Schlappe auf der ersten Etappe

Für das Transportgewerbe ist es eine Enttäuschung: Das Verwaltungsgericht Köln hat die drei Musterklagen gegen die Erhöhung der LKW-Maut von 2009 abgewiesen. Beklagte war die Bundesrepublik Deutschland. Dass diese die Autobahngebühr für schwere Lastwagen durchschnittlich von 13,5 auf 16,3 Cent je Kilometer erhöht hatte, sei mit EU-Recht vereinbar, entschied das Gericht vergangene Woche. Die anfangs noch per Mauthöheverordnung und seit 2011 im Bundesfernstraßenmautgesetz festgesetzten Mautsätze würden nicht gegen die Vorgaben der europäischen Wegekostenrichtlinien verstoßen. Mit anderen Worten: Die LKW-Maut der Jahre 2009 bis 2014 ist rechtmäßig und eine Erstattung eventuell zu viel gezahlter Autobahngebühr für diesen Zeitraum zumindest vorerst vom Tisch. Verband unterstützt drei Speditionen Die Kläger - drei Speditionsunternehmen, die vom Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) unterstützt werden - deuteten aber an, eventuell durch mehrere Instanzen gehen zu wollen. "Wir wollen das eigentlich durch den EuGH (Europäischen Gerichtshof) geklärt haben. Da liegen unsere Hoffnungen", sagte der BGL-Hauptgeschäftsführer Karlheinz Schmidt der Nachrichtenagentur dpa. Theoretisch ist das auch möglich: Aufgrund der wirtschaftlichen Bedeutung des Rechtsstreits ließ der Vorsitzende Richter Klaus Judick nämlich eine Berufung zu. Die Kläger werfen dem Bund im Kern ein ungerechtes Berechnungssystem für die LKW-Maut vor. Nach ihrer Auffassung ist das zugrunde liegende Wegekostengutachten aus dem Jahr 2007 fehlerhaft. Vor allem würden falsche Bewertungsmaßstäbe zu überhöhten Wegekosten führen. Die Mauterhöhung von 2009 sei daher mit der entsprechenden Wegekostenrichtlinie der EU nicht vereinbar, argumentierte der BGL-Anwalt Thomas Mayen in Köln. Nach der Rechtsprechung des EuGH habe Unionsrecht Vorrang und das unmittelbar damit befasste Gericht sei gehalten, für die volle Wirksamkeit derartiger Normen zu sorgen. Gutachter unterschieden bei Kosten Um die Rügen der Kläger nachvollziehen zu können, muss man wissen, dass sich die Mauthöhe nach Maßgabe der einschlägigen EU-Richtlinie an den tatsächlichen Wegekosten orientieren muss. Zu den Wegekosten zählen vor allem die Kosten für den Bau, Ausbau, Erhalt und Betrieb des bemauteten Straßennetzes. Das Wegekostengutachten 2007, Basis für die umstrittene Erhöhung der Mautsätze für LKW ab zwölf Tonnen, unterscheidet zwischen laufenden Kosten (für Betrieb, Unterhalt und Verwaltung der Infrastruktur) und Kapitalkosten, bestehend aus kalkulatorischen Abschreibungen (Werteverzehr) und kalkulatorischen Zinsen. Um die Kapitalkosten zu ermitteln, wurden zunächst das Brutto- und Nettoanlagevermögen der Bundesautobahnen berechnet. Daraus wurden die Kapitalkosten abgeleitet. Die damalige Bundesregierung hatte aus Sicht des BGL nicht die historisch tatsächlichen Baukosten, sondern fiktive Neubauwerte zu Tagesgebrauchtwerten zum Ansatz gebracht und darüber hinaus überhöhte, nicht real geleistete Eigenkapitalzinsen abgerechnet. Mit 5,5 Prozent lag der kalkulatorische Zins in der deutschen Wegekostenrechnung demnach deutlich über den Zinsen, die der Staat für die Aufnahme von Fremdkapital zu leisten hatte. Der Kapitalmarktzins lag nach Auskunft von Schmidt schon unter vier Prozent, als das Wegekostengutachten von 2007 erstellt wurde. Allein die Verminderung der Zinslasten auf das tatsächliche Niveau von Bundesanleihen würde bei der zugrunde gelegten Kostenstruktur eine Mautabsenkung zwischen 25 und 30 Prozent bedeuten, meint er. Die Maut werde ausgehend von der Annahme berechnet, dass sich alle Autobahnen in perfektem Zustand befänden und sei dementsprechend hoch, kritisierte der Verbandschef in Köln. "Der Staat kassiert für eine Luxus-Infrastruktur, die tatsächlich nicht vorhanden ist, denn sonst dürfte es die Leverkusener Brücke nicht geben." Die Leverkusener Rheinbrücke ist marode und deshalb für LKW gesperrt, was für die regionale Wirtschaft eine erhebliche Belastung darstellt. "Der Staat verlangt für eine Hundehütte die Miete eines Bungalows", sagte der BGL-Hauptgeschäftsführer. Richter teilt Zweifel des BGL nicht Das Verwaltungsgericht sieht dies nicht so. Dem nationalen Gesetzgeber stehe ein weiter Gestaltungsspielraum bezüglich der gewählten Kalkulationsmethode zu, erklärte der Richter vergangene Woche. "Die konkrete Berechnung der Mautsätze wird durch den europäischen Richtliniengeber nicht vorgeben." Insbesondere seien die Mautsätze nicht willkürlich festgesetzt, sondern deren Berechnung sei transparent und nachvollziehbar. Die Ermittlung des Anlagevermögens ist aus Sicht des Verwaltungsgerichts ebenso wenig zu beanstanden wie die darauf aufbauende Abschreibungsmethode. "Deshalb ist auch eine Eigenkapitalverzinsung auf Basis von Tagesgebrauchtwerten unproblematisch", erläuterte Judick. Die EU-Wegekostenrichtlinie aus dem Jahr 2006 erlaube sogar Kapitalerträge durch die Mauterhebung. "Damals konnten die Autoren des Wegekostengutachtens 2007 nicht absehen, dass die Zinsen aufgrund der Finanzkrise deutlich sinken würden", ergänzte er. Auch ein Verstoß gegen das Grundgesetz, den der BGL neben seinen Zweifeln an der Vereinbarkeit mit dem EU-Recht betont hatte, könne man dem Gesetzgeber nicht vorgewerfen: Den Vorwurf, die nachträgliche gesetzliche Festsetzung der LKW-Maut durch das Bundesfernstraßenmautgesetz in 2011 sei nicht mit dem Rückwirkungsverbot konform, ließ der Richter nicht gelten. Der Gesetzgeber sei zudem nicht verpflichtet gewesen, möglichst niedrige Mautsätze festzulegen. "Insofern ist auch die Dienstleistungsfreiheit des deutschen Straßengüterverkehrsgewerbes innerhalb der EU weder eingeschränkt noch das Transportgewerbe diskriminiert worden", so Judick. Schließlich konnte er auch keine anderen Methodenfehler feststellen, sodass die drei Kläger verpflichtet seien, die seit dem 1. Januar 2009 erhobene LKW-Maut zu zahlen. BGL mit der Entscheidung unzufrieden "Das Verwaltungsgericht Köln hat die lange Verfahrensdauer genutzt und zeigte sich bis in Detailfragen hinein gut informiert. Dennoch kann das Verhandlungsergebnis nicht zufriedenstellen", fasste BGL-Hauptgeschäftsführer Schmidt die Verhandlung hinterher zusammen. Der Richter habe lediglich geprüft, ob bei der Mauterhöhung von 2009 das Diskriminierungsverbot gegenüber ausländischen Transportunternehmen beachtet wurde und ob bei der Festlegung der Wegekosten die Willkürgrenze überschritten wurde. Außerdem ärgere ihn, dass der Richter die Kritik an der kalkulatorischen Verzinsung des Eigenkapitals der Bundesregierung im angefochtenen Wegekostengutachten, das zwischen 2009 und 2013 die Grundlage für die Ermittlung der Mauhöhe bildete, abgewiesen hat. Der BGL und seine Mitgliedsunternehmen hatten eine deutlich überhöhte Verzinsung moniert. Ein kalkulatorischer Zinssatz von mehr als drei Prozent wäre aufgrund der damaligen Kapitalmarktzinsen nicht vertretbar gewesen, sagte Schmidt. Nächste Instanz wäre das OVG Münster Das Verfahren war übrigens in Köln anhängig, weil die für die LKW-Maut zuständige Behörde - das Bundesamt für Güterverkehr (BAG) - ebenfalls in Köln ansässig ist. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln ist noch nicht rechtskräftig. Diese Woche geht den Prozessbeteiligten die Urteilsbegründung zu, woraufhin sie einen Monat Zeit haben, um Rechtsmittel einzulegen. Legt der BGL Berufung ein, landet das Urteil zur Überprüfung bei einem übergeordneten Gericht. Die über 3500 Spediteure, die die seit 1. Januar 2009 gültige Autobahnmaut nur unter Vorbehalt bezahlt und zugleich Ansprüche auf Erstattung womöglich zu Unrecht erhobener Gebühren beim BAG erhoben haben, können also noch hoffen. Die nächste Instanz wäre das Oberverwaltungsgericht von Nordrhein-Westfalen in Münster. Juristische Hängepartie Bis zur Gerichtsverhandlung mussten die Kläger lange warten Fünf Jahre hat die Klage der Mitgliedsunternehmen des Bundesverbandes Güterverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) auf Eis gelegen. Unter anderem, weil der Transportunternehmer Günter Obst ebenfalls gerichtlich gegen die LKW-Maut vorgegangen war.Nachdem er und die Bundesrepublik Deutschland ihren jahrelangen Rechtsstreit über die Achsklasseneinteilung in einer früheren Mauthöheverordnung im vergangenen August vor dem Oberverwaltungsgericht von Nordrhein-Westfalen in Münster beigelegt hatten, war der Weg frei geworden für die Verhandlung der BGL-Klage. Diese ist seit 2009 beim Verwaltungsgericht Köln anhängig gewesen. ag

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