Teuer und innovativ

Wir sind schon noch eine Insel", sagt Herbert Ruile und lacht. Der Professor an der Fachhochschule Nordwestschweiz, Basel, kennt sich aus mit den Unterschieden zwischen den europäischen Transportmärkten. An der Sonderstellung des Alpenlandes habe sich in den letzten Jahren nichts geändert. "Wobei die größten Unterschiede sicher noch im regulatorischen Bereich liegen", so Logistikexperte Ruile. Tatsächlich gelten auf dem Schweizer Transportmarkt eigene Regeln: Die Maut (leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe, kurz LSVA) ist so hoch wie in keinem anderen Land in Europa, es gilt ein Nacht- und Sonntagsfahrverbot für Lkw, darüber hinaus dürfen ausländische Spediteure Waren nur grenzüberschreitend befördern, inländische Transporte sind ihnen untersagt (Kabotageverbot). Markt mit vielen Mittelständlern Nach einer Berechnung der Universität St. Gallen macht die Schweizer Logistikbranche 40 Milliarden (Mrd.) Franken (33,6 Mrd. Euro) Umsatz pro Jahr, das entspricht der Größe des dortigen Gesundheitsmarktes. Zuletzt liefen die Geschäfte gut. "Mit 2017 waren wir sehr zufrieden, 2018 hat etwas harzig begonnen, sieht aber mittlerweile auch gut aus", sagt Peter Krummen, Geschäftsführer der Krummen Kerzers AG. Der mittelständische Transportdienstleister (145 Mitarbeiter) aus dem Kanton Freiburg ist unter anderem stark beim Import von Früchten und Gemüse aus Italien sowie beim Export von Pharmaprodukten nach Großbritannien. Was die Schweiz auszeichnet, ist der besonders heterogene Transportmarkt. "Bei zwei Drittel der Betriebe handelt es sich um kleine und mittlere Unternehmen", erklärt André Kirchhofer, Vizedirektor des Nutzfahrzeugverbandes Astag, Bern. Schwergewichte des Marktes sind nach Umsatz die Schweizer Post und ihre Töchter, SBB Cargo, die Speditionen Planzer und Bertschi sowie der Systemverbund Cargo24. Ähnlich wie in anderen Ländern konsolidiert sich der Markt zunehmend, die größten 30 Firmen sorgen mittlerweile für 80 Prozent des Umsatzes. Was allerdings nicht bedeutet, dass die kleinen Anbieter verschwunden sind. "Sie haben verstärkt Konsortien gegründet", erklärt Professor Ruile. Er erwartet, dass sich dieser Trend unter neuen Vorzeichen fortsetzen wird. "Auch in der Schweiz sind Frachtplattformen auf dem Vormarsch, die nach dem Uber-Modell arbeiten." Als Beispiele nennt er Pickwings oder Efreight. Grundsätzlich haben es ausländische Anbieter auf dem Markt jedoch schwer. "Die Beziehungen zwischen Verlader und Dienstleister sind im Lauf der Jahre einfach sehr eng geworden, da kommen Externe nur schwer rein", sagt Ruile. In der Handelslogistik zum Beispiel ist es nichts Ungewöhnliches, dass der Spediteur die gesamte Transportkette bis hin zum Endkunden (Verkaufsfläche) in der Hand hat. Wer in der Schweiz Fuß fassen will, sollte also ein "Alles-aus-einer-Hand"-Angebot im petto haben und auch die Feinverteilung beherrschen. Das große Pfund, mit dem ausländische Dienstleister wuchern können, sind ihre im Vergleich mit der Schweiz geringeren Kosten. Dafür müssen sie sich allerdings auf anspruchsvolle Kunden einstellen. "Die Anforderungen werden immer höher, das ist für ein Unternehmen unserer Größe kaum noch umsetzbar", beklagt Spediteur Krummen. Als Beispiele nennt er die GDP-Bestimmungen in der Pharmalogistik sowie gestiegene Dokumentationsanforderungen bei Lebensmitteltransporten. Eine Sonderstellung hat im Alpenland nach wie vor die Schiene: 38 Prozent der Gütertransporte werden hier laut Schweizerischem Bundesamt für Statistik per Bahn abgewickelt - in Deutschland sind es 17,6 Prozent. Entsprechend stark sind die lokalen Anbieter, nicht nur auf dem nationalen Markt. Der Schweizer Kombi-Operateur Hupac zum Beispiel hat erst Anfang Mai ERS Railways aufgekauft, einschließlich einer 47-prozentigen Beteiligung an dem Eisenbahnverkehrsunternehmen Boxxpress, Hamburg, ein Spezialist für Containertransporte von den Nordseehäfen ins Hinterland. Durch den Zukauf ergänzen die Schweizer ihr Netzwerk, das bisher vor allem auf Antwerpen und Rotterdam ausgerichtet war. Freilich gelingt auch den Eidgenossen nicht immer die Verlagerung. "Die Distanzen sind oft zu gering für den Kombinierten Verkehr (KV)", sagt Spediteur Krummen, "die Bahn ist außerdem zu unflexibel und die Zeiten zu strikt." Dennoch scheint sich der Modal Split weiter Richtung Schiene zu verschieben. So hat der Einzelhandelskonzern Coop 2016 ein Zentrallager eröffnet, das stark auf den KV ausgerichtet ist. Zwischen den nationalen Verteilzentralen wickelt man bereits mehr als zwei Drittel der Transporte mit der Bahn ab. Ähnlich wie Deutschland kämpft auch die Schweiz mit der Stauproblematik. "Das Straßennetz hinkt seit Langem der Nachfrage hinterher", beklagt Verbandsmann Kirchhofer. Nach Angaben der Astag hat sich die Zahl der Staustunden seit 2009 verdoppelt. Als Folge sollen die Transportpreise dieses Jahr um zwei bis drei Prozent steigen, um die Zeitverluste auszugleichen. Für Entlastung soll unter anderem eine unterirdische Güterbahn sorgen mit dem Namen "Cargo sous terrain" (CST). Sie wird von führenden Einzelhändlern des Landes als auch von der Schweizer Post, SBB Cargo und Swisscom unterstützt. Unter viel befahrenen Straßen sollen in einem sechs Meter breiten Tunnel selbststeuernde Elektrokarren verkehren und palettierte Waren mit 30 Kilometern pro Stunde befördern. Bereits 2019 will CST mit der Bau einer Teststrecke beginnen. Langfristig soll die ganze Schweiz mit einem Frachttunnelnetz ausgestattet werden. Geschätzte Gesamtkosten: 33 Mrd. Schweizer Franken (29,88 Mrd. Euro). Fahrer verdienen fast 50.000 Euro brutto Fahrermangel ist zwar auch in der Schweiz ein Problem, allerdings nicht so eklatant wie hierzulande. Das liegt an den Löhnen. 58.757 Franken brutto (umgerechnet 49.373 Euro) verdient ein Schweizer Berufskraftfahrer in Vollzeit, sagt der Infodienst Lohnanalyse. In Deutschland sind es 26.958 Euro brutto. Dieses Gefälle sorgt für einen steten Zufluss von ausländischen Kräften, und das obwohl die Anstellung im Nicht-EU-Land mit einem deutlich erhöhten Bürokratieaufwand verbunden ist. Marktkenner erwarten jedoch, dass die vollen Lohntüten bald ihre anziehende Wirkung verlieren werden. "Mittelfristig bekommen auch wir ein Personalproblem, nicht nur bei den Fahrern, sondern auch in Disposition und Lager", erwartet Spediteur Krummen. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Schweiz www.verkehrsrundschau.de/dossiers

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