Ein Mann will nach oben

Sie sind gebürtiger Holländer und haben nach Ihrem Studium in 1991 in Polen eine Firma mit zwölf Mitarbeitern gegründet. Heute beschäftigt die Raben Group 7500 Mitarbeiter in zehn Ländern. Werden Sie von Ihren holländischen Kollegen eigentlich manchmal schief angesehen? Warum? Ich frage Sie deshalb, weil die Raben Group ihren Firmensitz in Polen hat und deshalb sicher kostengünstiger anbieten kann als ein holländisches oder auch ein deutsches Unternehmen. Wir verfolgen nicht das Geschäftsmodell vieler unserer Mitbewerber, die in Westeuropa mit osteuropäischen LKW-Fahrern unterwegs sind. Deren Fahrer sind oft länger als vier und sechs Wochen unterwegs. Das ist nicht unser Weg. Wir setzen in den Ländern, in den wir tätig sind, auf die lokalen Stärken und auf lokale Menschen. Sprich: Wir haben zwar auch einen Eigenfuhrpark mit 200 LKW mit internationalen Fahrern, die für uns Komplettladungen und intermodale Transporte durchführen. Diese sind aber schwerpunktmäßig in internationalen Märkten unterwegs und spätestens nach ein bis zwei Wochen wieder zu Hause. Mir ist es wichtig, dass wir unseren Mitarbeitern die Möglichkeit bieten, ein Familienleben zu haben. Außerdem glaube ich nicht, dass das Geschäftsmodell "billig, billig" vieler unserer Marktbegleiter eine Zukunft hat. Sie verfügen also über keine anderen Kostenstrukturen als Ihre deutschen Wettbewerber? Nochmals: In allen Ländern, in denen wir tätig sind, ist unser Kerngeschäftsfeld das nationale und internationale Sammelgutgeschäft. In diesem Geschäft haben wir die gleichen Kostenstrukturen wie unsere Marktbegleiter. Zugegeben, wir hatten diese Kostenvorteile in den 90er-Jahren im internationalen Ladungsverkehr. Heute ist das nicht mehr so. Zum einen, weil heute fast jede Transport- und Speditionsfirma eine ähnliche Struktur hat wie wir. Zum anderen gleichen sich die Kosten in Polen und in Deutschland sehr stark an, weil der Fachkräftebedarf in Polen aufgrund des Wirtschaftswachstums hoch und die Arbeitslosigkeit sehr niedrig ist. Schon sehr schnell werden wir in Zentraleuropa das gleiche Kostenniveau wie in Deutschland haben. Wenn es nicht die Kostenvorteile sind, wie erklären Sie sich dann das immense Wachstum Ihres Unternehmens? Immerhin ist das Marktsegment Sammelgut, in dem Sie tätig sind, seit Jahren stark umkämpft. Vielleicht haben wir einfach sehr früh auf das richtige Pferd gesetzt? Im Ernst, als ich in 1991 unsere Firma in Polen gegründet habe, ahnte ich, dass dort ein sehr interessanter Markt entstehen würde. Polen hat 38 Millionen Einwohner und damit eine interessante Marktgröße. Ich wusste zwar nicht, wohin sich Zentraleuropa entwickelt, aber ich vertraute darauf, dass diese Länder irgendwann in der EU und Nato sind. Und das war auch der Fall, seit diesem Zeitpunkt wachsen wir in diesen Ländern und vor allem in Polen jedes Jahr sehr schön. Was uns zudem geholfen hat, dass wir sehr schnell verstanden haben, wie man ein Netzwerk aufbaut. Wir haben da viel von unseren deutschen Kooperationspartnern gelernt. Wir haben gesehen, was diese erfolgreich macht, und haben dieses Modell kopiert. Mit einem Unterschied: Im polnischen Nationalnetz hat der Kooperationsgedanke mit Partnern nicht funktioniert. Deshalb haben wir uns dort für eigene Netzstrukturen entschieden und sind von dort aus sehr schnell expandiert: 2003 in die Ukraine, 2004 in die baltischen Staaten, 2005 nach Deutschland, 2008 nach Tschechien und 2010 nach Ungarn. Und 2011 haben wir die Stückgut-Aktivitäten von Wincanton gekauft und uns an vier Standorten von Fenthol & Sandtmann beteiligt. Damit haben wir uns in Polen, Tschechien, Ungarn, der Slowakei und in Deutschland deutlich verstärkt. Angeblich soll Ihnen aber dieser Wincanton-Deal fast das Genick gebrochen haben. Gerade das deutsche Geschäft soll ziemlich marode gewesen sein. Woher haben Sie das denn? Die Integration in Zentral- und Osteuropa ging deutlich besser als erwartet. Richtig ist aber, dass wir in Deutschland den Restrukturierungsaufwand unterschätzt haben. Wir mussten da sehr viel tun. Wir haben die komplette IT der Wincanton-Häuser ausgetauscht und mussten sie in allen Bereichen an unsere übrigen Niederlassungen anpassen. Zum Teil mussten wir auch alte Läger ersetzen und neue errichten. Zudem mussten wir an etlichen Standorten die Reporting- und Organisationsstruktur an unsere anpassen. Welcher Standort hat Ihnen die größten Kopfzerbrechen bereitet? Kopfzerbrechen keiner. Anspruchsvoll war aber der Standort Nürnberg. Dort war Raben ja bereits mit einer großen Niederlassung vertreten, die wir mit der von Wincanton zusammenlegen mussten. Dort haben wir dann sogar neu gebaut. Alles in allem hat uns der Wincanton-Kauf 36 Millionen Euro gekostet und zusätzlich haben wir 15 Millionen Euro in die Restrukturierung investiert. Wir konnten uns das aber leisten, weil Wincanton uns bei der Übernahme dafür finanziell ausgestattet hat. Ist der Integrationsprozess jetzt abgeschlossen? Hier und da sind noch kleinere Baustellen offen. Das Gros ist aber geschafft. Das Schöne ist, dass wir einige sehr interessante Kunden von Wincanton für uns gewinnen konnten. Wie schlägt sich das effektiv auf Ihre Zahlen nieder? Schreibt die Raben Group mittlerweile schwarze Zahlen? Für die gesamte Gruppe kann ich das bejahen. Im vergangenen Jahr hat unser Unternehmen 968 Millionen Euro Umsatz und ein Ebita von drei Prozent in Europa erwirtschaftet. Und 2014 werden wir wohl mit insgesamt 980 Millionen Euro Umsatz enden und das Ebita wird sich auch verbessern, obwohl das Sommerloch in diesem Jahr größer als im Vorjahr war. Sie sprechen von der gesamten Gruppe. In Deutschland sollen Sie noch im Minus sein. Wenn Sie in unsere Deutschland-Zahlen unsere Konzernumlagen hineinrechnen, schreiben wir hier tatsächlich ein kleines Minus. Ohne Konzernumlagen schreiben wir in Deutschland in diesem Jahr erstmals eine schwarze Null! Damit sind wir nicht unzufrieden. Aber wir wollen mehr: fünf Prozent Ebita in zwei, drei Jahren. Das ist unser Ziel - auch in Deutschland. Das ist ambitioniert. Unsere Restrukturierung in Deutschland ist, wie gesagt, weitgehend abgeschlossen. Nicht nur operativ, sondern auch rechtlich. Im Juli haben wir unsere Unternehmen Raben Logistics Germany, Raben Trans European Germany und Eli Transport unter dem Namen Raben Trans European Germany gebündelt. Was wir jetzt in Deutschland brauchen, ist mehr Umsatz. Wir machen aktuell rund 400 Millionen Euro Umsatz in Deutschland. Das reicht nicht. Sie sind in Deutschland aktuell mit 22 Niederlassungen tätig. Das ist einerseits zu mächtig, um die Vorteile eines Nischenspediteurs zu haben. Andererseits sind 22 Standorte zu wenig, um hierzulande ein flächendeckendes Stückgutnetz hochzuziehen. Was haben Sie also konkret vor? Wenn wir wollten, könnten wir das Trans European Netz noch weiter ausbauen. Klar bräuchten wir noch mehr Mengenvolumen. Machbar wäre es, aber . . . Weil Sie in der System-Alliance-Familie glücklich sind? Genau! Wir sind in dieser Kooperation mit acht Niederlassungen tätig. Mehr Standorte wären natürlich schön. Wir haben System Alliance auch gesagt, wenn irgendwo ein Partner ausfällt, sind wir offen. Wir drängeln uns da aber nicht hinein. Das müssen die Gesellschafter der System Alliance gemeinsam beschließen. Aber erwächst Ihnen gerade in diesem Verbund durch die Zukäufe von Hellmann nicht ein übermächtiger Rivale? Immerhin stammen mittlerweile 45 Prozent der System-Allliance-Sendungen von Hellmann. Wenn Hellmann seine Macht ausspielen würde, wäre das ein Problem. Aber das macht das Unternehmen nicht. Außerdem haben wir mit starken Partnern kein Problem. Sonst wären wir zum Beispiel auch mit Dachser keine Kooperation in der Lebensmittellogistik eingegangen. Sie planen in Deutschland also kein eigenes Stückgutnetz. Was haben Sie dann hierzulande vor? Noch ist für uns Polen die Nummer 1 und Deutschland die Nummer 2. Doch das wird sich in wenigen Jahren drehen. Deutschland ist einfach attraktiver. Zum einen gibt es hier doppelt so viele Einwohner. Zum anderen verfügen diese über fast vier Mal so viel Einkommen wie die Polen. Und vor allem ist Deutschland die größte Exportnation Europas. Das Wachstumspotenzial in Deutschland ist also groß. 400 Millionen Euro machen wir heute in Deutschland und in zwei, drei Jahren streben wir 500 Millionen an. Außerdem haben wir zwar 22 Niederlassungen in Deutschland. Mehr als 40 Prozent der Fläche decken wir aber noch nicht ab, insbesondere im Süden Deutschlands sind wir noch schwach. Wir haben dort gerade einmal Standorte in Nürnberg, Regensburg, Heilbronn und Mannheim. Ihre Wachstumspläne in Ehren. Unterschätzen Sie da nicht Ihre Rivalen Kühne + Nagel, DHL, DB Schenker und Dachser? Und vergessen Sie nicht die vielen regionalen Speditionen. Auch diese sind im Stückgutgeschäft Mitbewerber. Wir sind aber zuversichtlich, dass wir unsere Wachstumsziele erreichen. Die Speditionsbranche in Deutschland und Europa steht unter einem riesigen Konsolidierungsdruck. Wir gehen deshalb auch davon aus, dass mittelfristig noch zwei bis drei Speditionskooperationen in Deutschland aus dem Markt scheiden. Was macht Sie da so sicher? Einer der maßgeblichen Gründe dafür ist die ungelöste Nachfolgeproblematik in vielen Betrieben. Einer Studie der Unternehmensberatung Price Waterhouse Coopers zufolge dürften eben aufgrund dieses Themas in den kommenden Jahren nur 25 Prozent der Betriebe in Familienhand bleiben. Und in der Logistikbranche dürfte, vermute ich, diese Zahl noch kleiner ausfallen, weil sich hier nur noch sehr niedrige Margen erwirtschaften lassen. Für Nachfolger ist das Logistikgeschäft nicht mehr attraktiv. Das ist eine Entwicklung, die ich mit großer Sorge betrachte. Denn noch lebt Europa, vor allem Deutschland, von mittelständischen Familienunternehmen. Was ist, wenn diese Stütze wegfällt? Wird die Wirtschaft dann nur noch von Global Playern regiert? Ist das der Grund, warum Sie und auch etliche andere Mittelständler wie Geis, Noerpel und Hellmann derzeit so aggressiv auf Einkaufstour sind? Sind Sie in Ihrem Geschäft zur Größe quasi gezwungen? Der Stärkste wird überleben. Das ist auch meine Meinung. Denken Sie doch einmal an die Auflagen, die wir heute als Dienstleister von unseren Kunden haben. Außerdem hat man in unserem Markt nur eine Chance, wenn man seine Kostenstrukturen im Griff hat. Das ist ja das Erfolgsgeheimnis der großen Logistikunternehmen. Sie profitieren von Skaleneffekten. Und dahin müssen wir als Mittelständler auch kommen. Deshalb wollten Sie also vor einigen Monaten die Unternehmensgruppe H.C. Schmidt kaufen? Mit 125 Millionen Euro Umsatz ist diese Gruppe ja keine kleine Nummer. Wir haben keinen Zwang, Firmen zu kaufen. Das Unternehmen H.C. Schmidt hätte aber zu uns gut gepasst. In puncto Benelux, Frankreich und England, aber auch was die Verkehre in Zentraleuropa betrifft. Trotzdem ist Ihre Übernahme in letzter Minute geplatzt. Warum? Das war so. Leider konnten die drei Gesellschafter uns nicht das liefern, was wir brauchten, um einen sauberen Deal hinzubekommen. Und jetzt suchen Sie weiter? Wir haben aktuell kein Akquisitionsprojekt in der Schublade. Unser Ziel ist in Deutschland erst einmal eine vernünftige Rendite. Das wird wohl ein, zwei Jahre brauchen. Apropos niedrige Renditen. Glauben Sie noch an das Stückgutgeschäft? Auf jeden Fall! Das Stückgutgeschäft ist mit 65 Prozent Umsatzanteil nach wie vor unsere wichtigste Säule und wird es auch bleiben. Zumal es in den Prozessen noch viel zu verbessern gibt - sowohl im Vertrieb, im Back-Office als auch in den Operations. Viele dieser Prozesse laufen noch manuell. Das ist ein Aufwand, den uns kein Kunde bezahlt. Hier sehen wir aufgrund der modernen IT in unserer Administration noch viel Optimierungspotenzial. Das heißt nicht, dass wir dort Mitarbeiter abbauen. Wir wollen nur, dass wir mit der gleichen Beschäftigtenzahl mehr Umsatz erzielen. Und was wollen Sie tun, um im Bereich Frachteinkauf Kosten zu sparen? Kühne + Nagel zentralisiert ja seinen Frachteinkauf. Ein zentraler Frachteinkauf macht für uns keinen Sinn. Wir möchten nicht, dass wir unsere Subunternehmer im Fernverkehr preislich so an die Wand drücken, dass sie nicht mehr für uns fahren wollen. Zielführender ist es, wenn wir mit diesen überlegen, wie sich die LKW-Auslastung optimieren lässt, etwa über die Zahl der gefahrenen Kilometer. Und im Nahverkehr analysieren wir die Zahl der gefahrenen Stopps/Stunde und prüfen, wie wir diese steigern können. Sie sagten eingangs, dass das Sommerloch in diesem Jahr größer ausgefallen ist. Von welchem wirtschaftlichen Szenario gehen Sie in 2015 aus und welches Umsatzwachstum peilen Sie folglich an? Das derzeitige geopolitische Umfeld bereitet mir große Sorgen, insbesondere die Situation in der Ukraine und in Russland. Gerade im Automotive-Bereich ist das Geschäft dort sehr stark eingebrochen. Und das wirkt sich auch auf die Verkehre von Westeuropa nach Osteuropa aus - bei den Auto- und Maschinenteilen, aber auch bei Lebensmitteln. Entsprechend vorsichtig planen wir für das kommende Jahr. Wir rechnen in 2015 mit 0 bis 1 Prozent Umsatzwachstum sowohl in Europa als auch in Deutschland. So lange die geopolitischen Probleme in Europa nicht gelöst sind, wird nicht mehr Wachstum drin sein. Was ist Ihr Erfolgsrezept, um dennoch wettbewerbsfähig zu bleiben? Wir wollen Kosten- und Qualitätsführer werden. Schaffen wir das nicht, werden wir nicht wachsen. Neue Produkte planen wir derzeit dagegen nicht. Es gibt zwar Überlegungen im Bereich B2C, aber da möchte ich System Alliance nicht vorgreifen (lacht). Sie machen heute eine Milliarde Euro Umsatz. Bis wann wollen Sie Hellmann mit seinen 2,6 Milliarden Euro Umsatz überholt haben? Wir konzentrieren uns auf unsere Stärken. Mit diesem Erfolgsrezept sind wir bislang gut gefahren. Damit ist es uns immerhin gelungen, von knapp fünf Millionen Euro Umsatz im Jahr 1991 auf eine Milliarde Euro Umsatz zu wachsen. Dabei wird es natürlich nicht bleiben. Wir brauchen eine gewisse Größe, um in Zukunft wettbewerbsfähig zu bleiben. Vita Ewald Raben Ewald Raben wurde am 31. August 1968 in Winterswijk in den Niederlanden geboren. Nach Abschluss seines Studiums für Transport und Logistik an der Universität Rotterdam stieg er 1990 in das elterliche Transportunternehmen in den Niederlanden ein. 1991 gründete er in Polen das Unternehmen Raben Transport, heute Raben Group. Von Anfang an war Raben CEO des Unternehmens. Im Jahr 2012 war er in Polen Gewinner des Ernst & Young-Awards "Entrepreneur of the Year" (Unternehmer des Jahres). eh Das Unternehmen Raben Group Das Transport- und Speditionsunternehmen Raben Group, Hauptsitz im polnischen Robakowo bei Posen, wurde 1991 von Ewald Raben gegründet. Raben startete ursprünglich mit zwölf Mitarbeitern und fünf Millionen Euro Umsatz. Im vergangenen Jahr erwirtschaftete das Unternehmen mit 7500 Mitarbeitern einen Umsatz von 968 Millionen Euro. Die Raben Group umfasst aktuell 130 Standorte und Läger.2011 übernahm Ewald Raben zwölf Stückgut-Niederlassungen von Wincanton und beteiligte sich an vier Fenthol & Sandtmann-Standorten. 2013 schloss er in der Lebensmittellogistik mit Dachser eine strategische Allianz. Zudem ist Raben Gesellschafter der mittelständischen Stückgutkooperation System Alliance. eh

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