Strom, Gas - und Diesel

Unter Konkurrenten ist Einigkeit selten. In einem Punkt gingen die großen Lkw-Produzenten auf der IAA Nutzfahrzeuge allerdings konform: Es gibt nicht mehr nur die eine Lösung. Soll heißen: Die Zeiten, in denen Lastwagen ausschließlich von Dieselmotoren angetrieben werden, sind vorbei. Welche Alternativen aber bei welchem Einsatz den Selbstzünder ablösen werden, darüber sind sich die Hersteller weniger einig. Geht es nach Iveco, ist Erdgas das Mittel, um die Transportemissionen zu senken. "Solange wir Strom aus Kohlekraftwerken beziehen und die Herstellung wie die Entsorgung von Batterien umweltschädlich bleibt, bringt uns der Elektroantrieb beim Klimaschutz nicht weiter", argumentierte Iveco-Chef Pierre Lahutte. Dass die Italiener das Thema Erdgas ernst nehmen, beweist, dass auf dem Iveco-Stand kein einziges Exponat mehr von einem konventionellen Dieselmotor angetrieben wurde. Ihre Stelle nahmen die Stralis-NP-Modelle, bei denen verflüssigtes Erdgas im Fernverkehr für annehmbare Reichweiten sorgt, und die CNG-Varianten ein. Letztere sieht der Hersteller für regionale Einsätze mit niedrigeren Kilometerleistungen vor, in den meisten Fällen also ein Fall für den Eurocargo- oder die Baustellenmodelle X-Way. Einen Blick in die Zukunft gewährte Iveco zusätzlich mit seiner Wasserstoff-Studie auf einem Serien-Stralis-Fahrgestell. Die selbst entwickelte Brennstoffzelle soll mit einer Füllung aus den 160 Liter fassenden und mit Glasfaser umwickelten Wasserstofftanks, Kraft für bis zu 1600 Kilometer schöpfen. 2030 könnte es so weit sein. Drei Versuchsträger bei DAF Die insgesamt drei Versuchsfahrzeuge auf dem DAF-Stand starten dagegen bereits in den nächsten Monaten in Feldtests. Der vollelektrisch angetriebene und zusammen mit Cummins entwickelte LF-Verteiler ist für urbane Lieferungen mit bis zu 280 Kilometern Streckenlänge gedacht. Den Strom speisen Mangan-Nickel-Kobalt-Akkus, die bewusst einfach aufgebaut sind. Das spart Kosten und Gewicht, macht aber eine längere Ladezeit obligatorisch. Kein Problem, solange der LF Electric über Nacht am Stromnetz lädt, wie von DAF vorgesehen. Kürzere Strecken vom Lager, wo die Batterien beim Be- und Entladen geladen werden können, sieht der Hersteller dagegen für den ebenfalls vollelektrischen CF (37 Tonnen Gesamtgewicht) vor, dessen E-Technik vom Bushersteller VDL stammt. Seine Batterien verfügen über eine aufwendigere Öl-Wasser-Kühlung, sind dadurch teurer, lassen sich aber schneller wieder mit Strom füllen, was dann für bis zu 100 Kilometer bei ausgereiztem Gesamtgewicht genügen soll. Regionale Fernverkehre mit regelmäßigen Abstechern in urbane Gebiete sind dagegen ein Fall für den CF Hybrid. Bis zu deren Randgebiet sorgt der MX-11-Reihensechszylinder für Vortrieb, der an Steigungen und beim Beschleunigen Unterstützung von einem Elektromotor erhält. In der Stadt kann der E-Motor dann ganz übernehmen und treibt den CF lokal emissionsfrei bis zu 50 Kilometer weit. Die Batterien anschließend mit dem Diesel wieder zu laden, ist zwar möglich, aber für DAF wenig zielführend. Die Niederländer sehen eher eine Ladung über Nacht an der Starkstromsteckdose vor. Neben dem hohen Leergewicht von 9,2 Tonnen werden potenzielle Kunden zudem hohe Preise schrecken. DAF rechnet für die drei Innovationsfahrzeuge mit einem bis zu dreifachen Preis zu einem konventionellen Diesel. In Hannover erstmals auf einem gemeinsamen Messestand präsentierten sich Scania und MAN. Für viele Besucher dürfte es auch der erste, noch gewöhnungsbedürftige Kontakt mit dem neuen Kunstnamen Traton gewesen sein, unter dem MAN, Scania und die Lkw-Sparte von Volkswagen seit Kurzem auftreten. Traton steht als Abkürzung für "Transforming Transportation", worunter der Hersteller innovative Transportlösungen verstanden wissen möchte. Blick in die Verteiler-Zukunft Wie die Zukunft aussehen könnte, zeigte MAN anhand der Elektro-Studie CitE. Der 15-Tonner verfügt über eine bewusst niedrige Einstiegshöhe und breite Türen im Omnibus-Stil. Das soll das im Verteilerverkehr häufige Ein- und Aussteigen erleichtern. Hilfreich im Stadtverkehr sind das ergonomisch gestaltete Cockpit und die unverbaute Rundumsicht durch eine niedrige Sitzposition, große Seitenfenster und den Ersatz der Rückspiegel durch Kamerasysteme, die auch eine 360-Grad-Rundumsicht ermöglichen. Ob der CitE jemals in Serie geht, darüber schweigt sich der Hersteller aus. Konkreter, bislang aber ebenfalls noch nicht zu haben ist der TGS 18.400 für Tank- und Silotransporte. Vorteil der 4x2-Sattelzugmaschine: ein niedriges Eigengewicht, was MAN vor allem durch den neun Liter kleinen D15-Motor realisiert. Auch Konzernschwester Scania präsentierte sich nachhaltig. Das komplette Motorenprogramm lässt sich mit alternativen Kraftstoffen betreiben. Neben hydriertem Pflanzenöl (HVO) oder Biodiesel bietet Scania auch Erdgasmotoren an, wie beispielsweise den 410 PS starken LNG-Antrieb für die G- und R-Modelle. Zusätzlich implementierte Scania seinen Hybridantrieb in die jüngst erneuerten P-, G- und L-Baureihen. Kunden können zwischen einem Plug-in-Hybrid (erhältlich ab 2019) und dem ab Ende 2018 lieferbaren Hybrid-Elektro-Antrieb wählen. In beiden Fällen wird der neun Liter große Fünfzylinder mit maximal 360 PS von einem 130 kW starken E-Motor unterstützt oder auf kurzen Strecken ganz ersetzt. Im Fall des Plug-in-Hybrid spricht der schwedische Hersteller von zehn Kilometern rein elektrischer Fahrstrecke. Nachgelegt hat Scania auch bei seinem Abstandstempomaten, der nun auf den Namen "AiCC Plus" hört. Bislang hielt das System den Abstand zu vorausfahrenden Fahrzeugen mithilfe von Radarsignalen und Kameras ein. Bei AiCC Plus kommen zusätzlich GPS-Daten und Kartenmaterial hinzu. Unnötiges Bremsen, um den Abstand einzuhalten, soll so vermieden werden. Außerdem spricht Scania von einem verbesserten Luftwiderstand, obwohl der Hersteller betont, dass der vorgeschriebene Sicherheitsabstand immer gewahrt bleibt. Konkurrent Volvo verwies auf seinem Messestand auf die erste FH-Generation, die 1993 auf den Markt kam. Dieses Jubiläum nahmen die Schweden für das FH-Sondermodell "25-Years" zum Anlass. Ansonsten setzten auch die Göteborger auf nachhaltige Themen. Mit verflüssigtem Erdgas und einem kleinen Prozentsatz Diesel (als Zündkerzenersatz) fahren die FH- und FM-LNG-Modelle. Regionale Distanzen sollen die ab 2019 lieferbaren E-Verteiler FL und FE Electric übernehmen. Autonome Volvo-Studie ohne Kabine Hingucker bei den Schweden war allerdings "Vera". Dabei handelt es sich um die Studie einer Sattelzugmaschine, die selbstredend vollelektrisch und darüber hinaus autonom rollen soll. Eine herkömmliche Kabine benötigt Vera daher nicht mehr, weshalb die Studie optisch eher an einen Sportwagen erinnert. Einen Einsatz in Häfen oder Logistikzentren kann sich Volvo schon bald vorstellen. Auf Stromer setzt auch die Konzernschwester Renault Trucks. Die vollelektrischen Z.E.-Modelle, die vom Transporter Master Z.E. bis zum schweren Verteiler D Wide Z.E. reichen, benötigen noch einen Fahrer, sind dafür aber bereits teilweise in Kundenhand. Der größte Publikumsmagnet fand sich jedoch bei Mercedes-Benz in Form des neuen Actros. Auch hier gibt es in Sachen alternative Antriebskonzepte Neues: Daimler übertrug den Erdgas-Antriebsstrang des Econic auf den Actros. Der Actros NGT bietet 302 PS aus 7,7 Litern Hubraum für regionale Verteilertransporte. Noch bis mindestens 2021 warten müssen die Kunden dagegen auf den vollelektrischen EActros. Manche der neuen Lösungen brauchen noch etwas Anlauf.

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