Bund will Bürokratiekosten senken

Bürokratie kostet die deutsche Wirtschaft jedes Jahr eine Menge Geld. Knapp 43 Milliarden Euro waren es 2015 - allein durch den Bund verursacht. "Unnötige staatliche Bürokratie belastet gerade kleine und mittelständische Unternehmen überproportional", stellt Annekathrin Wernsdorf, Referentin für Steuerrecht des Deutschen Steuerberaterverbandes DStV, fest. Mindestens 3,6 Millionen kleine und mittlere Betriebe müssen umfangreichen Dokumentations- und steuerlichen Pflichten nachkommen, haben dafür aber keine eigenen Fachabteilungen. Sie brauchen externe Spezialisten, um sich über neue Gesetze und Verordnungen auf dem Laufenden zu halten. Vom "Zweiten Gesetz zur Entlastung insbesondere der mittelständischen Wirtschaft von Bürokratie" sollen deshalb kleine Betriebe mit zwei bis drei Mitarbeitern profitieren. Schwerpunkte dieses Gesetzes sind Vereinfachungen im Steuer- und Abgabenrecht. Der Ausbau der Digitalisierung in der Verwaltung soll Unternehmen weitere Vorteile bringen. Sie können künftig Informationen zu Gesetzen und Verordnungen über Internetportale abrufen. Die Bürokratiekosten für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) reduzieren sich um insgesamt 362,6 Millionen Euro, rechnet das federführende Bundeswirtschaftsministerium vor. Nur eine leichte Entlastung Ziel sind schnelle und spürbare Entlastungen für die mittelständische Wirtschaft. Belastungen durch neu erlassene Gesetze sollen durch Entlastungen an anderer Stelle ausgeglichen werden. So ganz klappt das aber in der Praxis noch nicht. Wirtschaftsverbänden geht das Gesetz nicht weit genug. "Es entlastet die Unternehmen um nicht einmal ein Prozent der Gesamtbelastung von 43 Milliarden Euro jährlich", kritisierte Mario Ohoven, Präsident des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft. "Immerhin ist das Gesetz ein Schritt in die richtige Richtung", urteilte Wernsdorf vom DStV, "wenn auch kein großer Wurf". Das zweite Bürokratieentlastungsgesetz bringt dennoch einige Erleichterungen. Das sind die wichtigsten Änderungen, von denen auch kleine Transport- und Logistikunternehmen profitieren: Rechnungen schreiben wird einfacher Einfacher wird es für Betriebe, die häufig Rechnungen über kleinere Beträge ausstellen. Wer Rechnungen bis 250 Euro schreibt, kann künftig auf die vorgeschriebenen Pflichtangaben verzichten. Neben Datum, Namen und Anschrift des leistenden Unternehmens, müssen nur Menge und Art der Leistung sowie der Bruttobetrag auf der Rechnung ausgewiesen sein. Es genügt, den anzuwendenden Steuersatz zu vermerken. Eine Aufschlüsselung des Rechnungsbetrags in Nettoentgelt und Umsatzsteuer ist nicht notwendig. Auch dem Leistungsempfänger bringt das Vorteile: Er kann den Vorsteuerabzug geltend machen, ohne die Rechnung aufwendig prüfen zu müssen. Lohnsteuer quartalsweise melden Unternehmen mit wenigen Mitarbeitern oder Aushilfskräften müssen die Lohnsteuer nur noch quartalsweise anmelden und abführen, sofern die Steuer im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als 5000 Euro ausmachte. Auch entfällt für Betriebe die aufwendige Schätzung von Sozialversicherungsbeiträgen, sollte der Wert für den laufenden Monat noch nicht bekannt sein. Künftig darf der Wert des Vormonats herangezogen werden. Abweichungen zur tatsächlichen Beitragsschuld sind in der Entgeltabrechnung des folgenden Monats zu korrigieren und gegebenenfalls nachzuzahlen. Aufzeichnungspflichten entfallen Weiterhin entfallen Aufzeichnungspflichten für Wirtschaftsgüter, die Unternehmen ab dem kommenden Jahr erwerben oder herstellen, wenn ihre Kosten sich auf maximal 250 Euro belaufen. Über sofort abgeschriebene Wirtschaftsgüter ist nur dann ein Verzeichnis zu führen, wenn ihr Wert diese Grenze übersteigt. Lieferscheine dürfen entsorgt werden Die größte Entlastung soll jedoch eine Regelung bringen, die in der Praxis viele Fragen aufwirft: Unternehmen dürfen künftig Lieferscheine entsorgen, die keine Buchungsbelege sind. Die bisherige Aufbewahrungsfrist von sechs Jahren soll gestrichen werden. Leistungsempfänger brauchen den Lieferschein nicht mehr, sobald die Rechnung eingegangen ist, Auftragnehmer, sobald sie diese verschickt haben. Doch der Teufel steckt im Detail: Häufig sind Lieferscheine eben doch Buchungsbelege und dann sogar zehn Jahre aufzubewahren. Auch sind Lieferscheine nicht immer leicht als solche zu identifizieren, beispielsweise wenn sie Teil eines Frachtbriefes sind. Diesen müssen Speditionen weiterhin aufbewahren. "Betriebe müssen nun prüfen, ob Lieferscheine Teil des Buchungsbelegs sind oder nicht", sagt Steuerreferentin Wernsdorf. Unternehmen, die zum Beispiel innergemeinschaftliche Lieferungen erbringen, brauchen die Lieferscheine zudem oft als Nachweis, damit die Umsatzsteuer für sie entfällt. "Im Zweifelsfall ist es besser, Lieferscheine aufzubewahren", sagt Wernsdorf. Ihr Fazit: Nur Einnahmen-Überschuss-Rechner profitieren. "Buchführende Unternehmen werden keine große Entlastung spüren." Der Bundestag hat das Gesetz am 30. März verabschiedet, allerdings muss der Bundesrat noch zustimmen. Unklar bleibt, ob die Länder das Gesetz in der jetzigen Fassung durchwinken oder den Vermittlungsausschuss anrufen. Der Bundesrat hatte im ersten parlamentarischen Durchgang den geplanten Wegfall der Aufbewahrungspflicht für Lieferscheine abgelehnt. Seine Kritik: Die Regelung sei nicht praxistauglich und widerspreche dem Ziel, Steuerbetrug wirksam zu bekämpfen. Stimmt er zu, kann das Gesetz im Mai in Kraft treten. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Steuern www.verkehrsrundschau.de/dossiers Zweites Bürokratieentlastungsgesetz Das ändert sich rückwirkend zum 1. Januar 2017: - Lieferscheine: Die Aufbewahrungspflicht für Lieferscheine, die keine Buchungsbelege sind, soll mit dem Erhalt beziehungsweise Versand der Rechnung enden. Dies betrifft alle Lieferscheine, deren Aufbewahrungsfrist nach altem Recht noch nicht abgelaufen ist.- Lohnsteueranmeldungen: Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) müssen Lohnsteueranmeldungen künftig nur quartalsweise vornehmen, wenn die abzuführende Lohnsteuer für das vorangegangene Kalenderjahr mehr als 1080 Euro, aber nicht mehr als 5000 Euro beträgt. Diese Grenze wurde von 4000 auf 5000 Euro erhöht.- Fälligkeit von Sozialversicherungsbeiträgen: Mehr Unternehmen sollen vom vereinfachten Verfahren profitieren, das bisher nur Betriebe mit stark schwankenden Lohnsummen nutzen durften. Statt die Sozialversicherungsbeiträge des laufenden Monats aufwendig zu schätzen, ist es nun zulässig, die Werte des Vormonats anzusetzen. Im Folgemonat muss die Differenz dann aber korrigiert werden.- Kleinbetragsrechnungen: Der Schwellenwert für umsatzsteuerliche Kleinbetragsrechnungen soll von 150 auf 250 Euro angehoben werden. Dadurch reduzieren sich die Pflichtangaben in der Rechnung.- Haftungsausschluss beim Factoring: Eine Ergänzung des Umsatzsteuergesetzes soll ausschließen, dass Factoring-Gesellschaften, die Forderungen von Unternehmen kaufen, für die Umsatzsteuerschuld ihrer Kunden haftbar gemacht werden können. Eine anderslautende Entscheidung des Bundesfinanzhofs (Aktenzeichen: XI R 28/13) hatte diese Klarstellung notwendig gemacht, um negative Auswirkungen auf die Wirtschaft durch eine Herabstufung der Bonität von KMU zu vermeiden.- Geringwertige Wirtschaftsgüter: Sofort abgeschriebene Wirtschaftsgüter müssen derzeit in ein Verzeichnis aufgenommen werden, wenn ihr Wert über 150 Euro liegt. Diese Grenze soll auf 250 Euro steigen und gilt für Güter, die nach dem 31. Dezember 2017 angeschafft, hergestellt oder ins Betriebsvermögen eingelegt wurden.- Pauschalierungsgrenze für kurzfristig Beschäftigte: Die Pauschalierung der Lohnsteuer mit 25 Prozent soll künftig gelten, wenn der durchschnittliche Tageslohn kurzfristig beschäftigter Arbeitnehmer 72 Euro nicht übersteigt. Die Anhebung der Grenze von derzeit 68 Euro auf 72 Euro berücksichtigt den gestiegenen Mindestlohn, der seit Jahresbeginn 8,84 Euro beträgt. sah

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