Paris. Auf eine von ihr mehrere Wochen lang erwogene Auflösung der Verträge mit den privaten Konzessionären der Autobahnen im Land hat die französische Regierung letztlich verzichtet. Sie folgte damit dem Bericht der Parlamentariergruppe, die Ministerpräsident Manuel Valls auf dem Höhepunkt der öffentlichen Diskussion über die vom staatlichen Rechnungshof als exorbitant kritisierten Gewinne der Unternehmen eingesetzt hatte. Sie sollte alternative Vorschläge zum weiteren Vorgehen des Staates in der Autobahnfrage erarbeiten. Zahlreiche Mitglieder des Ausschusses hatten zuvor dezidiert für eine vorzeitige Vertragsauflösung und Renationalisierung der Autobahnen plädiert.
Hiervon ist in dem letzte Woche vorgelegten Bericht keine Rede mehr. Einen Tag vor seiner Vorlage und Veröffentlichung hatte der Ausschussvorsitzende sein Amt aus Protest gegen eine aus seiner Sicht von der Regierung eingefädelte „Parodie von Verfahren“ niedergelegt. Er kritisierte, dass es die Regierung offenbar brandeilig habe, zu einer Lösung zu kommen, sich nicht genügend Zeit dafür nehme und ohne „wirkliche Expertisen“ von Leuten außerhalb des Einflusses der Konzessionäre einzuholen. Der Abgeordnete Jean-Paul Chanteguet hat im Parlament, der Nationalversammlung, die Funktion eines Vorsitzenden der Kommission für nachhaltige Entwicklung und Raumordnung.
Aus Sicht der Gewerkschaft CGT sei Paris ein weiteres Mal gegenüber den großen Konzernen des Landes, von denen einige über Tochterunternehmen auch die Autobahnen kontrollieren, eingeknickt. Hintergrund der Auseinandersetzungen zwischen dem Staat und den privaten Autobahnbetreibern ist die Suche der Regierung nach einer Ersatzlösung für die Einnahmen aus der geplant gewesenen Einführung einer Ökosteuer für LKW, die nach Protesten von Interessengruppen insbesondere in der Bretagne auf Betreiben von Umweltministerin Ségolène Royal wieder ad acta gelegt worden ist. Die Gelder hätten einer Agentur zur Förderung alternativer Transport- und Verkehrsmittel zukommen sollen. Die Autobahnkonzessionäre waren danach in das Blickfeld der Ministerin geraten, nachdem außer dem Rechnungshof auch die Wettbewerbsbehörde des Landes deren Gewinnsituation kritisiert hatte.
Der Parlamentarierbericht empfiehlt nunmehr lediglich eine Reihe kleinerer Maßnahmen unterhalb der Schmerzschwelle für die Konzessionäre. Dazu gehören vorteilhaftere Mautsätze für als sauber eingestufte Fahrzeuge, die Förderung von Carsharing oder ein spezieller Tarif für Jugendliche. Ferner sollten sich die Unternehmen finanziell stärker als bisher an einer ökologischen Gestaltung der Verkehrswege beteiligen. Die Vorschläge der Kommission, der außer den Parlamentariern auch eine Reihe hoher Staatsbeamter angehört, stimmen weitgehend mit denen überein, die schon vor mehreren Wochen zwischen der Regierung und den Konzessionären vereinbart wurden.
Jetzt wird damit gerechnet, dass Paris nach den bevorstehenden Departementswahlen den von der Regierung verfügten Stopp zur allfälligen jährlichen Erhöhung der Mautsätze wieder aufhebt. Es geht der Regierung nach allgemeiner Einschätzung nur noch vorrangig darum, den Weg freizumachen für ein 3,2 Milliarden Euro schweres Programm zur Überholung und zum Ausbau des heimischen Autobahnnetzes, für das die EU-Kommission kürzlich ihre Zustimmung erteilt hat. Und darum zu verhindern, im Falle einer Aufkündigung der Verträge geschätzte 60 Milliarden Euro an Entschädigung für die Autobahnbetreiber aufbringen zu müssen. (jb)