Stuttgart/Heilbronn. Durch das neue Mindestlohngesetz erhöhen sich im Schnitt die Kosten für Stückgutsendungen um 1,2 Prozent – ohne Berücksichtigung von zusätzlichen Verwaltungsaufwendungen. Zu diesem Ergebnis gelangt eine Studie des Steinbeis-Beratungszentrums Spedition und Logistik (SBZ-SL) in Heilbronn unter Leitung von Professor Dirk Lohre, die heute in Stuttgart präsentiert wurde. Am Beispiel des logistischen Teilmarktes „Stückgutverkehre“ wurden damit die bisher kaum erhobenen betriebswirtschaftlichen Auswirkungen des Mindestlohngesetzes qualitativ und quantitativ untersucht.
Für die Studie hat das Steinbeis-Beratungszentrum Arbeitszeitdaten bei den Stückgutkooperationen 24plus, Cargoline, IDS, Star, System Alliance und VTL – die rund ein Drittel des Stückgutmarktes ausmachen – stichprobenhaft erhoben. Berücksichtigt wurden hier die monatlichen Arbeitsstunden für das Fahrpersonal sowie für Mitarbeiter im Umschlag und im kaufmännischen Bereich. Auf Basis der jeweiligen Stundenumfänge wurde der künftig zu zahlende monatliche Mindestlohn nach Mindestlohngesetz für die genannten Beschäftigtengruppen berechnet.
„Sehr hilfreich waren die statistischen Daten der Bundesagentur für Arbeit, die sie speziell für unsere Untersuchung zusammengestellt hat“, betont Professor Dirk Lohre, Leiter des SBZ-SL. „Aus den 402 Kreisen in Deutschland haben wir anhand der gelieferten Kennzahlen die Regionen identifizieren können, in denen statistisch am häufigsten Vergütungen unter dem Mindestlohn bezahlt werden.“ Für diese Regionen wurde die jeweilige Vergütung gewichtet und in eine Durchschnittsvergütung für die betrachteten Berufsgruppen überführt. Berücksichtigung fand dabei auch die Anzahl der beschäftigten Fahrer, Regionen mit wenigen Fahrern sind also auch nur mit einem geringeren Anteil an der Durchschnittsvergütung beteiligt. Im nächsten Schritt stellte das Steinbeis-Beratungszentrum den ermittelten Mindestlohn dem durchschnittlichen Arbeitnehmerbruttolohn in den betroffenen Regionen gegenüber.
Welche Regionen der gesetzliche Mindestlohn besonders trifft
Das Ergebnis: In den betroffenen Regionen führt das Mindestlohngesetz für Nahverkehrsfahrer zu einer Erhöhung der Vergütung von etwa 16 Prozent oder von beispielsweise 1693 Euro Durchschnittsvergütung auf rund 1960 Euro Mindestlohn. „Der Mindestlohn wirkt sich insbesondere für das Fahrpersonal in den neuen Bundesländern und in Berlin sowie in den an die neuen Bundesländer angrenzenden Kreisen in Bayern, Hessen und Niedersachsen sowie Teilen Schleswig-Holsteins betriebswirtschaftlich aus“, fasst Dirk Lohre das Ergebnis zusammen.
Hier lagen die Löhne in der Vergangenheit am häufigsten unter 8,50 Euro pro Stunde. Künftig profitieren insbesondere die Fahrer im Nah- und Fernverkehr aufgrund der höheren Arbeits- und Bereitschaftsstunden vom neuen Mindestlohngesetz. In den vom Mindestlohn betroffenen Regionen beträgt die Kostensteigerung für das Fahrpersonal im Nahverkehr rund 16 Prozent und betrifft insgesamt knapp 30 Prozent der Ausgangstonnage und 34 Prozent der Eingangstonnage in diesem Bereich. Für Fernverkehrsfahrer steigen die Löhne um 17 Prozent, davon betroffen sind etwa 20 Prozent der Ausgangstonnage.
Das gewerbliche Umschlagspersonal verdient in acht Prozent der Regionen weniger als 8,50 Euro je Stunde. Hier macht die durchschnittliche Kostensteigerung aufgrund des Mindestlohngesetzes rund sechs Prozent aus. Beim kaufmännischen Personal wirkt sich in den betroffenen Regionen bei weniger als einem Prozent der Tonnage der Mindestlohn aus, die Kostensteigerung liegt in diesen Regionen bei nur gut einem Prozent.
Weiter quantifiziert Lohre die Auswirkungen für die Versender: „Für die Abwicklung einer durchschnittlichen Stückgutsendung erhöhen sich die Produktionskosten durch das Mindestlohn-Gesetz ab dem 1. Januar 2015 um rund 1,2 Prozent. Liegen die Schwerpunkte des Versenders bei Abholung beziehungsweise Zustellung allerdings in den genannten vom Mindestlohngesetz betroffenen Regionen, kann der Kostenanstieg auch schnell ein Vielfaches betragen.“
Höhere Vergütungsansprüche erwartet
„Neben den quantitativen Auswirkungen bringt das Mindestlohngesetz zusätzlich organisatorischen und administrativen Mehraufwand für alle Beteiligten mit sich“, erklärt Dirk Lohre zu der parallel durchgeführten qualitativen Befragung. So rechnen gut zwei Drittel der befragten Unternehmensvertreter mit weiteren Belastungen durch zusätzliche Aufzeichnungspflichten. Bereitschafts- und Pausenzeiten müssen genau definiert werden. Wartezeiten beim Empfänger lassen sich kaum noch tolerieren, die Disposition wird aufwändiger. Damit sind eine konsequente Zeiterfassung und eine straffere Organisation sind erforderlich, um Überstunden und Stundenlohn im Blick zu halten. „Zudem sind weitere Effekte durch die erforderlichen Anpassungen in der Vergütungsstruktur zu erwarten. Bereits jetzt besser vergütete Mitarbeiter werden sicherlich auch den relativen Abstand gewahrt sehen wollen und daher auch höhere Vergütungsansprüche entwickeln“, so Lohre. (eh)