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Wochenruhezeit: „EU-Kommission hat einen Freibrief ausgestellt“

05.08.2014 11:35 Uhr
Wochenruhezeit: „EU-Kommission hat einen Freibrief ausgestellt“
BGL-Hauptgeschäftsfüher Karlheinz Schmidt hätte sich eine deutliche Positionierung aus Brüssel gewünscht
© Foto: VR/Michael Cordes

In der strittigen Frage, ob die regelmäßige Wochenruhezeit im LKW verbracht werden darf, bleibt die EU-Kommission klare Worte schuldig. Das ist ein Schweigen zur Unzeit, glaubt BGL-Hauptgeschäftsführer Karlheinz Schmidt.

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Die EU-Kommission äußert sich auf eine Anfrage der Verbände Auslegung von Artikel 8 der EU-Verordnung Nr. 561/2006 eher zurückhaltend. Wie verstehen Sie die Antwort?
Karlheinz Schmidt: Die EU-Kommission bleibt auf eine entsprechende IRU-Anfrage hin in der Kernfrage offen. Ein explizites Verbot der Verbringung von Wochenruhezeiten in der Fahrerkabine wird nicht hergeleitet. Trotzdem räumt die Kommission den Mitgliedsstaaten ein diesbezügliches Sanktionsrecht bei der Umsetzung der VO ein. Sie hat damit eine Art „Freibrief“ für unterschiedliche Rechtsauffassungen in den einzelnen EU-Staaten ausgestellt.

Dann wird die EU-Kommission untätig bleiben?
Wenn man das Antwortschreiben der EU-Kommission nicht missversteht, ist aus Brüssel keine Intervention gegen die belgische oder französische Praxis zu erwarten. Länder, die den Artikel 8 anders interpretieren, dürfen sich ebenfalls des „Segens“ der EU-Kommission gewiss sein. Wir halten diese inhaltliche Interpretation einer EU-Verordnung, die unmittelbar anwendbares Recht in den EU-Mitgliedsstaaten darstellt, für unhaltbar. Zumindest die EU-Kommission müsste ein Signal setzen, um die unmittelbare Wirkung der Regelungsinhalte einer EU-Verordnung in Europa zu unterstreichen. Wenn sie dies gleichwohl unterlässt, erhebt sich die Frage, auf welcher Grundlage drakonische Bußgelder und auch Gefängnisstrafen angedroht werden. Ohne weiteren politischen Druck wird eine eindeutige Klärung von Inhalt und Bedeutung des Artikels 8 nicht erreicht.

Wie ist die Haltung der deutschen Behörden?
Auch die Fachebene im BMVI ist der Überzeugung, dass Artikel 8 der Verordnung das Verbringen von Wochenruhezeiten im Fahrerhaus nicht ausschließt. Für uns erhebt sich allerdings die Frage, welche Wirkungen die Bestimmungen des Artikels 8 entfalten sollen, wenn alle anderen Ruhezeiten davon nicht berührt sind. Man brauchte dann auch für die in Artikel 8 genannten Ruhezeiten erst recht nichts zu regeln, wenn kein ausschließender Charakter gelten soll. Wohlgemerkt die EU-Kommission wäre die kompetente Stelle gewesen. Die Brüsseler Behörde verweist darauf, dass die Mitgliedstaaten durch Kontrollen, die effektiv, abschreckend, angemessen und nicht diskriminierend zu sein hätten, die geltenden Vorschriften durchzusetzen haben. Im Falle der französischen Gesetzgebung will die EU-Kommission lediglich die Sanktionsmechanismen überprüfen, ob diese den Kriterien effektiver Durchsetzungsmaßnahmen genügen.

Belgien und Frankreich wollen das Verbringen der wöchentlichen Ruhezeiten scharf bestrafen. Ist das überhaupt durchsetzbar?
Dass drakonische Strafen durchgesetzt werden können, beweist die belgische Praxis. Auch von Frankreich weiß man, dass Sanktionen dort hart ausfallen und umgesetzt werden. Ob dies flächendeckend geht, wird die Zukunft zeigen. Die Frage nach der Sinnhaftigkeit der Sanktionen stellt sich erst, wenn ihre Wirkungen tatsächlich das Sozialdumping erkennbar einschränken. Nach unserer Auffassung wird sich jedoch das „westeuropäische Geschäftsmodell“ für Fuhrparks mit MOE-Personal und MOE-Standorten nicht grundlegend ändern. Im Extremfall werden Fahrer ihre Wochenruhezeit in nicht menschenwürdigen Containerdörfern verbringen müssen. Eine weitere Eskalationsstufe dürfte dann vorgezeichnet sein, weil als nächstes zu prüfen wäre, ob ein Fahrer, der seine Wochenruhezeiten so verbringen muss, tatsächlich über seine Freizeit, so wie es die Verordnung will, frei verfügen kann.

Welche Maßnahmen würden Sie sich als BGL wünschen, um das Problem des Sozialdumpings, in den Griff zu bekommen?
Sozialdumping und seine Bekämpfung stehen auf der Agenda des BGL. Um hier voranzukommen, ist ein gesamteuropäischer Ansatz notwendig. Vermutlich wird man an die Definition der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit im Verkehr heran müssen. Unternehmen, die von Standorten aus Dienstleistungen anbieten, in denen sie nicht tätig werden oder nur als Briefkastenfirma präsent sind, müssen gestoppt werden. Nach unserer Auffassung sollte sich bei langfristiger Orientierung des Unternehmens in bestimmten Verkehrsmärkten eine Niederlassungspflicht in denjenigen Ländern ergeben, in denen der Großteil des Auftragsvolumens abgewickelt wird. Damit könnte dem Ausflaggen und Dumpingwettbewerb durch Missbrauch der Dienstleistungsfreiheit ein wirksamer Riegel vorgeschoben werden.

Wie geht es in der strittigen Frage der Wochenruhezeiten weiter?
Es ist nicht auszuschließen, dass die bislang noch eigenwillige Interpretation des Artikels 8 in Frankreich und Belgien weitere Nachahmer in anderen europäischen Ländern findet. Damit steuert alles auf einen Konflikt zwischen den EU-Ländern mit unterschiedlicher Rechtsauffassung zu. Die EU-Kommission wird über kurz oder lang ihre indifferente und gar zögerliche Haltung aufgeben müssen. Seitens der Bundesregierung besteht Handlungs- und Klärungsbedarf.

Das Interview führte unser Brüssel-Korrespondent Kay Wagner

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