Brüssel. Die Bundesregierung hat die Fragen der EU-Kommission im Hinblick auf den deutschen Mindestlohn fristgerecht beantwortet. Das bestätigte ein Sprecher der Kommission am Donnerstag in Brüssel. Zum Inhalt machten weder die Kommission noch die Bundesregierung Angaben.
Die Kommission hatte am 19. Mai ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eröffnet und ein „Aufforderungsschreiben“ nach Berlin geschickt. Darin wird die Einführung des Mindestlohnes für bestimmte Verkehrsleistungen in Frage gestellt.
Nach Ansicht der Kommission lässt sich insbesondere die Anwendung der deutschen Mindestlohn-Vorschriften im Transitverkehr und auf bestimmte, grenzüberschreitende Transporte nicht rechtfertigen. Die damit verbundene Bürokratie stelle eine Behinderung des Binnenmarktes dar. Es gebe „angemessenere Maßnahmen, die zum sozialen Schutz der Arbeitnehmer“ ergriffen werden könnten und den Wettbewerb sowie den freien Warenverkehr weniger behindern würden.
Die Bundesregierung hatte zwei Monate Zeit, um die Bedenken der Kommission auszuräumen oder Änderungen in Aussicht zu stellen. In Brüssel wird ihre Antwort jetzt daraufhin überprüft. Sollte die Kommission zu dem Ergebnis kommen, dass die deutsche Rechtspraxis weiter gegen die europäischen Vorschriften verstößt, kann sie Klage gegen Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof erheben.
Beide Seiten suchen einen Kompromiss
Beide Seiten wollen aber versuchen, vorher einen Kompromiss zu finden. In Brüssel wird die „pragmatische Reaktion“ der Bundesregierung hervorgehoben, die den Mindestlohn für den Transitverkehr vorübergehend ausgesetzt hat. Es gehe jetzt darum, die dadurch entstandene „juristische Lücke“ zu schließen und den Transitverkehr endgültig vom Mindestlohn auszunehmen. Ebenso unstrittig sei, dass auf Kabotagefahrten der Mindestlohn gezahlt werden müsse. Für grenzüberschreitende Transporte schlägt die Kommission ein „Distanz basiertes Modell“ vor. Außerdem müssten die Dokumentationspflichten gelockert werden.
In Brüssel geht man allerdings nicht davon aus, dass die große Koalition die notwendigen Änderungen am Mindestlohngesetz und den dazugehörigen Verordnungen ohne zusätzlichen Druck beschließen wird. Es wird erwartet, dass die Kommission nach der Sommerpause die nächste Etappe des Vertragsverletzungsverfahrens einleiten und die Bundesregierung auffordern wird, die beanstandeten Vorschriften innerhalb einer bestimmten Frist zurückzunehmen. (tw)