüfen. Das bedeutet, dass im Rahmen einer Überprüfung nicht nur die Zuverlässigkeitsvoraussetzungen geprüft werden, sondern alle Berufszugangsvoraussetzungen. Das Verfahren entspricht dem bei Erteilung oder Wiedererteilung der entsprechenden Genehmigung. Im Einzelfall können die Behörden auch Betriebskontrollen durchführen. Liegen die Berufszugangsvoraussetzungen zwar vor, besteht aber weiterhin ein Risiko, kann eine erneute Überprüfung innerhalb von zwei Jahren erfolgen. Mehr Klarheit für Betriebe und Behörden "Für die Unternehmen aber auch für die Aufsichtsbehörden bestehen jetzt klare Maßstäbe, was ein schwerwiegender Verstoß ist und wie dieser zu bewerten ist", sagt Dominik Hluchy von der Hamburger Verkehrsbehörde und Leiter der Länder-Arbeitsgruppe zum Risikoeinstufungs-System. "Unmittelbar nach Inkrafttreten des EU-Road-Packages gab es dagegen nur eine Liste über die schwersten Verstöße, die einen Lizenzentzug zur Folge haben sollen. Somit standen die Genehmigungsbehörden immer wieder vor der Frage, ob eine Verurteilung oder ein Bußgeld im Risikoeinstufungs-Verfahren als 'schwerwiegend' zu bewerten ist." Die EU-Verordnung 2016/403 wurde jetzt auf deutsches Recht heruntergebrochen. Die Bundesländer haben dafür die Bußgeldtatbestände überarbeitet. Hluchy: "Der Sachbearbeiter braucht jetzt nur noch in dieser Liste nachzuschauen, was die Sache wesentlich komfortabler macht. Und der Unternehmer braucht nicht mehr zu befürchten, möglicherweise ,zu hart' beurteilt zu werden." Doch was bedeutet das Ampelsystem konkret? Das neue Ampelsystem biete ein besseres Kriterium für die Risikobewertung als dies mit dem zuvor geltenden Punktesystem der Fall gewesen sei, sagt Hans-Christian Daners, Referent in der Abteilung Rechts- und Versicherungsfragen beim Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL). Es dürfte damit zu keiner Verschlechterung der Position der Unternehmen führen (siehe Kasten auf S. 37). "Wir sind grundsätzlich zufrieden, vor allem auch, weil kleinere (sonstige) Verstöße jetzt keine Beachtung mehr bei der Risikobewertung finden. Das Ampelsystem urteilt nach der Anzahl schwerwiegender, sehr schwerwiegender beziehungsweise schwerster Verstöße", sagt Daners. Nicht alle Neuerungen sind gelungen Er übt aber auch Kritik: "Bei der Einstufung in die Kategorie Gelb spielt die Unternehmensgröße keine Rolle. Während es in der Kategorie Rot auf die Anzahl der Verstöße pro Fahrer ankommt, fehlt dieses Kriterium in der Kategorie Gelb. Diesen Unterschied können Unternehmen leicht übersehen." Die Folgen beider Kategorien seien darüber hinaus nicht großartig verschieden. Während bei einer roten Einstufung die Berufszugangsvoraussetzungen des Unternehmers von den Behörden unverzüglich geprüft werden müssen, soll bei einer gelben Einstufung eine Überprüfung innerhalb von zwei Jahren erfolgen. "Das bedeutet aber nicht zwingend 'in' zwei Jahren", erläutert Daners. Eine Überprüfung könne daher theoretisch jederzeit innerhalb dieses Zeitraums erfolgen - auch sofort. Grund zum Zurücklehnen besteht also nicht. Verkehrsunternehmen sollten das neue Ampelsystem daher zum Anlass nehmen, die Strukturen und Verantwortlichkeiten in ihrem Betrieb zu überprüfen. Dazu sollten der Aufgabenbereich des Verkehrsleiters klar beschrieben und dokumentiert und Entscheidungs-Befugnisse im Unternehmen wirksam delegiert werden. Unternehmen sollten zudem darauf achten, alle Mitarbeiter gut auszuwählen, anzuleiten, ordnungsgemäß zu überwachen und zu schulen. Mehr zum Thema unter Unternehmensführung www.verkehrsrundschau.de/dossiers Praxisbeispiel Unterschiede bei der Risikoeinstufung von Verkehrsunternehmen Folgende Ausgangssituation gilt für das Praxisbeispiel: In einem Unternehmen mit zehn Fahrzeugen und zehn Fahrern werden innerhalb von zwei Jahren zehn schwerwiegende Verstöße festgestellt.neues SystemNach der neuen Risikoeinstufung zeigt die Ampel erst dann Rot, wenn drei sehr schwerwiegende Verstöße (VSI) pro Fahrer pro Jahr vorliegen. Das ist hier nicht der Fall, denn dazu müssten bei zehn Fahrern 30 VSI vorliegen oder alternativ 90 schwerwiegende Verstöße (SI). Die Ampel zeigt aber Gelb. Erforderlich sind dafür mehr als ein sehr schwerwiegender Verstoß (VSI) innerhalb von zwei Jahren oder mehr als drei schwerwiegende Verstöße (SI). Folge: Die Behörden sollen innerhalb von zwei Jahren das Vorliegen der Berufszugangsvoraussetzungen des Unternehmens überprüfen.altes SystemNach dem alten System wurde ein schwerwiegender Verstoß mit drei Punkten bewertet. Zehn Verstöße ergeben damit 30 Punkte. Bei einem Unternehmen mit bis zu zehn Fahrzeugen durften aber nur maximal fünf Punkte vorliegen. Das wäre hier der Fall gewesen und hätte zur Folge gehabt, dass die Behörden verpflichtet waren, die Berufszugangsvoraussetzungen umgehend zu überprüfen. ir

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