"Respekt ist wichtig"

Man hat Treibstoff im Blut, wenn man in einer Spedition aufwächst", sagt Thomas Gerloff, der mit seinen gerade einmal 30 Jahren einer der jüngeren Firmenchefs der Transportbranche ist. Als geschäftsführender Gesellschafter lenkt er Seite an Seite mit seinem Vater Klaus-Peter die Geschicke der GKS Gerloff Spedition in Schwanebeck (Sachsen-Anhalt) in dritter Generation. Und die vierte steht schon in den Startlöchern: "Mein 19-jähriger Neffe absolviert gerade eine Ausbildung bei uns, später dann sicher auch ein Studium", erklärt Thomas Gerloff stolz. Damit träte der Nachwuchs in seine Fußstapfen, denn auch der Diplom-Ingenieur entschied sich nach dem Abitur zunächst für die Universität. Fünf Jahre widmete er sich an der TU Dresden dem Verkehrsingenieurwesen, bevor es ihn zurück in seine Heimat zog. Vom Kinderwagen ins Fahrerhaus Die Frage, einen anderen Weg einzuschlagen, habe sich für ihn nie wirklich gestellt. "Laut meinem Anstellungsvertrag arbeite ich seit sechs Jahren in der Firma, aber eigentlich sind es 30. Schon als Kind wurde ich im Kinderwagen über den Betriebshof geschoben, später war ich mit meinem Vater im Lkw unterwegs und irgendwann saß ich selbst am Steuer und habe in der Werkstatt mitgeholfen", erinnert sich der Juniorchef. Nach dem Studium startete er 2012 im Außendienst. "Das macht mir auch heute noch großen Spaß", erklärt der Manager. Seine Beförderung zum Geschäftsführer wurde schließlich durch Neuregelungen im Erbschaftsrecht beschleunigt. "Wir haben ja eine Verantwortung unseren Arbeitnehmern gegenüber. Da ist es eine gute Sache, wenn das so frühzeitig in die richtigen Bahnen gelenkt wird", resümiert Gerloff. Zudem bringe es besonderen Erfolg, wenn sich Mut und Innovationswille der jüngeren mit dem Erfahrungsschatz der älteren Generation vereinen lassen. Vorausgesetzt, beide Seiten respektieren sich. "Das ist ganz wichtig", betont Gerloff. Da hilft es, dass ihn auch jenseits des Jobs die Liebe zu "allem mit Rädern und einem Lenkrad" mit seinem Vater verbindet. Gemeinsam halten und pflegen sie eine Oldtimersammlung mit verschiedenen Bus- und Lkw-Modellen, die auch mal für Ausflüge durch den umliegenden Harz zum Einsatz kommen. Begeistern kann sich Thomas Gerloff, der selbst den Bus- und Lkw-Führerschein hat, aber auch für Pkw und Motorräder. "Viel Zeit für mein Hobby bleibt leider nicht mehr, weil man doch recht stark eingebunden ist im Familienunternehmen. Aber für mich ist es ein Ausgleich, um mal auf andere Gedanken zu kommen", erklärt er. Mischfuhrpark von MAN und Daimler Beim Firmenfuhrpark hat es der Oldtimerfan eher mit Planenzügen neueren Erstzulassungsdatums zu tun. Die Standard- und Megatrailer sowie die 30 Coilmulden werden größtenteils von Zugmaschinen von MAN und Daimler bewegt. Aus dem Mix an Wechselbrücken- und Jumbofahrzeugen sowie Jumbo-Gliederzügen erschließt sich der Kundenkreis, für den die Spedition tätig ist. Der Schwerpunkt liegt auf Ganzladungen für die Automobil-, Stahl- und Papierindustrie, für die Gerloff Industrie- und Handelsware fährt, darunter viel Schwergut. Doch auch Stück- und Sammelgut sowie palettierte Ware rollen in Schwanebeck über den Hof. Pro Monat sind es 32.000 Sendungen. Als Franchisenehmer der Stückgutkooperation IDS fährt die 1995 gegründete GKS-Schwesterfirma Krage & Gerloff Logistik GmbH (siehe Kasten) auch Systemverkehre mit Wechselbrücken. Für den Stückgutumschlag betreibt das Unternehmen eine 5000 Quadratmeter große Halle mit 62 Verladetoren, elektronischer Ampelsteuerung und kamerabasierter Sendungsverfolgung. Weitere 34.000 Quadratmeter stehen in einem manuellen Block- und Regallager für Mehrwert- und Lagerlogistikdienstleistungen zur Verfügung. Hinzu kommen 25.000 Quadratmeter Außenlager und Freiflächen. Das alles erstreckt sich über ein 152.000 Quadratmeter großes Grundstück, für das wachstumsbedingt in den letzten drei Jahrzehnten mehrere Obstplantagen weichen mussten. Insgesamt betreibt die Unternehmensgruppe heute 227 Fahrzeuge. Der Großteil davon, 135 Sattel- und Gliederzüge, gehört zur GKS Gerloff Spedition. Analog dazu sind auch 240 der 520 in der Gruppe fest angestellten Arbeitnehmer bei GKS beschäftigt, darunter 215 Fahrer (insgesamt gut 350). "Genau diese Fahrer sind derzeit unser wichtigstes Gut", berichtet Thomas Gerloff. Nur fünf Prozent Subunternehmer Pro Jahr chauffiert allein die GKS-Flotte rund eine Megatonne und legt dabei 24 Millionen Lastkilometer zurück. Subunternehmer setzt die Spedition nur selten, in etwa fünf Prozent aller Fälle, ein. Allerdings sind die beiden Gerloff-Schwesterfirmen bei Bedarf auch gegenseitig als Frachtführer füreinander unterwegs. Für die Pflege ihrer Fahrzeuge betreibt die Gruppe in Schwanebeck zudem eine gemeinsame Lkw-Werkstatt mit zwölf Kfz-Schlossern und zwei Werkstattmeistern, eine Waschanlage sowie eine Tankstelle. "Sicherlich sind wir ein sehr großer Logistikdienstleister für unsere Region", erklärt Thomas Gerloff. Davon profitiere auch die Bevölkerung in Schwanebeck. "Wir haben hier noch eine Schule, einen Kindergarten, Ärzte und Möglichkeiten zum Einkaufen. Das ist nicht nur gut für die Menschen, die hier leben, sondern auch für meine Mitarbeiter und damit für das Unternehmen", so der Geschäftsführer. Um die Auftragslage sorgt er sich nicht, die Auftragsbücher seien gut gefüllt. Die Harzregion sei konjunkturell nicht so schwach wie häufig angenommen. Viele Firmen aus Industrie und Handel seien hier ansässig. Im Stückgutbereich und in der Lagerlogistik müsse man allerdings stärker um die Kunden werben als im Ganzladungssegment, wo das Fahrzeug bundesweit unterwegs sein kann. "So wie uns in Deutschland Transporteure aus Osteuropa Konkurrenz machen im Rahmen der Kabotageregelung, genauso kann man als Spediteur aus Sachsen-Anhalt jemandem in Süd- oder Westdeutschland Konkurrenz machen", erklärt Gerloff. Betriebsgeheimnis Fahrergewinnung Weitaus problematischer als die Kundenakquise ist für ihn allerdings der derzeitige Fachkräftemangel. "Um neue Aufträge anzunehmen, brauche ich erst mal den Mann, der an der Basis den Job macht", betont er. Noch vor drei Jahren habe er als Außendienstler bei den Verladern im Umkreis am Telefon um einen Termin gebettelt, um ein Angebot machen zu dürfen. Das habe sich komplett gedreht: "Ich kenne Firmen, die ihren Außendienst inzwischen zu Headhuntern umfunktioniert haben. Die sollen sich ums Personal kümmern statt um neue Aufträge", verdeutlicht der Juniorchef. Erschwert werde die Suche nach potenziellen Fahrern in Schwanebeck noch dadurch, dass die Region bevölkerungsärmer als andere ist. Inzwischen beschäftigt Gerloff daher auch einige polnische und tschechische Fahrer. "Wir verständigen uns auf Deutsch und Englisch. Für besondere Anliegen und für den Schriftverkehr haben wir Mitarbeiter, die übersetzen können", berichtet der Geschäftsführer. Die Fahrersuche wird aus seiner Sicht zunehmend zum Schlüsselthema. "Wie man das umsetzt, ist schon fast Betriebsgeheimnis", glaubt der Verkehrsingenieur. Unter anderem kooperiert er mit den umliegenden Schulen, um schon frühzeitig für Nachwuchs im Unternehmen zu werben. Das beginnt bereits an der Grundschule, die gemeinsam mit Gerloff unlängst einen Malwettbewerb startete. Die fünf besten Kinderbilder prangen heute auf den Heckportalen mehrerer Lkw der Spedition. Als Dankeschön erhielten die kleinen Künstler je 100 Euro für die Schulkasse und jeweils einen Kinogutschein. Doch aller Mühen zum Trotz: Auch unter den gut 20 Auszubildenden, die bei Gerloff derzeit zu Speditionskaufleuten, Kfz-Mechatronikern und Fachlageristen ausgebildet werden, gibt es nicht einen angehenden Berufskraftfahrer. Lohnkosten steigen zweistellig "Mit dem Fahrermangel einher geht leider auch eine recht hohe Fluktuation", beklagt Thomas Gerloff. Vor allem die ausländischen Mitarbeiter seien eher bereit, den Arbeitsplatz zu wechseln. "Ihnen ist egal, ob sie nach Berlin, Hamburg, nach Hannover oder zu uns nach Schwanebeck fahren. Sie arbeiten dort, wo am besten bezahlt wird." In der Folge steigen die Fahrerlöhne teils im zweistelligen Prozentbereich. "Sie müssen auch steigen, damit der Job wieder interessanter wird. Deshalb brauchen wir bessere Preise und Konditionen. Wir sitzen alle in einem Boot, wenn wir keine Fahrer haben", argumentiert Gerloff. Damit spricht er die Verlader an, die die Kostensteigerungen seiner Ansicht nach 1:1 übernehmen müssten - auch für die im Januar anstehenden Erhöhungen bei Maut und Mindestlohn. "Wir haben keine Luft mehr, das alles zu kompensieren. Dieser Waschlappen ist ausgedrückt, da kommt kein Tropfen mehr raus. Wir müssen jetzt an unserer Marge arbeiten, indem man ganz einfach mehr einnimmt", betont der Firmenlenker. Ihm zufolge entwickeln sich die Gewinnspannen bereits seit der Wirtschaftskrise 2008 branchenweit rückläufig. Mittlerweile lägen sie bei schmalen ein bis zwei Prozent. Um das zu ändern, ist Gerloff notfalls sogar bereit, sich von einzelnen Kunden zu trennen. Denn es gehe nicht darum, sich als Unternehmer die Taschen vollzustopfen, sondern darum, Arbeitnehmern eine bessere Vergütung anzubieten, neu zu investieren und Anlagevermögen zu bilden, um das Unternehmen langfristig stabil auszurichten. Den Teufelskreis durchbrechen "Dahin geht der Trend: Weniger ist mehr. Lieber habe ich einen kleineren Fuhrpark, liefere dafür aber eine bessere Qualität. Das würde ich mir auch von der Branche wünschen. Man muss nichts anbieten, was man nicht kann. Diesen Fehler haben wir lange genug gemacht", ist der Firmenchef überzeugt. Über Jahre hinweg habe die Branche versucht mit immer mehr Fahrzeugen noch die letzten Synergien für ihre Kunden zu heben und über die Masse die eigenen Ziele trotz kleiner Margen zu erreichen - für Gerloff ein Teufelskreis, den es zu durchbrechen gilt. "Wenn ich ein Überangebot schaffe, wie wir das in den vergangenen Jahren erlebt haben, dann führt das nicht dazu, dass sich die Preise erholen, sondern umgekehrt wird ein Schuh draus", verdeutlicht er. Auch am schlechten Image der Transportbranche in den Augen von Medien und Öffentlichkeitsarbeit gelte es zu feilen: "Man entschuldigt sich ja mittlerweile fast, wenn man sagt, dass man in der Transportbranche tätig ist." Allein gelassen sieht er sich zudem von der aktuellen Verkehrspolitik. "Ich fühle mich ein bisschen wie dem Dornröschenschlaf entrissen durch diesen Dieselskandal. Im Moment ist das ein Zick-Zack-Kurs, den die Regierung fährt, und man weiß nicht, welche Richtung soll ich einschlagen, weil die Weichen ständig neu gestellt werden", drückt es der Autonarr aus. Gemeinsam stark durch Lobbyarbeit Neben einem strikteren Kurs wünscht er sich von der Politik, dass sie auch auf Alternativen jenseits der Elektromobilität eingeht, die derzeit im Mittelpunkt der Debatte stehe. "Ich würde mir wünschen, dass man zum Beispiel auch das Thema Brennstoffzelle noch einmal intensiver verfolgt oder den gasbetriebenen Lkw, aber auch nicht vergisst, den Diesel-betriebenen Lkw weiter zu verbessern und zu spezialisieren", so Gerloff. Darüber hinaus gelte es, "echte" Anreize zu schaffen, und zwar in Zusammenarbeit mit den Herstellern. "Manchmal habe ich das Gefühl, dass die Politiker zu weit weg von der Praxis entfernt sind, deshalb halte ich die Verbandsund Lobbyarbeit für ganz wichtig", fährt Gerloff fort. Da weder er noch sein Unternehmen aktuell in einem Verband aktiv sind, sei das ein wichtiges Zukunftsthema für ihn. "Das wünsche ich mir auch von Marktbegleitern, damit man als Branche wieder geschlossener und stärker auftritt", betont der Spediteur. Eine Bildergalerie zum Thema finden Sie online www.verkehrsrundschau.de/mediathek Zahlen und Fakten Von der Nachkriegszeit über die DDR bis zur Wende1951 startete der Fuhrbetrieb Heinz Gerloff in Schwanebeck mit einem Lkw, den die Alliierten nach dem Krieg zurückgelassen hatten. Am Wochenende verdienten sich die Eheleute Brigitte und Heinz Gerloff etwas dazu, indem sie Bänke auf die Ladefläche stellten und Ausflügler in den nahe gelegenen Harz fuhren. Denn zu DDR-Zeiten wurde das Privatunternehmen als Kommissionspartner des Kraftverkehrs Halberstadt klein gehalten. Zur Wendezeit hatte es gerade einmal drei Lkw und vier Fahrer.Nach dem Mauerfall besuchten die Gerloff-Brüder Klaus-Peter und Heinz-Ulrich, mittlerweile Firmenchefs der zweiten Generation, die IHK Braunschweig, um Partner zu finden. Gemeinsam mit der Keunecke Spedition aus Peine wuchs das Unternehmen schnell. Seit der Trennung 1994 kooperiert Gerloff mit der Spedition Krage aus Hannover. Die Krage & Gerloff Logistik GmbH ist heute Teil des Stückgutsystems IDS und bietet auch Mehrwertdienste wie Lagerung und Kommissionierung, während die GKS Gerloff Spedition ausschließlich Ganzladungen fährt. Mit 227 Fahrzeugen und 520 Mitarbeitern erwirtschaftet die Unternehmensgruppe pro Jahr rund 52,5 Millionen Euro Umsatz. akw

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