Unterschätztes Risiko

Transport- und Logistikunternehmen haben überdurchschnittlich häufig mit Korruption zu kämpfen. Liegt es an der globalen Ausrichtung des Wirtschaftszweigs, die ihn für manche landestypischen, zum Teil aber nicht ganz legalen Geschäftspraktiken der Kunden anfällig macht? Daran, dass Ware hier, wie in keinem anderen Gewerbe sonst, so oft die Hände wechselt? Oder schlicht an den geringen Gewinnmargen? Vermeiden lassen sich Verstöße gegen die einschlägigen Gesetze und Richtlinien durch gute Compliance-Grundsätze und -Maßnahmen. Dennoch hat längst nicht jeder Mittelständler ein entsprechendes Programm. Compliance bedeutet so viel wie Regeltreue. Das wichtigste Ziel besteht darin, Rechtsverstöße zu verhindern und damit Gefahren für das Unternehmen abzuwenden. "Das ist an sich nichts Neues", sagt Susanne Herre, stellvertretende Leiterin Recht und Steuern bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Region Stuttgart. Von Mittelständlern würden nun aber zunehmend Strukturen zur Überwachung des rechtskonformen, vorschriftsgemäßen, ethisch korrekten Verhaltens gefordert. Systematisches Handeln ist wichtig Nach ihrer Einschätzung stehen mittelständische Unternehmen daher gegenwärtig vor der großen Herausforderung, diese Strukturen aufzubauen. Denn inzwischen folgt vor fast jeder sich anbahnenden Geschäftsbeziehung der Abgleich von Compliance-Systemen der beteiligten Unternehmen. "Wir können beobachten, dass es das Thema Compliance bei vielen Mittelständlern in den vergangenen 24 bis 48 Monaten von einer mittleren Priorität in die höhere geschafft hat", bestätigt Michael Reich, Rechtsanwalt bei der Kanzlei Pinsent Masons in München. Vor allem große Unternehmen hätten entsprechende Systeme eingeführt und würden von ihren Geschäftspartnern nun ebenfalls ein Mindestmaß an Compliance erwarten. Der Druck wächst. Wer das Thema brachliegen lässt, riskiert in Zukunft, mit potenziellen Kunden gar nicht erst ins Gespräch zu kommen. Häufig schauen Industrieund Handelsunternehmen schon bei der Ausschreibung von Transport- und Logistikaufträgen, wie die Dienstleister in puncto Regeltreue aufgestellt sind. Sowohl Auftraggebern als auch Auftragnehmern drohen bei Verstößen gegen das geltende Recht zudem der Verfall des dadurch erzielten Gewinns, Schadenersatzzahlungen oder strafrechtliche Sanktionen sowie interne und externe Aufwendungen für Untersuchungen im Unternehmen. Das kann Millionen kosten. Nicht zuletzt haben Unternehmen in diesem Fall auch mit einem erheblichen Reputationsschaden zu kämpfen, warnt IHK-Expertin Herre. Den rechtlichen Rahmen findet Compliance zunächst in den deutschen Gesetzen wie etwa dem Straf-, Wettbewerbs- oder Gesellschaftsrecht. Eine der zentralen Normen ist Paragraf 130 des Ordnungswidrigkeitengesetzes (OWiG), der eine persönliche Haftung des Managements begründet. Wer danach als Inhaber eines Unternehmens keine geeigneten Aufsichtsmaßnahmen ergreift, um Zuwiderhandlungen gegen Pflichten zu verhindern, handelt ordnungswidrig. "Daneben spielen aber auch ausländische Rechtsordnungen eine Rolle", sagt Anwalt Reich. Gefahr bei Auslandsgeschäften Für die Transport- und Logistikbranche mit ihren internationalen Geschäftsbeziehungen besteht hier die Gefahr, Compliance-Risiken zu unterschätzen. "Wer im Ausland tätig ist, kann nach ausländischem Recht bestraft werden", warnt der Jurist. Und: "Sobald im Ausland Korruption unter Strafe gestellt ist, wird die Tat, die man im Ausland begeht, auch nach deutschem Korruptionsstrafrecht bestraft." Das deutsche Recht enthält allerdings kaum Aussagen dazu, wie die rechtlichen Anforderungen im Unternehmen konkret umzusetzen sind. Es liegt daher im Ermessen der Geschäftsleitung, wie sie es anstellt, dass alle die einschlägigen Regeln befolgen. Anwalt Reich hält die interne Organisation und Sicherstellung einer Dokumentation für die Grundvoraussetzung. Der Anwalt, der viele Compliance-Programme für nationale und internationale Unternehmen aufgesetzt und begleitet hat, erlebt immer wieder, dass es bereits hier hapert und etwa Vertragsabschlüsse im Unternehmen nicht auffindbar sind. "Eine interne Dokumentation des Vertragsabschlusses an einer zentralen Stelle und der Nachweis, den rechtlichen Anforderungen genügt zu haben, ist daher das A und O ", so der Jurist. Daneben hält der Anwalt folgende Punkte im Transport- und Logistiksektor für besonders compliance-relevant: - Ausfuhrkontrolle: Dafür ist die Kenntnis und Einhaltung der Embargovorschriften unerlässlich. Viele Dienstleister verfolgten hier aber bereits einen guten Grundansatz, so der Experte. - Gefahrgut und Zollrecht: Hier besteht etwa das Risiko, gegen die ADR zu verstoßen. Zudem lasse sich nach einem Schaden häufig schwer nachweisen, ob etwa eine ungenügende Verpackung oder das Verladen oder Verstauen ursächlich war, so Reich. - Arbeitszeit und Fahrzeiten: Die Überwachung der Lenk- und Ruhezeiten sowie die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes ist in der Transport- und Logistikbranche von besonderer Bedeutung. - Korruption: Bei Land- und Seetransporten sind an einige Grenzen sogenannte Facilitation Payments gang und gäbe, um Einfuhr- oder Zollgenehmigungen zu beschleunigen. Der Schritt zum Vorwurf der Bestechung sei hier nicht weit, warnt der Jurist. Um Haftungsrisiken zu minimieren, ist hier die Implementierung eines Compliance-Systems besonders wichtig. - Scheinselbstständigkeit und Mindestlohn: Bei der Beschäftigung von Scheinselbstständigen droht dem Arbeitgeber die Nachzahlung von Versicherungsbeiträgen. Auch die Einhaltung der Mindestlohn-Anforderungen ist derzeit besonders regelungsrelevant. Große Unternehmen haben eigene Abteilungen Die Frage, wo ein Unternehmen die Compliance-Organisation ansiedeln soll, hängt von dessen Größe und Gliederung ab. "Große Unternehmen verfügen häufig über eine eigene Compliance-Abteilung mit einem Compliance-Officer", weiß Reich. Für Mittelständler ist das aber in der Regel eine Nummer zu groß. Für die Ansiedlung der Compliance bieten sich daher die Geschäftsführung selbst, die Rechtsabteilung oder das Controlling an. "In der Praxis hat sich in vielen Unternehmen das Controlling etabliert", sagt der Anwalt und hat für Mittelständler noch einen wichtigen Rat: "Wichtig ist, dass der Chef selbst dahinter steht und dafür sorgt, dass Compliance als Unternehmenskultur gelebt wird." Tipps für die Praxis So implementieren Sie ein Compliance-Management-System Unternehmen, die sich erstmals mit der Einführung von Compliance-Strukturen beschäftigen, wählen dafür meist den Weg über ein eigenes Projekt, das dann im Unternehmen integriert wird. "Am Beginn stehen die beiden Fragen, welche Regeln für das Unternehmen gelten und wie hoch das Risiko ist, gegen diese zu verstoßen", erklärt Michael Reich, Rechtsanwalt bei Pinsent Masons in München. Danach könne man die Regeln priorisieren und geeignete Maßnahmen zur Reduzierung der Risiken entwickeln, so der Jurist. Im Anschluss geht es an die Einführung der Regeln, etwa durch Schulungen von Mitarbeitern und Führungskräften oder schriftliche Handlungsanweisungen. Reich:"Zusätzlich muss die Einhaltung von Compliance-Vorgaben für jeden einzelnen Mitarbeiter als Pflicht im Arbeitsvertrag implementiert werden, etwa über eine Änderungsvereinbarung zum Arbeitsvertrag."Elementarer Bestandteil des Compliance-Systems ist die Überwachung der Regeln. Wichtig ist hierbei die Unterschriftenregelung."Das bedeutet, dass keine rechtliche Bindungswirkung eintritt, bevor nicht zuvor festgelegte Personen unterschrieben haben", so Reich. Daneben muss aber auch das praktische Verhalten stichprobenartig überwacht werden. Das beste Compliance-System ist allerdings nichts wert, wenn Verstöße folgenlos bleiben. Daher müssen bei Zuwiderhandlungen auch Strafen drohen. ir

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