Der Markt ist leer gefegt

Wenn Existenzgründer in der Logistikbranche ihre Kosten durchrechnen, steht der Lkw-Fuhrpark naturgemäß im Mittelpunkt. Mit "jungen Gebrauchten", die höchstens drei Jahre alt sind und mit der Abgasnorm Euro 6 fahren, können sie einigermaßen neue Fahrzeuge günstig einkaufen und gleichzeitig Kundenwünschen Rechnung tragen. Viele Verlader wollen ihre Waren ausschließlich auf Lkw-Zügen transportieren, die mit neuen Motoren und innovativen Technologien ausgerüstet sind. Heute stoßen angehende Unternehmer mit diesem Konzept an Grenzen, wie Michelangelo Ballacchino erfahren musste. "Ich habe ursprünglich den Kauf von 20 gebrauchten Mercedes Actros mit Euro-6-Motoren geplant", sagt der Gründer von Nostrada Deutschland in Sprockhövel. "Jetzt werde ich das Unternehmen ausschließlich mit Neufahrzeugen aufbauen." Weil Ballacchino überwiegend Kühltransporte fahren will, muss er mit besonders strengen Verladeranforderungen rechnen. Außerdem macht ihm das dünne Angebot an "jungen Gebrauchten" im Markt zu schaffen. "Die Bestände der Händler sind fast leer gefegt", klagt er. Ein Blick auf die aktuellen Angebote bestätigt dies. An gebrauchten Fahrzeugen herrscht zwar kein Mangel, allerdings sind viele deutlich älter als drei Jahre und haben noch Euro-5-Motoren. Die wenigen Lkw, die mit der 2014 eingeführten Abgasnorm Euro 6 fahren, sind häufig vor 2016 zugelassen worden und kommen wegen hoher Kilometerstände für Unternehmer wie Ballacchino nicht infrage. Viele kleinere Händler können deshalb Interessenten keine überzeugenden Angebote machen. Aber auch die Gebrauchtfahrzeugzentren der Lkw-Hersteller, die in der Regel mehrere Hundert oder gar über 1000 Fahrzeuge aufweisen, haben vor allem bei den schweren Gewichtsklassen wenig junge Fahrzeuge im Portfolio. Renault und Volvo sprechen von rund 20 bis 30 Exemplaren, welche diesem Segment zuzurechnen sind. Bei Scania ist gerade mal jeder zehnte Secondhand-Lkw ein "junger Gebrauchter". Wesentlich größer ist das Angebot von OK Trucks, der Handelstochter von Iveco. "Wir haben bundesweit rund 2800 leichte Nutzfahrzeuge bis 7,2 Tonnen und ungefähr 1300 schwere Nutzfahrzeuge mit höheren Gewichtsklassen", berichtet Karl-Heinz Häusler, Chef der Iveco-Gebrauchtfahrzeugzentrale in Hildesheim. Während die bislang vermarkteten leichten Fahrzeuge überwiegend mit Euro 5 im EEV-Standard ausgerüstet waren, haben die mittelschweren und schweren Lkw, die nach 2015 zugelassen worden sind, ausnahmslos Euro 6. Am vielversprechendsten scheint noch die Suche auf Internetplattformen zu sein. Über 4200 Sattelzugmaschinen, welche ab 2015 zugelassen worden sind, gibt es auf "mobile.de". Allerdings sind hier auch viele ausländische Fahrzeuge gelistet, welche vor Ort abgeholt werden müssen. Käufer zahlen gerne mehr Viele Käufer haben jedoch gewisse Ansprüche. "Am meisten nachgefragt werden Lkw mit sich selbst regenerierenden Abgasreinigungssystemen", sagt Häusler. Weil solche Fahrzeuge keine zusätzlichen Wartungspausen einlegen müssen und außerdem weniger verbrauchen, zahlen Käufer gerne ein paar Euro mehr. Ähnliche Erfahrungen machen auch andere Marktteilnehmer. "Knapp 40 Prozent unserer über 100 Nutzfahrzeuge aus zweiter Hand sind 'junge Gebrauchte'", bestätigt Timo Alexander Plate, Lkw-Spezialist beim Mercedes-Händler Beresa. "Wir suchen für diese Lkw vor allem Käufer im Inland." Im Ausland kann Plate solche Fahrzeuge erfahrungsgemäß schwerer absetzen, weil sie deutlich teurer als Euro-5-Fahrzeuge sind. Allerdings zieht die internationale Nachfrage nach Euro-6-Zügen neuerdings spürbar an. Außerdem kaufen auch Großkunden verstärkt "junge Gebrauchte", wenn ein Unfall-Lkw ersetzt werden muss oder kurzfristige Aufträge anstehen. Das macht das Angebot noch knapper und treibt die Preise weiter nach oben. Ein Preisschild kann auch der Fahrzeugbewertungsdienstleister deutsche Automobil Treuhand (DAT) in Stuttgart nicht eindeutig vergeben. "Wegen der geringen Stückzahlen ist die konkrete Preisentwicklung kaum zu beziffern", sagt DAT-Sprecher Martin Endlein. Allerdings haben die Experten auch keine "nennenswerten" Rabattaktionen festgestellt, welche die aktuellen Preise nach unten verzerren. Das verwundert nicht. "Bei leichten und mittelschweren Klassen sorgt die Diskussion um Fahrverbote für Lkw ohne Euro 6 für Preise auf konstant hohem Niveau", sagt Iveco-Mann Häusler. K.-o.-Kriterium Kilometerstand Als Konsequenz ist der Kilometerstand das K.-o.-Kriterium geworden. "Unsere 30 'jungen Gebrauchten' haben zwischen 180.000 und 500.000 Kilometer auf dem Tacho", zeigt Sebastian Fritsch, Verkaufschef Gebrauchtfahrzeuge von KLVRent, die Spannweite auf. Grundsätzlich gelten auch ältere Fahrzeuge mit über 500.000 Kilometern als schwer verkäuflich. Die meisten "jungen Gebrauchten" bleiben deutlich unter dieser Obergrenze. Iveco spricht von durchschnittlichen Jahreslaufleistungen von 80.000 Kilometern für leichte Lkw und 120.000 Kilometern für schwere Lkw, Daimler meldet ein Spektrum von 50.000 Kilometern für einen zwei Jahre alten Atego bis 400.000 Kilometern für einen knapp dreijährigen Actros. Weil die meisten "jungen Gebrauchten" Rückläufer aus Miet- und Leasingverträgen sind, können Händler und Hersteller die Kilometerlaufleistungen über die Laufzeiten einigermaßen steuern. Bei leicht kündbaren Mietverträgen kann jede Laufzeit ab einem Tag abgeschlossen werden, bei schwer kündbaren Leasingverträgen sind mindestens zwei Jahre üblich. Weil die Vertragslaufzeit zwischen 40 und 90 Prozent der laut AfA (Absetzung für Abnutzung) zu berechnenden betriebsüblichen Nutzungsdauer betragen muss und sich für Sattelzugmaschinen ein Abschreibungszeitraum von 60 Monaten durchgesetzt hat, stehen diese Fahrzeuge frühestens nach 24 Monaten zur Verfügung. Für leichte Lkw gelten häufig längere Fristen, weswegen diese Fahrzeuge wesentlich später in den Markt kommen. Häufig muss der Käufer sich mit mindestens drei Jahre alten Fahrzeugen begnügen. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Lkw-Kauf www.verkehrsrundschau.de/dossiers Garantie und Service Auf Augenhöhe mit NeufahrzeugenAn "junge Gebrauchte" stellen Unternehmen eine wichtige Anforderung: Sie müssen sich in puncto Garantie und Wartung auf Augenhöhe mit Neufahrzeugen bewegen. Die Hersteller wollen dem auf jeden Fall gerecht werden. Für Secondhand-Fahrzeuge, die in ihrem "ersten Leben" Gegenstand von Serviceverträgen waren, können gerne Anschlusspakete vereinbart werden, versichern MAN, Daimler, Scania und andere Hersteller einhellig. Allerdings gibt es Unterschiede: Während MAN grundsätzlich Antriebsstrang- und Gesamtfahrzeuggarantien verspricht, stellt Daimler abgestimmte Garantien und Services in Aussicht. Scania ergänzt solche Dienstleistungen mit Fleet-Management-Verträgen, Volvo und Renault machen solche Dienstleistungen vom Wunsch der Kunden abhängig. Wenigstens in einem Punkt sind sich die Hersteller einig. Jeder Interessent kann "junge Gebrauchte" auch leasen oder mieten. bot