"Wir haben heute zu viele Frachtführer"

Sie sind seit über einem Jahr neuer Landverkehrschef von Kühne + Nagel. Unter Ihrer Ägide hat die Landverkehrssparte nun im ersten Quartal 2014 erstmals schwarze Zahlen vorgelegt. Das ist richtig. Wir haben in diesem Zeitraum unseren Umsatz vor Währungseffekten um sieben Prozent auf umgerechnet 692 Millionen Schweizer Franken (CHF) gesteigert und ein Ebit von drei Millionen CHF erwirtschaftet. Zum Vergleich: 2013 hatten wir im ersten Quartal noch 12 Millionen CHF weniger Ebit - da waren wir noch rot. Unsere Landverkehrssparte "Overland" wird also voraussichtlich in diesem Jahr zum ersten Mal in der Konzern-Geschichte ein positives Ergebnis abliefern. Wie sehr hat Ihnen die günstige Witterung in diesem Frühjahr in die Hände gespielt? Nur bedingt. Das Wetter hat darauf nur einen untergeordneten Einfluss. Unser Erfolg trägt vielmehr die Handschrift unserer neuen Strategie "Road 2 Profit" im Landverkehr, die wir im vergangenen Juli kommuniziert haben und konsequent umsetzen. Ziel dabei ist eine nachhaltige Profitabilität. Hat sich Kühne + Nagel aber nicht noch vor vier Jahren ein Wachstumsprogramm verordnet, das den Umsatz im Landverkehr bis 2014 verdoppeln sollte? Das ist richtig. Unser Umsatz ist in den Jahren 2008 bis 2012 auch um 25 Prozent gewachsen - sowohl organisch als auch anorganisch. Gleichzeitig ist der Ebit in dem gesamten Zeitraum prinzipiell gleich geblieben. Unser Umsatzplus hat sich also nicht in mehr Profitabilität niedergeschlagen. Umsatzwachstum um jeden Preis bringt also wenig. Unser Ziel ist es, profitabel zu wachsen. Der Fokus liegt also ganz klar auf einem positiven Ebit. Beim Umsatz reicht es dagegen zunächst, wenn wir nur leicht über dem Markt wachsen. Reicht dies auch Ihrem Verwaltungsrats-Präsidenten Karl Gernandt? Noch vor einem Jahr hat er ja den Fortbestand der Landverkehrssparte von deren Erfolg abhängig gemacht. Der Landverkehr ist eine starke vierte Säule von Kühne + Nagel. Wir sind also integraler Part des Konzerns. Und daran wird sich auch nichts ändern. Unsere Strategie-Vorgabe ist aber, nochmals gesagt, ein positives Ebit. Und das haben wir im ersten Quartal 2014 bereits erreicht. Was haben Sie dafür getan? Unprofitable Organisationen und Einheiten haben wir dafür bereits in weiten Teilen restrukturiert, um diese nachhaltig in die positiven Zahlen zu führen. Kann es trotzdem noch zu Standort-Schließungen kommen? Nicht unbedingt, aber wir haben alle unsere Niederlassungen weltweit einer gründlichen Profitabilitätsanalyse nach einem fest definierten Kriterienkatalog unterzogen - mit dem Schwerpunkt auf unser nationales und internationales Stückgutgeschäft. Wenn wir dabei feststellen, dass wir an bestimmten Standorten nicht genügend Feuerkraft haben, sourcen wir verstärkt aus. An den Standorten also, in denen wir zu wenig Sendungsvolumen haben oder nicht die Kostenführerschaft erreichen, machen wir den Umschlag sowie den Sammeleingang und -ausgang künftig nicht mehr selbst. Wir werden diese Dienstleistungen zwar unseren Kunden an diesen Standorten unverändert anbieten, aber sie an lokale Dienstleister vergeben. In welchen Ländern steht dieses Outsourcing an? In Dänemark und Schweden ist dieser Prozess bereits abgeschlossen. Zusätzlich werden zwei, drei weitere Länder folgen. Welche das sein werden, kann ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen, da wir dazu noch Gespräche führen. Wir wollen diesen Prozess aber in der ersten Jahreshälfte 2014 abgeschlossen haben. Nur so viel: In Deutschland ist keiner unserer insgesamt 20 Standorte von einem Outsourcing betroffen. Wie viel Euro Kosten wollen Sie sich durch diese Restrukturierung einsparen? Das ist unterschiedlich, weil die Kosten- und Mengensituation in jedem Land anders ist. In den Ländern aber, in denen wir zu wenig Sendungsvolumen hatten oder nicht Kostenführer waren, werden wir durch diesen Umbau bis zu 20 Prozent Preisvorteil erzielen. Wie viele Mitarbeiter werden dafür insgesamt abgebaut? Wir sind an den besagten Standorten ein Joint-Venture mit lokalen Speditionen eingegangen. Daher ist durch den Umbau keine hohe Anzahl von Mitarbeitern betroffen. Zudem haben Sie vor einigen Monaten angekündigt, Ihren Frachteinkauf zentralisieren zu wollen. Welche Vorteile versprechen Sie sich davon? Derzeit ist es noch so, dass wir unsere Transport-Dienstleistungen überwiegend lokal einkaufen, also nicht gebündelt. Lediglich in unserem Spezialverkehr-Geschäft kaufen wir zentral ein. Kühne + Nagel spielt also seine gesamte Einkaufsmacht im Frachteinkauf in seinem Landverkehr noch viel zu wenig aus, obwohl sich diese Bündelung der Verkehre für beide Seiten lohnt. Unsere Transportpartner könnten ihre Fahrzeuge besser auslasten und wir hätten im Frachteinkauf Kostenvorteile. Mit wie viel Frachtführern arbeitet Kühne + Nagel heute zusammen, wie viele Partner streben Sie mittelfristig an? Heute sind es schlichtweg zu viele. Über alle unsere Aktivitäten hinweg, also Abhol- und Zustellverkehre im Sammelgutgeschäft und Linienverkehre und grenzüberschreitende Transporte, setzen wir weit über 10.000 Frachtführer ein - sowohl große als auch viele kleine Transportunternehmen. Diese Zahl ließe sich unseren Vorstellungen zufolge um 20 bis 25 Prozent reduzieren. Bündelungspotenzial sehen wir vor allem bei den grenzüberschreitenden LTL- und FTL-Verkehren und den Linienverkehren im internationalen Stückgutgeschäft. Nach welchen Kriterien werden Sie Ihre Frachtführer also künftig auswählen? Qualität ist für uns schon immer sehr wichtig. Dafür haben wir spezifische finanzielle und qualitative Kennziffern definiert, die unsere Transportpartner vorweisen müssen - neben einem bestimmten Fahrzeug-Equipment. Diese Daten werden wir sukzessive auf einer zentralen Datenbank hinterlegen, auf die alle unsere Disponenten weltweit Zugriff haben sollen. Jeder Disponent hat dann beim Frachteinkauf den Überblick über die jeweiligen Kilometerpreise, das Know-how und das Equipment des einzelnen Frachtführers und darüber, ob es sich um einen "Preferred Partner", einen "Standard-Partner" oder "Non-preferred Partner" handelt. Und welches Kriterium gibt unterm Strich bei Ihrer Auswahl den Ausschlag: die Qualität oder der Preis? Pauschal lässt sich das nicht beantworten. Als grobe Faustformel lässt sich sagen: Je höherwertiger ein Gut ist, desto mehr muss man neben dem Preis zusätzliche Kriterien berücksichtigen; der preisgünstigste ist ja nicht immer der Beste. Gleichwohl arbeitet Kühne + Nagel mit einem großen ungarischen Transportunternehmen zusammen, das seinen Fahrern, die nach Deutschland fahren, wohl keinen gesetzlichen Mindestlohn zahlen wird. Wäre das für Sie ein Grund, diesen Dienstleister nicht mehr einzusetzen? Unser Anspruch ist, dass wir nach ethischen und rechtlichen Standards arbeiten und entlohnen. Die Einhaltung dieser Standards berücksichtigen wir auch bei der Auswahl unserer Geschäftspartner. Dies schließt die Zahlung etwaiger gesetzlicher Mindestlöhne ein. Wie viel Moral kann sich heute ein Unternehmen in Ihrem hart umkämpften Geschäft überhaupt noch leisten? Diese Frage stellt sich nicht. Wir verstehen die Einhaltung ethischer und rechtlicher Standards sowie die stetige Weiterentwicklung unseres Compliance Programmes als Wettbewerbsvorteil. Deshalb haben wir einen Verhaltenskodex, der beschreibt, welches Verhalten wir von unseren Mitarbeitern erwarten. Die Vorgaben, die wir uns selbst auferlegen, gelten gleichermaßen für unsere Geschäftspartner. Im ersten Quartal haben Sie, wie bereits gesagt, sehr erfreuliche Zahlen vorgelegt. Von welchen Umsatz- und Sendungszahlen gehen Sie für Ihre Sparte in diesem Jahr insgesamt aus? Hält das Wachstum an? Für den gesamten Markt im gesamten Landverkehr wird 2014 ein Umsatzwachstum von ein bis drei Prozent prognostiziert. Unser Ziel ist es, da mit dem Markt zu wachsen. Das werden wir auch erreichen - möglicherweise legen wir in diesem Jahr sogar leicht über dem Markt zu. Immerhin ist unser Umsatz im ersten Quartal währungsbereinigt um sieben Prozent gestiegen. Zudem wollen wir eine ähnlich hohe Ebit-Marge erwirtschaften wie unsere Marktbegleiter, also ein bis zwei Prozent. Konkrete Zahlen darf ich Ihnen nicht nennen. Unser Benchmark ist jedoch ganz klar DSV, die deutlich höhere Margen haben. Das ist auch unser langfristiges Ziel. In welchen Ihrer Geschäftsbereiche sehen Sie noch das größte Wachstumspotenzial: im Teil- und Komplettladungsgeschäft, im Stückgut oder in Ihren Spezialverkehren? Ganz klar in unseren Spezialverkehren. Im Stückgutgeschäft ist, das wissen Sie, die Umsatzrendite branchenweit gerade einmal bei ein bis zwei Prozent im Schnitt. Stückgut ist heute reines Commodity-Geschäft. Höhere Renditen lassen sich in unserem Segment nur erwirtschaften, wenn man Kunden einen klaren Mehrwert bietet. Das ist der Grund, warum unsere speziellen Netze KN Secure-Chain für hochwertige diebstahlgefährdete Güter, KN Pharma-Chain für die Pharmabranche und Expo & Event Logistics für unseren Konzern so wichtig sind. Denn in diesen Spezialverkehren erwirtschaften wir durch diesen Mehrwert für die Kunden höhere Renditen als im klassischen Landverkehr. Wir werden daher unser Portfolio um das Produkt "KN I2M Overland" erweitern. Start ist zunächst in der Automobilbranche und im Industriegütersegment. Danach werden wir es sukzessive auch in anderen Branchen ausrollen, etwa in der Konsumgüter- und Hightech-Branche. Welche Features bietet Ihr neues Produkt "KN I2M Overland"? Was ist Ihr Kundenversprechen? Unser Kundenversprechen ist: Wir unterstützen sie bei der Planung ihrer Inbound-Verkehre, also in der Beschaffungslogistik. Als Logistikdienstleister wissen wir, wie sich Mengenvolumina vieler Lieferanten bündeln lassen, ein leistungsfähiges IT-System unterstützt dabei. Diesen Service können wir zum Beispiel 2nd/3rd Tiers in der Automobilbranche anbieten, die vor der Herausforderung stehen, flexibel und schnell auf Mengenschwankungen reagieren zu müssen und gleichzeitig möglichst kostenoptimiert tätig zu sein. Bis zu zehn Prozent Kosten in der Beschaffungslogistik sehen wir damit als durchaus relevantes Einsparungspotenzial auf der Kundenseite. Das neue Produkt wird global angeboten. Und in welchen Bereichen sehen Sie darüber hinaus im Landverkehr noch das größte Wachstumspotenzial? Ganz klar in den Ländern USA, Mexiko, Kanada und im Nahen Osten/Afrika. Dort haben wir bislang zwar einen relativ kleinen Marktanteil, sind aber hoch profitabel. Da sehen wir immenses Wachstumspotenzial - im Gegensatz zu gesättigten Märkten wie Deutschland. Das heißt, der deutsche Markt verliert für Sie an Bedeutung? Der deutsche Markt ist und bleibt für uns wichtig. Wir erwirtschaften nach wie vor rund 35 Prozent unseres Europa-Umsatzes in Deutschland. Da dieser Markt aber weitgehend gesättigt ist, wird der Anteil Deutschlands an unserem Gesamtumsatz allerdings zwangsläufig in den kommenden Jahren leicht sinken. Im deutschen Stückgutgeschäft ist Kühne + Nagel ja seit etlichen Jahren Gesellschafter der Mittelstandskooperation IDS Systemlogistik. Fühlen Sie sich in der IDS-Familie eigentlich noch gut aufgehoben? Wir bekennen uns in Deutschland zu diesem Partner und bleiben Gesellschafter von IDS. Andererseits kooperieren Sie an Ihren Standorten München, Stadtallendorf und Lichtenfels seit letztem Jahr mit dem Stückgutverbund 24Plus. Das ist richtig. Für das internationale Stückgutgeschäft haben wir noch einige weiße Flecken, etwa im Allgäu, Saarland, in Südbaden-Württemberg und in Teilen von Ostdeutschland. Ist das der Grund, warum Kühne + Nagel sein internationales Landverkehrsnetz nun auch für andere mittelständische Speditionen öffnet? Wir suchen in der Tat gerade acht bis zehn Partner für unser internationales Teil- und Komplettladungs- sowie Stückgutnetz. Dazu führen wir auch diverse konkrete Gespräche. Abgeschlossen sein dürfte dieser Prozess aber erst in zwei bis drei Jahren. Wobei ich an dieser Stelle betonen möchte, dass das eine reine Partnerschaft sein wird. Wir planen da keine Zukäufe. Wie attraktiv wäre für Sie überhaupt ein eigenes Stückgutnetz in Deutschland? Immerhin sind Sie hierzulande mit 20 eigenen Standorten vertreten und 11 davon sind Partner im IDS-Verbund. Mein Appetit, in einen gesättigten, nationalen Markt zu investieren, ist nicht groß. Wie gesagt, wir arbeiten in Deutschland erfolgreich mit IDS. Richtig ist aber auch, dass einige unserer IDS-Kollegen in ihren internationalen Verkehren oftmals langjährige Partnerschaften mit anderen Partnern haben und deshalb nicht in unser Netz einspeisen. Deshalb sprechen wir ja, wie gesagt, auch mit anderen Mittelständlern. Und wie wollen Sie in Osteuropa Ihre weißen Flecken schließen? In Osteuropa haben wir keinerlei weiße Flecken. Osteuropa ist dennoch in unserem Fokus, insbesondere für unser Segment Teil- und Komplettladungs- sowie Spezialverkehre. Aber wir werden uns da nicht in unkalkulierbare Abenteuer stürzen. Zukäufe sind aber für uns derzeit im Landverkehr nicht im unmittelbaren Fokus. Warum schließen Sie Zukäufe kategorisch aus? Stellt Ihnen Ihr Mutterkonzern dafür kein Geld zur Verfügung? Wir schließen diese nicht kategorisch aus. Vorrangiges Ziel ist aber die erfolgreiche Umsetzung unserer Road-2-Profit-Strategie. Es ist aber auch klar, dass wir uns interessanten Optionen nicht verschließen. Um aber auf Ihre Frage zu antworten: Geld dafür wäre da. Welchen Rang nimmt Kühne + Nagel im europäischen Landverkehr derzeit überhaupt ein? Und bis wann streben Sie die Nummer eins an? Zahlen zufolge, die etwa das Marktforschungsinstitut Transport Intelligence erhoben hat, sehen uns im Landverkehr auf Platz drei. Reine Umsatzgröße entscheidet aber nicht über den Erfolg eines Unternehmens. Viel wichtiger ist, dass wir profitabel sind und bei unseren Kunden Erfolg haben. Was sind schlussendlich die zwei größten Herausforderungen, auf die Sie sich im Landverkehr in den nächsten Jahren einstellen? Unsere vielleicht größte Herausforderung, dass wir unsere Strategie Road 2 Profit in die DNA aller Mitarbeiter etablieren und zwar auf allen Unternehmensebenen. Ein weiteres Thema ist es, die richtigen Talente für unsere Sparte Landverkehr zu gewinnen. Dafür junge qualifizierte Leute zu begeistern und sie für dieses Geschäft zu gewinnen. Das ist aber ein Thema, das nicht nur uns, sondern unsere gesamte Branche noch sehr beschäftigen wird. Vita Stefan Paul Der 1969 geborene Stefan Paul absolvierte zunächst eine Ausbildung zum Speditionskaufmann. Heute ist er Leiter des Geschäftsbereichs Landverkehre und Mitglied der Geschäftsleitung der Kühne + Nagel International AG in Schindellegi/Schweiz. Vor seiner heutigen Position war Paul zunächst bei Kühne + Nagel in Deutschland und dort bis 1997 in verschiedenen Managementpositionen tätig. Dann hatte er diverse Führungspositionen bei DHL Danzas Air & Ocean und Exel. 2010 bis 2013 war er Vorsitzender der Geschäftsführung von DHL Freight Deutschland. Seit Februar 2013 ist er in seiner heutigen Position bei Kühne + Nagel tätig. eh Daten + Fakten Kühne + Nagel Die Kühne + Nagel-Gruppe konnte im ersten Quartal 2014 durch die Konzentration auf renditeorientiertes Wachstum den Reingewinn gegenüber der Vergleichsperiode des Vorjahrs um 11,9 Prozent auf 150 Millionen Schweizer Franken (CHF) (123,38 Millionen Euro) steigern. Der Landverkehr schloss das erste Quartal deutlich positiv ab; Ergebnissteigerungen zeigten auch die Luftfracht und die Kontraktlogistik. In der Seefracht steigerte KN vor allem das Volumen. Das Betriebsergebnis (Ebita) der Gruppe erhöhte sich um 7,3 Prozent auf 235 Millionen CHF (193,29 Millionen Euro). Das Ebit lag mit CHF 190 Millionen (156,28 Millionen Euro) um 12,4 Prozent über dem Vorjahreswert. eh

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