Berlin. Nachdem Güterbahnchefs und Verkehrspolitiker aller Fraktionen einen Ausbau des deutschen Schienennetzes für den Einsatz von längeren Güterzügen befürwortet haben, setzt sich die Verkehrsministerkonferenz (VMK) die 740-Meter-Züge jetzt ebenfalls auf die Tagesordnung. Darauf weist das Verkehrsbündnis Allianz pro Schiene hin. Im Vorfeld der VMK am Donnerstag und Freitag in Stuttgart appellierte die Allianz pro Schiene an die Länder, die Ertüchtigung des deutschen Netzes auf die EU-Standard-Länge mit höchster Dringlichkeit zu behandeln. Zugleich stellte sich das Umweltbundesamt (UBA) auf die Seite der Befürworter des 740-Meter-Netzes.
Verkehrsexperten aller Parteien im Bund hatten 740-Meter-Züge bereits einen positiven Klimaeffekt bescheinigt. Die Chefs von DB Cargo, SBB Cargo International, der Havelländischen Eisenbahn, der Hamburger Hafenbahn und der Chef der Spedition Konrad Zippel hoffen im Schienengüterverkehr auf einen Effizienzsprung im zweistelligen Bereich, heißt es von Allianz pro Schiene. Dazu müssten deutschlandweit punktuell Überholgleise gebaut und einige Flaschenhälse geweitet werden.
Netzbeschränkungen: Nur 11 Prozent EU-Standardzüge auf deutschen Schienen
Nach Angaben der Deutschen Bahn wird die heutige europäische Standard-Zuglänge von 740 Metern auf vielen Strecken in Deutschland nicht erreicht. Oft wegen geringfügiger Netzbeschränkungen verkehren nur 11 Prozent der Züge hierzulande im EU-Standard.
„Wenn wir unsere Klimaschutzziele erreichen wollen, kommen wir um das Thema Verkehrsverlagerung gar nicht herum. Besonders der stark wachsende Güterverkehr muss künftig seinen Beitrag zum Klimaschutz leisten“, sagte UBA-Präsidentin Maria Krautzberger. Während das UBA den neuen Bundesverkehrswegeplan wegen seiner Straßenlastigkeit überwiegend kritisch bewertet hatte, stufte Krautzberger die angemeldeten Projekte für das 740-Meter-Netz als nachhaltig ein. „Der Ausbau eines durchgängigen Netzes für Güterzüge mit 740 Metern Zuglänge ist eine Schlüssel-Maßnahme. Sie erhöht die Produktivität des Schienengüterverkehrs und reduziert dessen Kosten.“
Der Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, Dirk Flege, zeigte sich erfreut über den umfassenden Rückhalt für den Netzausbau. „Es kommt selten vor, dass Wirtschaft, Politik und Wissenschaft so einhellig einer Meinung sind“, sagte Flege. „Die Verkehrsministerkonferenz hat es nun in der Hand, dem im Bundesverkehrswegeplan angemeldeten Netzausbau für 740-Meter-Züge den nötigen Rückenwind zu verschaffen.“ Wenn die Länder sich klar für den Ausbau aussprechen, sei das ein gutes Signal für Verkehrsminister Dobrindt. Das 740-Meter-Netz gehöre zum vordringlichen Bedarf und müsse raus aus der Warteschleife. Die Kosten für die 66 von der DB Netz angemeldeten Ausbaumaßnahmen schätzte Flege auf 200 bis 300 Millionen Euro. „
Mehr Kapazitäten schaffen
Auch andere Verkehrsexperten betonen vor allem die Vorteile des Ausbaus für 740-Meter-Züge. „Wir brauchen dringend mehr Kapazitäten im Güterverkehr“, sagte die Geschäftsführerin von SCI Verkehr, Maria Leenen. „Mit unseren Infrastrukturdefiziten werden wir immer mehr zum Nadelöhr der transeuropäischen Routen“, sagte Leenen und verwies auf die Betuwelinie im Westen oder die Strecken im Süden, die zur Eröffnung des Gotthard-Tunnels nicht fertig geworden sind. „Unsere Nachbarländer haben ihre Infrastrukturhausaufgaben gemacht, während die Politik in Deutschland weiter zögert“, kritisierte die SCI-Geschäftsführerin. „Zur Zeit verkehren in den USA oder in Australien Züge mit über vier Kilometern Länge. Frankreich testet bereits 1500 Meter lange Güterzüge, ab 2018 sollen 1000 Meter lange Züge regulär das französische Netz befahren. In Deutschland ist das Netz nicht mal für normallange Güterzüge von 740 Metern durchgängig befahrbar.“ (ks)