Die Neuauflage des Qualitätsversprechens

Es geht immer noch ein bisschen besser: Mit dieser Maßgabe hat die Internationale Organisation für Normung (ISO) an einer Revision der ISO-Norm 9001 gearbeitet. Der finale Entwurf liegt inzwischen vor. Im September soll die Neuauflage des Werks, das weltweit Mindestanforderungen für das Qualitätsmanagement (QM) in Unternehmen festlegt, erscheinen. Die ISO 9001 ist die meistverbreitete und daher bedeutendste Norm, wenn es darum geht, die eigene Leistung zu belegen, Qualität international vergleichbar zu machen und eine Basis zu schaffen, um effizienter zu werden und seinen Service zu verbessern. Etwa die Hälfte aller Speditionen und Logistikdienstleister in Deutschland hat sich laut dem Deutschen Speditions- und Logistikverband (DSLV) nach diesem Standard zertifizieren lassen - Tendenz: steigend. So, wie die Norm einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess innerhalb der zertifizierten Unternehmen fordert, wird sie auch selbst regelmäßig auf Aktualität überprüft. Die derzeitige Fassung stammt aus dem Jahr 2008 und ist teilweise nicht mehr zeitgemäß. Mittlerweile kommen neue Technologien zum Einsatz und das Arbeitsumfeld in den Unternehmen ist komplexer geworden. Um diesen Veränderungen gerecht zu werden, finden vor allem risiko- und prozessorientierte Ansätze noch stärker als bisher in der ISO 9001 Berücksichtigung. Unternehmen müssen Risiken ermitteln Neu ist laut dem TÜV Rheinland, dass Unternehmen, die sich mit dem Prädikat auszeichnen wollen, künftig interne und externe Risiken ermitteln müssen, die sich auf die Produkt- und Dienstleistungsqualität sowie die Kundenzufriedenheit auswirken können. "Unternehmen sollten sich fragen, welche Risiken wahrscheinlich oder welche gravierend sind", erklärt Jürgen Ohligschläger, Produktverantwortlicher für Qualitätsmanagement in der Prüforganisation, die ab Herbst auch nach der neuen ISO 9001:2015 zertifiziert. Die Revision der Norm schreibt aber nicht genau vor, wie bestimmte Forderungen zu erfüllen sind. Eine mögliche Methode sei zum Beispiel eine Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse (FME). Nachdem die Risiken identifiziert, bewertet und priorisiert wurden, sind gegebenenfalls Maßnahmen zu ergreifen, um diese zu minimieren oder zu vermeiden. Gegen gewisse Gefahren für das eigene Geschäft könne man sich aber häufig nur durch eine Versicherung wappnen, sagt Ohligschläger. Eine Vorschrift, wie viele Risiken ein Unternehmen pro Prozess oder insgesamt aufführen muss, gibt es in der ISO 9001:2015 nicht. Ein Auditor, der das Risikomanagement überprüft, würde dem TÜV Rheinland zufolge Fragen stellen wie: Wo sind Risiken in den jeweiligen Prozessen? Nennen Sie mir die identifizierten Risiken. Auf welcher Basis haben Sie diese Risiken festgestellt? Wie bewerten Sie die Eintrittswahrscheinlichkeit dieser Risiken? Wie behandeln Sie diese Risiken? Wenn die Antworten plausibel und mit den entsprechenden Dokumenten belegt seien, so Ohligschläger, gelte die Anforderung der Norm als erfüllt. Weiterhin setzt die ISO 9001:2015 erstmals voraus, dass sich Unternehmen mit ihrem Umfeld (Kontext) auseinandersetzen. Hier geht es nach Auskunft von Ohligschläger darum, dass man unter dem Gesichtspunkt des langfristigen Unternehmenserfolgs interne und externe Themen bestimmen muss, die eine strategische und operative Bedeutung haben. Zum Beispiel Gesetze, Kunden, Wettbewerber, Trends und Technologien sowie die eigene Unternehmenskultur oder die Leistung der Beschäftigten. Darüber hinaus müssen Unternehmen systematisch die Erwartungen und Bedürfnisse der Interessengruppen analysieren, die für den Geschäftserfolg wichtig sind (Behörden, Kunden oder Mitarbeiter). Prozessoptimierung wird konkretisiert Nach ISO-9001-Maßstäben soll ein QM-System alle wesentlichen betrieblichen Abläufe begleiten und sie regelmäßig auf den Prüfstand stellen. Die ISO 9001:2008 fordert von Unternehmen bereits, die Abfolge und Wechselwirkung aller Prozesse festzulegen. Die ISO 9001:2015 konkretisiert diesen Ansatz. Sie verlangt, dass die geplanten Ergebnisse jedes Prozesses und die hierfür erforderlichen Eingaben beschrieben werden. "Es wird die Benennung von Input und Output inklusive von Leistungskennziffern sowie der Prozessverantwortlichen gefordert", so Ohligschläger. Gemäß der ISO 9001 regelt ein zertifiziertes QM-System zudem, wer für welche qualitätsrelevanten Tätigkeiten verantwortlich ist und welche Vorgehensweisen dabei einzuhalten sind. Dabei bleibt es. Nach der Neuauflage der Norm bedarf es allerdings keines "Beauftragten der obersten Leitung" mehr. Die Geschäftsführung muss trotzdem sicherstellen, dass die Verantwortlichkeiten und Befugnisse für relevante Rollen zugewiesen und innerhalb des Unternehmens bekannt gemacht und verstanden werden. Sie kann diese Aufgaben aber nach wie vor delegieren. Auch ein Handbuch ist ab September nicht mehr notwendig, sofern das Qualitätsmanagement anderweitig angemessen dokumentiert wird. "Viele Unternehmen, die ein QM-System gemäß ISO 9001 einsetzen, haben ihr Handbuch ohnehin elektronisch in Form verschiedener Dokumente vorliegen", erläutert Ohligschläger. Formal sind die Gliederung, Textbausteine und Definitionen so angepasst worden, dass sie einem einheitlichen Standard für alle ISO-Management-Systeme entsprechen (High Level Structure). Das soll den Unternehmen einerseits die Integration verschiedener Normen erleichtern - etwa der ISO 14001 für Umweltmanagement oder der ISO 50001 für Energiemanagement. Anderseits wollen die Autoren erreichen, dass sich die Inhalte der ISO 9001:2015 in allen Branchen und Unternehmen vom Start-up bis zum Weltkonzern umsetzen lassen. Für die Umsetzung bleiben drei Jahre Nach dem Inkrafttreten der ISO 9001:2015 haben Unternehmen drei Jahre Zeit, um ihre QM-Systeme nach der neuen Version auditieren und zertifizieren zu lassen. Anschließend sind alle akkreditierten Zertifikate nach der alten Fassung ungültig. Wer nach der ISO 9001:2008 zertifiziert ist, kann die Lücken zur neuen Norm laut dem TÜV Rheinland mittels einer Schwachstellenanalyse identifizieren lassen. Auf dieser Basis ließe sich ein Implementierungsplan entwickeln, um das System sukzessive auf die neuen Anforderungen umzustellen, sagt Ohligschläger. Es sei auch wichtig, für ein angemessenes Bewusstsein bei allen Parteien zu sorgen, die Einfluss auf die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens haben beziehungsweise die Verantwortlichen rechtzeitig zu schulen. "Wir empfehlen allerdings Unternehmen, bei denen eine Rezertifizierung bis etwa im September 2015 fällig ist, das Audit auf Basis der derzeitigen Version durchführen zu lassen", betont er. Im Rahmen späterer Überwachungsaudits oder Wiederholungsaudits könne dann eine Zertifizierung gemäß der neuen Norm angestrebt werden. Einige der kleinen und mittleren Speditions- und Logistikdienstleister müssen nun bei ihren QM-Systemen nachbessern. Der DSLV rät, die Übergangsfrist zu nutzen und die notwendigen Optimierungen ohne Hast durchzuführen.

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