Brüssel. Das EU-Parlament hat am Donnerstag, 4. April, allen drei Dossiers des Mobilitätspakets zugestimmt. Die Mehrheit der Abgeordneten stimmte dabei den drei zuletzt umstrittenen Themendossiers zu, in denen es um Neuregelungen zur Kabotage, zu den Lenk- und Ruhezeiten und zu Entsendungen im Straßentransportsektor geht. In den ersten Reaktionen wurde das Ergebnis überwiegend begrüßt, doch gibt es auch kritische Stimmen.
Die Gewerkschaft Verdi hat die Verabschiedung des EU-Mobilitätspakets durch das EU-Parlament begrüßt, hält die darin enthaltenen Verbesserungen für die rund drei Millionen Berufskraftfahrer im Güterstraßenverkehr in der Europäischen Union aber für nicht weitreichend genug. Das Votum des Parlaments bringe für die Beschäftigten in der Branche zwar einige Verbesserungen, aber die „Möglichkeiten des Sozial-Dumpings werden durch die heutige Entscheidung eingedämmt, jedoch nicht gänzlich beendet“, sagte die stellvertretende Verdi-Vorsitzende Andrea Kocsis.
Verdi wünscht sich mehr Kontrollen
Verdi hätte sich eine viel weiterreichende Regelung für die Beschäftigten in der Branche gewünscht, erklärte Kocsis weiter. So gebe es künftig Ausnahmen bei der Anwendung der Entsende-Richtlinie. Zudem sei die Übernachtung in der Fahrerkabine zwar untersagt, könne aber durch eine Erklärung des Fahrers umgangen werden. Und Raststätten könnten sich selbst zertifizieren, um dem Fahrer eine Übernachtung in der Fahrerkabine zu erlauben. Darüber hinaus sei eine verpflichtende Rückkehr von Lastwagen in ihr Heimatland nicht geregelt worden; daher sei davon auszugehen, dass illegale Kabotage und eine Umgehung der Anwendung der Entsenderichtlinie weiterhin möglich seien. „Die neuen Regeln bringen nichts, wenn ihre Einhaltung nicht kontrolliert wird“, sagte Kocsis weiter. „Die Kontrollen müssen dringend ausgeweitet werden, um Sozial-Dumping und illegaler Beschäftigung einzudämmen.“
Auch aus Sicht des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) waren Verbesserungen lange überfällig. Stanislava Rupp-Bulling vom DGB-Projekt „Faire Mobilität“ berät regelmäßig Fernfahrer aus Osteuropa auf Rastplätzen rund um Stuttgart zu ihren Rechten. Es sei „beschämend, was man dort sieht“, sagte sie. Wochen- oder monatelang sähen manche Fahrer ihre Familien nicht und sie würden in ihren Lkw-Kabinen leben. Es fehle an Platz auf den Rasthöfen, weshalb Transporter oft auf Seitenstreifen parkten – gefährlich, nicht nur für die Fahrer.
BGL und BWVL begrüßen das Mobilitätspaket
Der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) begrüßt die Annahme des Mobilitätspaket durch das Europäische Parlament ausdrücklich. Besonders positiv bewertet der BGL die vorgesehene Heimkehrpflicht für Lkw-Fahrer zu ihren Familien sowie die Rückkehrpflicht für international eingesetzte Lkw in ihr Zulassungsland nach jeweils spätestens vier Wochen. Einen weiteren Erfolg sieht der BGL in der Aufnahme des von ihm vorgeschlagenen Lenkzeitzuschlags um maximal zwei Stunden für Lkw-Fahrer, die sich auf dem Heimweg ins Wochenende befinden. Dieser Zuschlag ist in der Folgewoche auszugleichen, ermöglicht dem Fahrer aber bei unvorhersehbaren Verzögerungen, das Wochenende bei ihren Familien zu verbringen. BGL-Vorstandssprecher Dirk Engelhardt sagte zu der Entscheidung: „Jetzt hoffen wir, dass sich die EU-Parlamentarier und die EU-Verkehrsminister zeitnah auf die letzten Details beim Ausformulieren der Gesetzestexte einigen.
Zustimmung kommt auch vom Bundesverband Wirtschaft, Verkehr & Logistik (BWVL). Gerade zu den Eckpfeilern Lenk- und Ruhezeiten, Kabotage und Fahrerentsendung sei nach monatelangem Ringen ein tragbarer Kompromiss gefunden worden. Besonders positiv bewertet der BWVL die Einigung zur Fahrerentsendung. Die Chance, bei der Entsendung der Fahrer den Flickenteppich einzelstaatlicher Bestimmungen durch einen handhabbaren Rahmen des europäischen Rechts zu ersetzen, sei schließlich genutzt worden. „Mit dieser Einigung können derzeit vorherrschende bürokratische Hürden abgebaut werden“, sagte BWVL-Hauptgeschäftsführer Labrot, der angesichts der nun anstehenden Verhandlungen des Europäischen Parlaments mit der Kommission und dem Rat warnte: „Sollte bis Ende April keine Einigung herbeigeführt werden, wird das Mobility Package erst nach den Europawahlen im Mai weiter behandelt. Dies wäre eine vertane Chance für den Verkehrsmarkt in Europa.“
DSLV: Einhaltung der Vorschriften muss dichter kontrolliert werden
Der Bundesverband Spedition und Logistik (DSLV) hat sich grundsätzlich zufrieden darüber gezeigt, dass das EU-Parlament eine abschließende Position zum Mobilitätspaket einnehmen konnte. Das aus Sicht des Verbandes insgesamt tragfähige Gerüst für eine Angleichung der Wettbewerbs- und Sozialbedingungen bleibe aber nur stabil, „wenn die Einhaltung der neuen Vorschriften zukünftig regelmäßiger und dichter als heute kontrolliert wird. Die Erwartungen an die technische Funktionalität des Smart-Tachografen sind deshalb sehr hoch“, unterstreicht DSLV-Hauptgeschäftsführer Frank Huster.
Insbesondere mit seiner Entscheidung zur Kabotage habe das Parlament einer Marktliberalisierung eine deutliche Absage erteilt. „Es darf aber auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass Brüssel mit dem Paket zusätzlich zur Erhöhung der Effizienz und zur Senkung der CO2-Emissionen im Straßengüterverkehr beitragen will. Die vorgesehenen Pflichten zur regelmäßigen Rückkehr der eingesetzten Fahrzeuge an die Unternehmensstandorte können zu einem unerwünschten Anstieg von Leerkilometern und Emissionen führen“, gibt Huster zu bedenken. Ob der erzielte Kompromiss zum Entsenderecht im internationalen Verkehr praxistauglich sein wird, werde sich zeigen. „Der Flickenteppich administrativer nationaler Einzelbestimmungen wird dadurch erst einmal nicht aufgelöst“, erklärte Huster.
SPD: Gute Kompromisse gefunden
Die SPD-Bundestagsabgeordneten und Verkehrsexperten Kirsten Lühmann und Udo Schiefner zeigten sich mit der Entscheidung des EU-Parlaments ebenfalls zufrieden und bezeichneten sie als einen großen Erfolg. Für das Mobilitätspaket zu Lenk- und Ruhezeiten, Kabotage und Entsendung seien gute Kompromisse gefunden worden. Mit dem Beschluss trete das EU-Parlament nun in die Verhandlungen mit der Kommission und dem Europäischen Rat. Einigen sie sich zügig, könne „Sozialdumping, Nomadentum und überfüllten Parkplätzen endlich angemessen begegnet werden“. Wie schnell die neuen Regeln kommen, ist allerdings noch offen. Der CDU-Abgeordnete Dieter-Lebrecht Koch geht davon aus, dass noch in diesem Jahr ein Kompromiss mit den Mitgliedstaaten gefunden werden kann.
Grüne sehen nicht mehr als Schadensbegrenzung
Kritik an den Ergebnissen kam von Grünen im EU-Parlament. So erklärte Michael Cramer, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen/EFA-Fraktion: „Beim Verhandlungsmandat für Lenk- und Ruhezeiten konnte eine Verschlechterung der jetzigen Arbeitsbedingungen gerade noch verhindert werden. Lkw-Fahrer sollen nach zwei Arbeitswochen das Recht auf ein langes Wochenende behalten, das nicht in der Fahrerkabine verbracht werden darf. Diese Position deckt sich mit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs, dass die Kabine keinen geeigneten Ruheort darstellt. Außerdem müssen Arbeitgeber die Kosten für die Rückkehr der Fahrer nach Hause nach Ablauf dieser zwei Wochen übernehmen. Mehr als Schadensbegrenzung ist das nicht, zumal eine Verwässerung des Vorschlags in den Verhandlungen mit dem Rat zu befürchten ist.“ (dpa/tb)