Paris. Europas derzeit längste Schienen-Autobahn zwischen Nord- und Südfrankreich ist in der vergangenen Woche offiziell eröffnet und in Betrieb genommen worden. Dies war schon früher geplant, musste dann aber aus Sicherheitsgründen wegen der Migrantenprobleme in Calais verschoben werden. Die Ro-Ro-Linie führt vom Ärmelkanalhafen Calais bis nach Le Boulou bei Perpignan unweit der spanischen Grenze. Ein erster Zug startete mit 40 Sattel-Aufliegern auf 20 Spezialwaggons am Morgen des 29. März gegen 2 Uhr in Calais und wurde am Zielort gegen 23 Uhr desselben Tages erwartet. Die Nutzungstarife sollen laut Betreiber der neuen Linie, der SNCF-Tochter Viia, um 10 bis 15 Prozent niedriger sein als die Kosten im Straßengüterverkehr.
Nach den Linien Le Boulou-Bettembourg (Luxemburg) und Chambéry-Turin verfügt Frankreich nunmehr über eine dritte Schienenautobahn zur Entlastung der Straße vom Gütertransport per Lkw. Dieser benötigt für dieselbe Strecke 48 Stunden gegenüber jetzt 22 Stunden für die Schiene. Zudem werde sich die CO2-Belastung pro Jahr um circa 50.000 Tonnen verringern, hob ein Viia-Sprecher hervor. Schneller, billiger und umweltschonender sei also die neue Verbindung. Zunächst soll sie Montag bis Samstag täglich Woche mit jeweils einer Hin- und Rückfahrt betrieben werden, in ein paar Monaten zweimal täglich. Bei Vollauslastung mit drei Touren täglich könnten demnach 40.000 Sattelschlepper pro Jahr von der Straße auf die Schiene verlagert werden,. Heißt es von Viia. Das hieße bis zu zehn Prozent weniger Lkw auf der stark befahrenen Nord-Süd-Achse, auf der momentan jedes Jahr bis zu 350.000 Lkw zirkulieren.
Auch Großbritannien soll von der neuen Verbindung profitieren. In Calais wurde dafür gesorgt, dass die Auflieger direkt auf die Fähre verladen und mit dieser bis nach Dover verbracht werden können. Bisher sei die Nachfrage nach einer Verbindung mit England höher gewesen als das entsprechende Angebot, heißt es bei Viia, aber mit 40 Aufliegern pro Tag könne man diesen Markt jetzt ausgeglichener gestalten. Frischobst und Gemüse vom Internationalen Großmarkt Saint-Charles in Perpignan oder Weine aus Spanien und dem Languedoc am französischen Mittelmeer könnten jetzt problemlos und schnell bis nach Dover transportiert und Pkw-Ersatzteile oder Konsumgüter an französische Adressaten geliefert werden.
Inzwischen ist bei Viia schon eine vierte Verbindung in der Planung. Sie soll von Le Boulou bis nach Barcelona führen und wurde im November letzten Jahres nach Angaben der SNCF-Tochter schon mit Erfolg getestet. Dabei ging es vor allem darum zu sehen, ob die katalonischen Spurbreiten mit den französischen kompatibel sind. (jb)