Berlin. Die Bundesarbeitsministerin setzt zum nächsten Streich an: Nach dem viel kritisierten Mindestlohn und der gescheiterten Novellierung der Arbeitsstättenverordnung nimmt sich Andrea Nahles (SPD) nun die Leih- und Werkverträge vor – und muss auch hierfür wieder viel Kritik einstecken.
Mit ihrem Referentenentwurf zur stärkeren Regulierung von Zeitarbeit und Werkverträgen hat die Ministerin die Wirtschaft und auch den Koalitionspartner CDU/CSU jetzt erneut gegen sich aufgebracht. Nach neun Monaten sollen Leiharbeiter gemäß dem Entwurf künftig einen gesetzlichen Anspruch auf den gleichen Lohn haben wie die Stammbelegschaft. Betriebe, die Leiharbeitern bereits vor Ablauf von neun Monaten mehr als zu Anfang bezahlen, sollen aber zwölf Monate bis zu gleicher Bezahlung Zeit bekommen. Außerdem dürfen Arbeitnehmer nur noch maximal 18 Monate lang an das gleiche Unternehmen ausgeliehen werden, es sei denn, Arbeitgeber und Gewerkschaften haben in einem Tarifvertrag einen längeren Zeitraum vereinbart. Betriebe ohne Tarifvertrag sollen davon aber nicht profitieren können. Eckpunkte wurden bereits bei den Koalitionsverhandlungen von Union und SPD vereinbart. Die Details sind aber umstritten.
CDU: Gesetz verschärft Flüchtlingsproblematik
CDU-Präsidiumsmitglied und Finanz-Staatssekretär Jens Spahn sprach sich umgehend für einen Verzicht der im Koalitionsvertrag vereinbarten stärkeren Regulierung von Leiharbeit und Werkverträgen aus. „Durch den massiven Flüchtlingszuzug müssen wir Hunderttausende Menschen möglichst schnell in unseren Arbeitsmarkt integrieren“. Die Botschaft an Unternehmen müsse daher sein, „dass wir alles tun für mehr Beschäftigung und Wachstum statt immer mehr Regulierung“. Priorität müsse jetzt haben, möglichst viele neue Arbeitsplätze im Niedriglohnsektor für Geringqualifizierte zu schaffen.
Auch Wirtschaft und Branchenverbände kritisieren den Referentenentwurf. „Völlig praxisfremd und unsinnig“, giftete der soeben im Amt bestätigte Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer. Der Bundesverband Wirtschaft, Verkehr und Logistik (BWVL) beklagt eine „nicht akzeptable weitere Belastung der Unternehmen“. Nach den Belastungen durch das Mindestlohngesetz werde zusätzlicher bürokratischer Aufwand geschaffen, sagte Hauptgeschäftsführer Christian Labrot gegenüber der VerkehrsRundschau. Der Entwurf greife erheblich in die Vertragsfreiheit, aber auch in bestehende Tarifverträge ein. Im Übrigen sei es im Einzelfall häufig schwierig, Werkverträge von einer Arbeitnehmerüberlassung abzugrenzen.
Probleme für Kontraktlogistiker
Der Deutsche Speditions- und Logistikverband (DSLV) hält die vorgesehene Höchstüberlassungsdauer für Zeitarbeitsbeschäftigte für „deutlich zu kurz bemessen“. Damit würden komplexe Projekte, die der Einschaltung spezialisierter Dienstleister bedürften, verhindert, betonte Hauptgeschäftsführer Frank Huster auf Anfrage. Er lehnt auch den Kriterienkatalog zur Abgrenzung der Werkverträge von verdeckter Arbeitnehmerüberlassung ab, die in dem Entwurf zwischen Auftraggeber und Logistikdienstleister unterstellt werde. Bei den Kontraktlogistikern werde die vereinbarte Leistung überwiegend in den Räumen des Auftraggebers erbracht, so sein Argument. Der Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) hält eine Stellungnahme zu dem Referentenentwurf für verfrüht. (jök/ks)