Raus aus eingefahrenen Strukturen

Als Anfang 2015 eine bekannte bayerische Spedition ihre Tourenplanung von BR Consulting mit Sitz in Röhrmoos untersuchen ließ, wurde sie mit überraschenden Ergebnissen konfrontiert: Auf vielen Strecken sind zu kleine oder zu große Fahrzeuge unterwegs, die häufig mit unpassenden Hebebühnen oder anderem ungeeigneten Equipment ausgerüstet waren, fand die Logistikberatung mit Unterstützung ihres Partners, dem Software-Unternehmen Kratzer Automation, heraus.Außerdem waren viele Daten über Abholungen und Zustellungen ungenau. Bei jedem achten Abholauftrag fehlte die Gewichtsangabe, manche Ladestellen wurden mit unterschiedlichen Anschriften geführt. "Viele Strecken verursachen zu hohe Kosten", fand Bernhard Rieger, Inhaber von BR Consulting, heraus. "Außerdem waren die Fahrzeuge häufig überladen oder nicht ausgelastet." Weil vor Jahren festgelegte Touren nie hinterfragt worden sind, überschneiden sich diese heute mit den Netzen anderer Niederlassungen.20 Prozent Kosten gespartRund 20 Prozent der Ausgaben können eingespart werden, ermittelte Rieger. Über neue Streckenführungen hinaus schlug er die Abschaffung von einzelnen Fahrzeugen und veränderte Zustellgebiete vor. "Für viele Touren konnten mit neuen Stoppreihenfolgen Wegstrecken und Fahrzeiten reduziert und Zeitfenster der Kunden pünktlich bedient werden", zieht der Berater Bilanz. Das Beispiel zeigt, dass sich der Einsatz einer Unternehmensberatung für Transportdienstleister rechnen kann. Wenn ein branchenkundiger Consultant eingefahrene Betriebsabläufe hinterfragt, stößt er häufig auf Kostentreiber in der IT, im Fuhrpark- und Lagermanagement oder aber in der Unternehmensführung selbst. Veraltete Softwares, ungenau kalkulierte Arbeitsabläufe mit überlangen Einsatzzeiten, schlechtes Personalmanagement mit unmotivierten Mitarbeitern, falsche Marktpositionierung mit unrentablen Kunden: Solchen operativen und strategischen Defiziten kommt häufig erst ein Beratungsunternehmen auf die Spur.Ansonsten ist dessen Rat vor allem beim Aufbruch in neue Geschäftsfelder und Märkte gefragt. Mit detaillierten Marktanalysen, Handlungsempfehlungen auf Basis von erfolgreichen Business Cases sowie Coachings und Workshops für das Management kann ein Berater zum Erfolg eines solchen Vorhabens beitragen. Auch bei der Weiterentwicklung von logistischen Netzwerken, der Konzeption von Mehrwertservices und der Vorbereitung von Verladerausschreibungen können externe Experten hilfreich sein. "Häufig hilft dem Kunden bei letzterem Thema bereits eine professionelle Logistikplanungssoftware weiter", sagt Stefan Wolff, Vorstandsvorsitzender von 4Flow. "Beratungsbedarf entsteht immer dann, wenn Standardantworten auf komplexe Fragestellungen nicht weiterhelfen und individuelle Lösungen entwickelt werden müssen", zieht der CEO Bilanz. Ein Dutzend Logistikdienstleister, darunter Duvenbeck, Fiege und Hellmann, listet das Berliner Unternehmen als Kunden auf.Von den hohen dreistelligen oder gar vierstelligen Tagessätzen, die in der Beratungsbranche üblich sind, sollte sich ein Unternehmen nicht abschrecken lassen. Wenn dieses bestimmte Voraussetzungen erfüllt, können Fördermittel beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) in Eschborn beantragt werden (siehe Kasten Seite 27).Vorher muss der Berater sorgfältig ausgewählt werden. Der Markt für Logistikberatungen ist breit gefächert. Das Spektrum reicht von Global Player wie Accenture und Bearing Point über branchenbekannte Unternehmen wie 4Flow, Dr. Schaab & Partner, Neef oder SVG Unternehmensberatung bis hin zu Ein-Mann-Unternehmen. Vor allem Letztere arbeiten häufig mit strategischen Partnern etwa aus der IT-Branche zusammen und können deswegen auch komplexe Projekte stemmen. Die weitaus meisten Marktteilnehmer haben überwiegend Verlader als Kunden. Einer Untersuchung des Marktforschungsunternehmens Lünendonk zufolge ruft der Handel mehr als doppelt so viele Logistikberatungen ab wie die Logistikdienstleister selbst. "Bei der Wahl eines Beraters sollte sich ein Unternehmen Referenzen über andere Branchenunternehmen oder vergleichbare Projekte vorlegen lassen", empfiehlt deshalb Kai Haake, Geschäftsführer des Bundesverbands Deutscher Unternehmensberater (BDU) in Bonn.Ansonsten sind die Arbeitsschwerpunkte entscheidend. Viele Logistikberatungen konzentrieren sich auf Prozessoptimierung mit IT-Lösungen, andere haben sich auf Kontraktlogistik, After-Sales-Services, Lagermanagement oder Fuhrparkverwaltung spezialisiert. Wohl jedes Beratungsunternehmen sieht sich als Experte fürs Kostenmanagement. Einige bieten sogar Interimsmanagement an, wenn Geschäftsführer vorübergehend ausfallen oder die Suche nach einem Nachfolger längere Zeit dauert. Manche Logistikberatung positioniert sich als Allrounder. "Wir stellen uns auf alle Fragen ein", versichert Holger Niemann, Senior Berater von Dr. Städtler Transport Consulting. "Allerdings helfen wir nicht bei der Beschaffung von Frachten."Gerne bewerben Berater ihre Dienstleistungen als Entlastung vom Alltagsgeschäft. "Wenn nicht alltägliche Entscheidungen über langwierige Projekte anstehen, kann das Engagement eines externen Fachmanns sinnvoll sein", sagt Niemann. Das Tourenoptimierungsprojekt von BR Consulting ist ein Beispiel dafür. Im Januar begannen Rieger und Kratzer Automation mit der Analyse aller Touren von zwei Kalenderwochen, im März konnten sie ihre Verbesserungsvorschläge präsentieren. Anschließend begann die Umsetzung. Dazu wurden viele Mitarbeiter in Anspruch genommen. Fahrer und Disponenten mussten einen umfangreichen Fragenkatalog beantworten. Rieger wollte möglichst viele Details über Fahrzeuge, Zustell- und Abholzeiten, Stoppreihenfolgen und Tourenverläufe wissen. Außerdem hatte er Fragen zu Kunden, Netz und Hallen. "Der Erfolg einer Beratung hängt auch vom Auftraggeber selbst ab", betont der Marktkenner. "Er muss Mitarbeiter freistellen und aussagefähige Daten liefern."Jedes Projekt lebt von Jour-fixe-Terminen, auf denen das weitere Vorgehen abgestimmt wird. "Vor allem beim Start eines Beratungsprojekts ist der Abstimmungsbedarf hoch", sagt Rieger. "Anschließend ist der Kunde vor allem bei der Umsetzung gefordert."An Hindernissen herrscht erfahrungsgemäß kein Mangel. Häufig sträuben sich Mitarbeiter oder Betriebsrat gegen Änderungen, vor allem dann, wenn mit Entlassungen oder Versetzungen zu rechnen ist. Der Berater kann in dieser Phase allenfalls im Hintergrund tätig werden und Empfehlungen aussprechen.Aber manche Unternehmen schieben die Umsetzung auch auf die lange Bank, weil ihnen andere Projekte auf einmal wichtiger sind und mit den Empfehlungen des Beraters scheinbar eine zeitlose Blaupause für die Neupositionierung zur Verfügung steht. Hiervor warnt Rieger: "Wenn der Kunde nach nur einem halben Jahr die Empfehlungen wieder herausholt, können sich die Rahmenbedingungen spürbar geändert haben. Manchmal schaffen bereits zusätzliche Kunden oder neue Fahrzeuge eine andere Ausgangssituation."Als Folge müsste dann der Berater auf Basis neuer Daten seine Arbeit wiederholen oder wenigstens ergänzen. Für viele Consultants ist dies auch deshalb ärgerlich, weil sie bei zahlreichen Projekten das Gefühl haben, dass sie mit unvollständigen oder veralteten Daten arbeiten müssen. Viele Informationen über Kunden oder das eigene Unternehmen sind nie aufgenommen worden und müssen erst mühsam bei Fahrern, Disponenten oder Lagermitarbeitern abgefragt werden. "Wir müssen gerade bei der Optimierung von Netzwerken häufig erst inkonsistente und veraltete Daten beseitigen", nennt 4Flow-Chef Wolff ein anderes Problem. Viele Projekte starten mit Hinweisen der Consultants, welche Daten wichtig sind und wie diese erhoben werden. Wenn das geschehen ist, können diese mit der eigentlichen Arbeit beginnen.Mehr zum Thema im Dossier "Unternehmensführung" www.verkehrsrundschau.de/dossiersFörderung in Höhe von bis zu 90 ProzentZuschuss für Beratungsleistungen im Rahmen von De-MinimisDer Bund plant ein einheitliches Beratungsförderungsprogramm ab 2016 auf De-Minimis-Basis: Für neu gegründete Unternehmen gibt es zwei Jahre lang einen Zuschuss von maximal 80 Prozent in den neuen Bundesländern inklusive dem Regierungsbezirk Lüneburg und maximal 50 Prozent in den alten Bundesländern sowie Berlin und Leipzig. Die Bemessungsgrundlage beträgt 4000 Euro. Für Bestandsunternehmen, die bereits zwei Jahre lang im Markt sind, gelten die gleichen Sätze. Allerdings wurde hier die Bemessungsgrundlage auf 3000 Euro herabgesetzt.Diese gilt auch für Unternehmen, die in wirtschaftlichen Schwierigkeit stecken und eine sogenannte Turn-around-Beratung in Anspruch nehmen. Sie können diese bundesweit mit bis zu 90 Prozent fördern lassen.Das neue Programm löst die drei bisherigen der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KFW) ab. Die Förderung kann online ab 1. Januar 2016 beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (www.bafa.de oder www.beratungsförderung.info) beantragt werden. Der Antragsteller darf höchstens 250 Mitarbeiter beschäftigen und 50 Millionen Euro Umsatz machen. Er kann auch mehrere Beratungen fördern lassen, wenn diese unterschiedliche Themen zum Gegenstand haben.Das Spektrum förderfähiger Themen ist breit gefächert: angefangen bei Unternehmensführung und Qualitätsmanagement bis hin zu Umwelt- und Arbeitsschutz, Vereinbarung von Familie und Beruf, Unternehmensübergaben oder die Beschäftigung von Mitarbeitern mit Migrationshintergrund. Die Beratung hat neben der Analyse von Schwachstellen Verbesserungsvorschläge und Handlungsempfehlungen zu enthalten und der Antrag muss drei Monate nach Abschluss der Beratung eingehen. bot

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