In den „Thesen 2016“ befassen sich die Redakteure der VerkehrsRundschau mit den wichtigsten Themen des neuen Jahres. Welche Trends und Entwicklungen bestimmen die tägliche Arbeit von Logistikern? Zugespitzt und kontrovers soll die Thesen-Serie in den ersten Tagen des Jahres 2016 zur Diskussion anregen – nutzen Sie dazu gerne auch die angegebene E-Mail-Adresse oder das Kommentarfeld. Wir freuen uns auf Ihre Meinungen!
Das Bild des Nomaden der Autobahn hat es in den vergangenen Tagen bis in die Publikumsmedien geschafft. Die Fachpresse hatte das Thema der meist aus Osteuropa stammenden Fahrer, die monatelang in ihren Lkw auf Hafen-Arealen oder Rasthofplätzen wohnen, schon lange aufgegriffen. Und bereits Anfang 2013 schickte Actie in Transport eine Eingabe wegen der unhaltbaren Zustände und der entsprechend existierenden Wettbewerbsverzerrung an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages. Darin beschwerte sich die Fahrergemeinschaft über das Bundesamt für Güterverkehr (BAG), das seiner Kontrollpflicht der Kabotage nicht nachkäme.
Anlass für die Medien, das Fahrer-Nomadentum jetzt konzentriert aufzugreifen, war eine Veranstaltung der SPD im Bundestag, bei der verschiedene Betroffene die Situation verdeutlichten - „interessant“ beziehungsweise skandalös genug für Presse, Funk und Fernsehen. Die berichteten auch von der Lösung, die die Bundesregierung für das Thema anstrebt: Im nationalen Alleingang soll ein Gesetz geschaffen werden, das vorsieht, Fahrer müssten ihre wöchentliche Ruhezeit entweder am Heimatort oder am Betriebssitz verbringen. Das BAG und der Bundesverband Güterkraftverkehr, Entsorgung und Logistik (BGL) haben bereits ihre Bedenken ins Feld geführt: Eine nationale Regelung würde zur Verschiebung des Problems in andere Länder führen, es gebe Probleme mit unbeaufsichtigten Lkw, der Ladungsdiebstahl nähme zu, man könne nicht vorschreiben, wo Fahrer sich in ihrer Freizeit aufhalten sollen …. und etliche Punkte mehr.
Kommen hier Bedenkenträger zu Wort oder ist an den Darlegungen etwas dran? Da es sich bei den Argumentierenden um Kenner des Problems und Insider der Branche und ihrer Zusammenhänge handelt, sollte man dies annehmen. Darüber hinaus waren nationale Alleingänge bei einem internationalen Problem bisher selten eine zufriedenstellende Lösung. Doch was tun?
Mit Big Data gegen soziale Ungerechtigkeit
Logistik 4.0 ist momentan das große Schlagwort. Daten spielen die entscheidende Rolle. Wer sie besitzt, sitzt in Wirtschaft und Industrie an der Schaltstelle, wenn er sie richtig zu nutzen weiß – Big Data. Daten, wie sie beispielsweise Toll Collect besitzt oder wie sie in den nationalen Registern und im europäischen Registervorliegen, wären eine Waffe im Kampf gegen soziale Ungerechtigkeit und Wettbewerbsverzerrungen, gegen Rechtsverstöße und Kabotage-Vergehen. Würden Daten über Transportunternehmen, Fahrer und Fahrzeuge – beispielsweise aufgrund von Straßenkontrollen – mit den Daten der nationalen und internationalen Register verknüpft, wäre viel gewonnen. Würden die unterschiedlichen Datenbanken integriert und um Verzeichnisse von Fahrzeugen und Fahrern ergänzt, läge eine Basis zugrunde, mit der die Kontroll- und Durchsetzungsbehörden Verstöße gegen arbeits- und sozialrechtliche Vorschriften oder die Kabotage-Regeln deutlich und schnell nachvollziehen könnten.
Bei gezielten Kontrollen könnte man Fahrer, die für ein ausländisches Unternehmen tätig sind und sich seit längerer Zeit in Deutschland aufhalten, identifizieren und die Unternehmen belangen. Das wäre ein effektiver Weg, den heutigen Praktiken den Riegel vorzuschieben und die Nomaden der Autobahn der Vergangenheit angehören zu lassen.
Birgit Bauer, Chefredakteurin der VerkehrsRundschau
Birgit Bauer ist Chefredakteurin derVerkehrsRundschau. Die Diplom-Betriebswirtin (FH) mit Schwerpunkt Logistik (geboren 1966 in Mühldorf/Inn) führt seit dem Jahr 2009 die Redaktion der VerkehrsRundschau.
Ihre Meinung zur These an: birgit.bauer@springer.com
Dieseltrucker 206