Von Protektionismus bis zur Mafia

Transport von Schrott und Altmetallen, von Altpapier oder gebrauchten Folien zwischen Deutschland und Italien: Sollte eigentlich kein Problem sein, könnte man meinen. Lkw vollmachen, losfahren und abladen. Doch so einfach ist es nicht. Kopfschütteln bei den Spediteuren Um die Unternehmen zu informieren, wie komplex die Lage beim Transport von Abfall von und nach Italien ist, hatte der Landesverband Bayerischer Transport- und Logistikunternehmen (LBT) Ende vergangenen Jahres Dienstleister zu einer Informationsveranstaltung eingeladen. Viele der anwesenden Transporteure konnten angesichts der neuen Anforderungen nur mit dem Kopf schütteln. Dabei ist die Pflicht zur Registrierung im "Albo nazionale gestori ambientali" nicht neu. "Das 'Albo' gibt es schon seit 2010", sagt Guido Koschany, Leiter der Abteilung Umwelt, Gefahrgut und Entsorgung im Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL). Doch handelte es sich bislang um eine vorläufige Registrierung. Neben vielen anderen Unternehmen hatten dieses Prozedere etwa 2500 deutsche Betriebe durchlaufen, so Koschany. Zum 15. Oktober 2016 trat dann eine Regelung in Kraft, mit der die endgültige Registrierung erfolgen sollte und zugleich die Anforderungen massiv nach oben geschraubt wurden. Jetzt musste jeder ausländische Spediteur unter anderem einreichen: einen Nachweis darüber, dass für die Fahrer die Sozialabgaben gezahlt werden, ein Besitzverhältnis für jedes Fahrzeug und eine Anti-Mafia-Bescheinigung. Skurril außerdem: einen Nachweis der Nicht-Entmündigung des Unternehmers, bei der der Unternehmer nachweisen sollte, dass er geschäftsfähig ist. Bis zum 13. Februar 2017 waren diese Auflagen zu erfüllen. Als Gründe für die verschärften Bestimmungen werden vor allem zwei genannt - wenn auch nicht von offizieller Seite. Zum einen geht es um die Mafia. In Italien machen Gerüchte die Runde, dass die Organisation Abfalldeponien betreibt und ihr ein Drittel aller Lkw im Abfalltransport zuzuordnen ist. "Das Bestreben der Behörden, der Mafia das Geschäft zu erschweren, ist nachvollziehbar", sagt Koschany. Kein Verständnis hat er jedoch für einen anderen Grund, der auch beim LBT immer wieder genannt wurde: dass nämlich die Italiener mit diesen Maßnahmen das heimische Transportgewerbe schützen wollen. Unabhängig von den Gründen für die Verschärfungen hat sich der BGL um die Jahreswende gemeinsam mit anderen Entsorgungsverbänden sowohl bei der EU-Kommission wie auch beim italienischen Umweltministerium beschwert. Die Proteste führten zunächst einmal dazu, dass die Frist für eine endgültige Registrierung im "Albo" auf den 15. Mai 2017 verlängert wurde. Aber auch bei den Anforderungen gab es Zugeständnisse seitens der italienischen Behörden. "Nicht zuletzt auch deshalb, weil auch die italienischen Verbände der metallverarbeitenden Industrie massive Bedenken angemeldet haben", sagt Koschany. Dieser geballte Widerstand führte dazu, dass der Nachweis der Nicht-Entmündigung nicht mehr erbracht werden muss. Auch deutlich vereinfacht wurde die Nachweispflicht für die Zahlung der Sozialabgaben und für die Anti-Mafia-Bescheinigung. Also alles in bester Ordnung? Weit gefehlt. "Die Hürden sind immer noch da", sagt Koschany. "Der Ermessensspielraum der Behörden ist sehr unpräzise gefasst. Sie können fast alles ablehnen, was nicht ihren Wünschen entspricht", so der Verbandsvertreter. Ein "Irrsinnsaufwand" Ein weiteres Hindernis bleibt zudem bestehen: Die Italiener verlangen einen Nachweis über die Besitzverhältnisse für alle Fahrzeuge (Sattelzugmaschine und Auflieger) heruntergebrochen auf das einzelne Kennzeichen. "Ein Irrsinnsaufwand", sagt Gerlinde Härting, Leiterin der Abteilung Wertstofflogistik und Vertrieb bei der österreichischen Spedition Quehenberger. Für Quehenberger ist der Transport von Wertstoffen von und nach Italien von großer Bedeutung. Das lässt sich schon an der Zahl der Fahrzeuge ablesen, die Härting registrieren möchte: Jeweils 250 Lkw, angemeldet bei den Töchtern in Rumänien und in Tschechien, sowie 600 Auflieger, die in Österreich gemeldet sind. "Den Behörden reicht keine Leasingbestätigung. Sie wollen von jedem einzelnen Fahrzeug den Leasingvertrag, und zwar in deutscher oder italienischer Sprache", sagt Härting. Und zwar nicht als einfache Übersetzung, sondern in beglaubigter Form. "Das ist ein enormer Verwaltungsaufwand", klagt Härting. Mittlerweile hat sie 7500 Daten in das Register eingespielt und über einen Monat Arbeit reingesteckt, dazu kommt noch die Zeit anderer Kollegen. "Und die Anforderungen ändern sich ja permanent, dann müssen wir wieder die Anträge überarbeiten", zeigt sich Härting sichtlich genervt. Da verwundert auch ihr Vorwurf nicht: "Die immer neuen Regeln sind rein protektionistische Maßnahmen." Auch Markus Gschwendtner, Geschäftsführer der Josef Gschwendtner Internationale Transporte in Kiefersfelden, hat mit der neuen Regelung zu kämpfen. 15 bis 20 Prozent seines Volumens macht er mit Abfalltransporten. "Ich kann mich gar nicht zurückziehen, weil wir für unsere Kunden auch andere Transportleistungen erbringen", sagt Gschwendtner. Daher hat er das Anmeldeprozedere bereits durchlaufen. Sein Vorteil: Die 30 Sattelzüge gehören alle dem Unternehmen. Damit ist der Nachweis der Besitzverhältnisse einfacher. "Aber mal mit einem Leihauflieger einen defekten Anhänger zu überbrücken, ist praktisch nicht möglich", klagt der Unternehmenschef. Am 12. Dezember 2016 hat er bereits den Antrag abgeschickt. "Das war schon ein wahnsinniger bürokratischer Wust", sagt Gschwendtner. Erst am 30. März hat er Rückmeldung bekommen. Einige Angaben waren nicht korrekt. So muss er den Handelsregisterauszug aktualisieren. Er hofft, bis 15. Mai alles korrekt erledigt zu haben. Gschwendtner ist mit seinen Vorbereitungen vergleichsweise weit. Darauf deuten Zahlen hin, die dem BGL vorliegen. Bis Anfang April hatten es laut Koschany ganze 15 Unternehmen geschafft, sich in der Kategorie sechs für internationale Transporte im "Albo" zu registrieren - darunter fünf italienische Speditionen. "Und alle haben die Registrierung nur mit einem Berater vor Ort hinbekommen", sagt er. Der BGL empfiehlt, sich unbedingt bis zum 15. Mai zu registrieren, weil sie ansonsten keine Transporte übernehmen dürfen. "Wir werden eine Liste geeigneter Berater anbieten, die in der Lage sind, kurzfristig die Eintragungen rechtssicher vorzunehmen", kündigt Koschany an. Für BGL-Mitglieder gibt es Sonderkonditionen. Nach Ostern soll die Liste vorliegen.Aber auch diese Hilfe wird nicht verhindern, dass viele Unternehmen ausscheiden, zumal sie die Unterlagen ja selbst besorgen müssen. "Ich gehe davon aus, dass etwa 50 Prozent der Unternehmen, die jetzt im Albo aufgeführt sind, im neuen Register nicht mehr aufzufinden sein werden", lautet die Prognose von Koschany. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Entsorgung www.verkehrsrundschau.de/dossiers Was man zum Albo Nazionale wissen muss Lkw kann stillgelegt werden Italien verlangt für den Transport von Abfällen die Registrierung im "Albo nazionale gestori ambientali". Die Anforderungen, die Transportdienstleister zu erfüllen haben, haben die Italiener nochmals verschärft. Hier grundsätzliche Fragen und Antworten zu der Regelung:Für wen gilt das Gesetz?Es gilt für alle grenzüberschreitenden Transporte von gefährlichen und nicht-gefährlichen Abfällen. Die Registrierungspflicht im Sistri (einem Verzeichnis ausschließlich für Umweltfachbetriebe, die gefährliche Güter transportieren) ist unabhängig davon. Wer im Sistri registriert ist, muss sich dennoch auch im"Albo nazionale gestori ambientali" anmelden.Ab wann tritt das Gesetz in Kraft?Die neue Regelung ist bereits am 15. Oktober 2016 in Kraft getreten. Aber die Italiener haben einen Aufschub gegeben, bis wann die endgültige Registrierung zu erfolgen hat. Derzeit gilt der 15. Mai 2017 als letzter Tag, an dem alle Unterlagen im Albo eingereicht sein müssen.Sind nur ausländische Unternehmen betroffen?Nein, aber in der Kategorie 6"grenzüberschreitende Abfalltransporte" sind naturgemäß vor allem ausländische Unternehmen registriert. Und italienische Dienstleister, die grenzüberschreitende Transporte anbieten, sind mit den juristischen Feinheiten in Italien besser vertraut.Was passiert, wenn eine Spedition ohne Registrierung Abfälle befördert?Schon jetzt gilt: Eine Spedition, die nicht im Albo registriert wird, muss damit rechnen, dass das Fahrzeug mindestens drei Monate stillgelegt wird. Dem BGL sind Fälle bekannt, in denen Speditionen ein Fahrzeug (inklusive Ladung) für bis zu acht Monate stillgelegt wurde. cd

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