Passau. So geschmeidig wie früher läuft es an der österreichisch-deutschen Grenze längst nicht mehr. Die Lastwagenfahrer auf den Autobahnen A3 (bei Passau) und A8 (bei Salzburg) stehen kurz hinter der österreichischen Grenze auf deutscher Seite derzeit bis zu einer Stunde im Stau.
Verantwortlich dafür sind die im Herbst wiedereingeführten Grenzkontrollen, nachdem Hunderttausende Flüchtlinge auf der Balkan-Route nach Deutschland gekommen waren. „Diese Verzögerung ist noch kein großes Problem. Ab zwei Stunden ist es schlecht, weil ich dann die Ruhezeit deutlich verlängern muss oder einen zweiten Fahrer brauche”, sagt ein ungarischer Lastwagenfahrer auf einem Rastplatz der A3 in Grenznähe.
Seine Aussage deckt sich mit der Einschätzung der Transportbranche. „Aus zwei Stunden Verzögerung können zehn oder zwölf Stunden werden, weil die Fahrer die Ruhezeiten einhalten müssen”, erklärt Gunnar Gburek, der Bereichsleiter des Bundesverbands Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME). Die Folge wäre ein sprunghafter Anstieg der Fixkosten für die Spediteure.
Warnung vor den Konsequenzen
Industrie, Handel und Transportgewerbe warnen deshalb vor konsequenten, scharfen Kontrollen mit dem Ziel, Flüchtlinge vom Grenzübertritt abzuhalten. Durch Staus, Wartezeiten, mehr Bürokratie und eine größere Lagerhaltung könnten sich die Kosten für die deutsche Wirtschaft „schnell auf zehn Milliarden Euro pro Jahr summieren”, sagt der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Martin Wansleben.
Auch der Finanzchef des Elektrokonzerns und Automobilzulieferers Bosch, Stefan Asenkerschbaumer, ist besorgt: „Ich hoffe, dass es nicht dazu kommt, dass wir wieder abgeschottete Märkte haben. Wenn, dann wäre das mit Sicherheit eine Belastung.” Im Detail oder auch wertbezogen habe Bosch das aber noch nicht analysiert.
Zwei Szenarien seien zu unterscheiden, meint Logistikexperte Gburek.
Eine einfache Grenzkontrolle mit einem Blick ins Führerhaus dürfte unproblematisch sein. Eine gründliche Kontrolle aller Fahrzeuge mit Öffnung des Laderaums, wobei häufig auch noch eine Plombe entfernt werden müsste, „hätte eine ganz andere Qualität”.
Dramatische Folgen
Das wäre dann aus Sicht Gbureks „durchaus dramatisch”: Lieferketten müssten neu organisiert werden, man brauchte viel mehr Lkw-Fahrer, die bereits jetzt schwer zu bekommen seien. Auf längere Sicht könnten auch Produktionsstandorte infrage gestellt werden, und der Ruf deutscher Firmen, zuverlässig und pünktlich zu liefern, geriete in Gefahr - mit entsprechenden Folgen fürs Geschäft.
Betroffen wären besonders Automobil- und Maschinenbauer, die oft auf eine präzise Anlieferung (just in time) von Teilen angewiesen sind. Aber auch der grenzüberschreitende Handel mit Konsumgütern, von Lebensmittel bis zu Kleidung, sei darauf angewiesen, Ländergrenzen möglichst schnell zu passieren.
7,5-Tonner im Visier der Bundespolizei
Momentan ist es so, dass Fahrer von Kleinlastwagen zu der Zeit im grenznahen Stau zusätzliche Wartezeit für die Kontrolle einplanen. Gelten die 40-Tonnen-Lkw nicht als typische Schleuserfahrzeuge, sind die kleinen 7,5-Tonner stärker im Visier der Bundespolizisten am Kontrollpunkt auf der A 3 in Pocking bei Passau. Der 38 Jahre alte Lukas zum Beispiel fährt dreimal in der Woche Autoteile nach Bayern. „Ich werde fast jedes Mal kontrolliert. Es dauert meist 30 Minuten. Die Zeit fehlt mir.”
Sollte das Schengener Abkommen der weitgehend offenen Grenzen tatsächlich scheitern, werde das große Auswirkungen haben, meint Matthias aus Chemnitz. Er fährt wöchentlich die Route Polen-Österreich-Deutschland. „Die Lenkzeit wird bei langen Kontrollen sofort überschritten, die Parkplätze hinter den Kontrollpunkten wären überfüllt und die Mehrkosten würden auf die Kunden übertragen”, ist der 56-Jährige überzeugt. „Wir werden Zustände haben wie zur Zeit des Eisernen Vorhangs.” (dpa/sno)
ramazoti