Regeln zur Ruhezeit stiften Unruhe

Darf ein LKW-Fahrer seine wöchentliche Ruhezeit von 45 Stunden in seinem Fahrzeug verbringen? Diese Frage spaltet die Straßengütertransport-Branche spätestens seit dem Inkrafttreten von neuen Gesetzen in Belgien und Frankreich. Beide sehen drastische Strafen für den Fall vor, dass ein Fahrer die betreffende Zeit im "Hotel Fahrerhaus" verbringt (siehe Kasten). Beide berufen sich auf die EU-Verordnung 561/2006. Doch diese Verordnung ist alles andere als klar, wenn es um die Antwort auf die oben gestellte Frage geht. In Artikel 8 steht lediglich, dass unter bestimmten Umständen "reduzierte wöchentliche Ruhezeiten im Fahrzeug verbracht werden" dürfen. Wo die reguläre Wochenruhezeit verbracht werden darf beziehungsweise nicht, wird nicht ausdrücklich geregelt. Das sorgt für Verwirrung und unterschiedliche Auslegungen. Das Bundesamt für Güterverkehr (BAG) sieht ein Verbot, die 45-stündige Wochenruhezeit im Fahrerhaus zu verbringen, nicht ausreichend begründet. Folgerichtig wird in Deutschland dieser "Tatbestand" auch nicht kontrolliert. In Belgien wird die EU-Verordnung dagegen seit Jahren so ausgelegt, dass ein Fahrer die betreffende Zeit nicht im Fahrzeug verbringen darf. Wie Verstöße nachgewiesen werden können und welche Strafen es dafür gibt, ist seit Langem geregelt. Neu ist jetzt die Erhöhung des Bußgeldes. In Frankreich hingegen hat man diesen "Verstoß" neu entdeckt. "Mit diesem Gesetz ist Frankreich Vorreiter gegen das Sozialdumping in Europa", brüstet sich Gilles Savary, einer der Initiatoren des Gesetzes. Zehn Jahre war er Abgeordneter im Europaparlament, sieben davon stellvertretender Vorsitzender des Verkehrsausschusses. EU-Kommission will abwarten Dass die drastischen Strafen seines Textes für Bewegung bei der EU sorgen werden, wird Savary also genau gewusst haben. Nichts anderes will aber auch Frankreich. Die Bedrohung der einheimischen Unternehmen durch osteuropäische Billig-Konkurrenz hatte schon Frankreichs Verkehrsminister Frédéric Cuvillier dazu veranlasst, elf EU-Mitgliedstaaten zur Unterzeichnung der "Erklärung über faire Marktbedingungen im europäischen Straßengüterverkehr" zu bewegen. Darin wird die einheitliche Durchsetzung der Sozialvorschriften in der gesamten EU gefordert. Dieses Problem müsse die EU endlich angehen. Das Kalkül scheint zumindest zum Teil aufzugehen. Die International Road Transport Union (IRU) hat sich dem Thema wöchentliche Ruhezeit im Fahrerhaus angenommen und der EU-Kommission ein Protestschreiben gegen die Maßnahmen in Belgien und Frankreich zukommen lassen. Bei der EU-Behörde wartet man jedoch erst einmal ab. Keine voreilige Klärung verspricht die Kommission in ihrem Antwortbrief an die IRU. Vielmehr wolle man zunächst beobachten, wie Frankreich sein Gesetz umsetzen werde. Anders als in Belgien greifen in Frankreich die neuen Strafen nämlich noch nicht. Was die Kommission mittelfristig plant, skizziert Helen Kearns, Sprecherin von EU-Verkehrskommissar Siim Kallas, wie folgt: In der zweiten Jahreshälfte werde die Verordnung 561/2006 Gegenstand einer "Ex-Post-Überprüfung" werden. Das könnte eine Gelegenheit sein, Bestimmungen zu überarbeiten. Ansonsten gebe es noch die Möglichkeit, über sogenannte "Guidance Notes" den strittigen Punkt außerhalb des Gesetzgebungsprozesses zu klären. Solche "Guidance Notes" sind für die Verordnung 561/2006 ausdrücklich vorgesehen. Sie ermöglichen es EU-Mitgliedstaaten, sich außerhalb des gewöhnlichen EU-Gesetzgebungsprozesses auf eine einheitliche Auslegung von Bestimmungen zu einigen.

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