Ratenniveau steigt langfristig

Die großen Containerreedereien befinden sich auf Einkaufstour und bestellen ein Riesenschiff nach dem anderen. Schaufeln sich die Reedereien gerade ihr eigenes Grab?Nein, das glaube ich nicht. Als Reederei muss man einiges Geld investieren, um im Wettbewerb bestehen zu können. Zumal diese großen Schiffe ja um einiges effizienter sind als die, die sich derzeit im Markt befinden. Hinzu kommt, dass im nächsten Jahr die Verbreiterung des Panama-Kanals abgeschlossen sein soll und dann auch auf dieser Wasserstraße Schiffe mit bis zu 14.000 TEU (20-Fuß-Standard-Container) fahren können. Deshalb haben wir spezifisch für diese Route im April fünf Containerschiffe mit einer Kapazität von 10.500 TEU pro Schiff bestellt.Damit kommt neues Angebot in den Markt, das weiteren Druck auf die Frachtraten ausübt.Nein, damit ist keine Kapazitätserweiterung verbunden. Wir ersetzen zwei Panamax-Schiffe (Kapazität: etwa 5000 TEU; Anmerkung der Redaktion) durch ein neues Schiff. Damit dürfte unsere Bestellung keinen Einfluss auf das Ratenniveau haben.Dennoch rauschen die Frachtraten in der Containerschifffahrt gerade in den Keller. Das kann Sie nicht glücklich machen.Nein, das besorgt uns sehr. Gerade auf den Diensten nach Fernost bestehen Überkapazitäten und das kann man als Folge dessen beobachten, dass die Raten immer weiter nach unten rutschen. Aber sie werden sich wieder erholen, denn so niedrig wie die Frachtpreise derzeit sind, geht das auf Dauer nicht gut.Wie lange wird es noch dauern, bis sich das Ratenniveau spürbar erhöht?Das ist schwer einzuschätzen. Das zweite Quartal eines Jahres gilt generell eher als ein schwaches Quartal. Wir hoffen natürlich, dass es dann im zweiten Halbjahr wieder bergauf geht.Schreibt Hapag-Lloyd auf dem momentanen Ratenniveau rote Zahlen?Mit den Frachtraten, wie sie derzeit auf den Fernost-Diensten erzielt werden, kann keiner Geld verdienen.Welche Alternativen bleiben dann? Man kann ja nicht tatenlos zusehen und permanent Verluste einfahren.Nein. Für uns ist das derzeit ein schwieriges Thema. Denn wir stehen gerade vor der Entscheidung, ob wir nochmals investieren in Großcontainerschiffe mit 18.000 TEU, wie andere das auch getan haben. Das hängt natürlich auch davon ab, wie die Planungen mit unseren Allianzpartnern in der G6-Allianz verlaufen und welche Schiffskäufe unsere Partner planen. Das muss man sich genau überlegen. Denn wenn man sich die letzten zehn Jahre auf der Fernost-Route ansieht, gab es vielleicht zwei Jahre, in denen man Geld verdient hat, aber acht Jahre, in denen man Geld verloren hat. Das ist ein Ungleichgewicht, mit dem man auf Dauer nicht arbeiten kann.Pro große Containerschiffe oder contra: Wohin geht derzeit der Trend bei Hapag-Lloyd?Wir wollen bis zum Ende des Jahres eine Entscheidung treffen. Derzeit ist der Trend eher "ja".Und dann würde der Markt mit noch mehr Kapazitäten überschwemmt?Nicht wirklich. Auch hier würden wir andere Schiffe aus dem Markt nehmen, etwa im gleichen Umfang, was die Kapazität betrifft. Unsere Planungen sehen vor, dass wir mit dem Markt wachsen, aber nicht überproportional und unseren Marktanteil halten.Ist ein Ende des Investitionsbooms in der Containerschifffahrt absehbar?Ja. Derzeit investieren viele der Reedereien in Großschiffe. Aber viel größer als 20.000 TEU oder 22.000 TEU werden die Schiffe nicht werden, weil die Kostenvorteile sich dann immer mehr abschwächen. Daher befinden wir uns jetzt noch auf einer Investitionswelle, die in den kommenden Jahren abebbt. Ich gehe davon aus, dass das Ratenniveau dann auch deutlich stabiler sein wird als heute.Könnte es gerade auf der schwierigen Fernost-Route sein, dass Sie irgendwann sagen: Der Markt ist mir zu schwierig, zu umkämpft, Hapag-Lloyd zieht sich aus diesem Segment komplett zurück?Nein. Der Fern-Ost-Trade ist der weltweit größte Markt in der Containerschifffahrt; von dem kann man sich nicht so einfach verabschieden. Die Frage ist aber natürlich gerechtfertigt: Wenn man wachsen möchte, muss man das dann unbedingt auf den Fernost-Relationen? Wir wollen das nicht. Außerdem ist der Vorteil von Hapag-Lloyd, dass wir nicht so stark auf dieser Route vertreten sind. Global haben wir einen Marktanteil von etwa sechs Prozent, auf dem Fernost-Trade sind es deutlich weniger - etwa drei bis vier Prozent.2014 ist für Hapag-Lloyd mit einem operativen Verlust von 112 Millionen Euro enttäuschend gewesen. Wird 2015 trotz des Marktdrucks ein besseres Jahr?Unser Ziel für 2015 ist ein deutlich positives, operatives Ergebnis. Das werden wir auch erreichen. Das erste Quartal war ja schon ein sehr erfreulicher und erfolgreicher Jahresauftakt.Die 112 Millionen Euro Verlust waren dann ein einmaliger Ausrutscher?Das war zweifelsohne ein schlechtes Ergebnis, was aber auch wesentlich beeinflusst wurde durch Einmaleffekte, zum Beispiel durch den operativen Verlust von CSAV.Was macht Hapag-Lloyd 2015 anders als im Jahr zuvor?Zum einen ist es uns gelungen, Kosten zu verringern aufgrund von Synergien, die wir im Zusammenhang mit dem Zusammenschluss von CSAV erzielen konnten. Aber wir haben auch in anderen Bereichen Kosten heruntergefahren. Und wir wollen auf der eher schwierigen Relation Fernost und auf der Transatlantik-Route unseren Marktanteil halten und auf anderen, nicht so stark umkämpften Trades wie nach Indien, Afrika oder innerhalb Asiens stärker wachsen.Sind die mit der Fusion zwischen CSAV und Hapag-Lloyd verbundenen Aufgaben erledigt?Nein, wir stecken noch mittendrin im Integrationsprozess. Derzeit haben wir etwa 70 Prozent der Aufgaben bewältigt. Unser Ziel ist es, die Integration Mitte des Jahres abzuschließen.Wie hoch sollen die Einsparungen sein, die am Ende unter dem Strich stehen?Wir wollen mindestens 300 Millionen US-Dollar pro Jahr einsparen. Derzeit sieht es danach aus, als sollten wir dieses Ziel auch erreichen, vielleicht sogar ein bisschen besser abschneiden.Hapag-Lloyd strebt den Gang an die Börse an. Sind die entscheidenden Treiber die Gesellschafter?Die Gesellschafter haben sich für einen Börsengang ausgesprochen. Die Containerschifffahrt ist ein sehr kapitalintensives Geschäft. Da ist es wichtig, dass man Zugriff auf den Kapitalmarkt hat, um die Investitionen finanzieren zu können. Deshalb befürworten sowohl der Vorstand als auch das gesamte Management den Börsengang.Wann wird es soweit sein?Das ist eine schwierige Frage. Dazu braucht man als Unternehmen gute Zahlen und einen guten Plan. Es ist aber auch wichtig, dass an den Aktienmärkten eine entsprechende Investitionsbereitschaft besteht. Die ist derzeit gegeben, aber die letzten Monate haben gezeigt, wie schnell sich wirtschaftliche Rahmenbedingungen und damit auch die Stimmung drehen kann: Im Sommer letzten Jahres lag der Ölpreis bei 100 US-Dollar pro Fass, im Januar musste man nur noch 45 Dollar zahlen und jetzt liegt er bei etwa 70 Dollar.Für Hapag-Lloyd ist das ja ein Vorteil.Das stimmt, der niedrige Ölpreis gibt uns derzeit etwas Rückenwind. Aber etwas mehr Stabilität täte allen Marktteilnehmern gut. Und wenn wir pro Jahr über drei Millionen Tonnen Öl benötigen, dann ist eine Verteuerung um fast 30 Dollar pro Tonne natürlich eine enorme Belastung.Der Marktdruck im Container-Reederei-Geschäft ist enorm. Ist damit zu rechnen, dass nicht alle die kommenden Jahre überstehen werden?Wenn man sich die letzten Jahre angesehen hat, kann man eine Konsolidierung beobachten. Ich gehe davon aus, dass dieser Trend anhalten wird. Da wird in den kommenden vier, fünf Jahren noch einiges passieren.Wird auch Hapag-Lloyd noch mal aktiv? Es kursieren ja immer wieder Gerüchte über eine Fusion mit der Reederei NOL aus Singapur.Derzeit fokussieren wir uns voll und ganz auf die Integration der CSAV.VitaRolf Habben JansenRolf Habben Jansen, geboren 1966 in Spijkenisse bei Rotterdam, schloss 1991 sein Studium der Wirtschaftswissenschaften ab und trat danach als Trainee in die Reederei Royal Nedlloyd ein. Die nächste berufliche Station führte ihn zum Schweizer Logistikkonzern Danzas. Nach der Fusion von Danzas mit DHL, der Frachttochter der Deutschen Post, war Habben Jansen ab 2001 für weite Teile der Kontraktlogistik von DHL in Europa zuständig. 2009 leitete er dann fünf Jahre das Logistikunternehmen Damco, eine Tochter der Reederei Maersk. Im April 2014 wurde er Vorstandsmitglied von Hapag-Lloyd. Seit Juli 2014 ist er Nachfolger von Michael Behrendt als Vorstandsvorsitzender der Hapag-Lloyd. Er ist damit der erste Ausländer an der Spitze der größten deutschen Reederei. cdUnternehmenHapag-LloydDie Hapag-Lloyd AG mit Sitz in Hamburg ist Deutschlands größte Containerreederei. Entstanden ist das Unternehmen 1970 durch eine Fusion zwischen den Reedereien Hamburg-Amerikanische Packetfahrt-Actien-Gesellschaft (HAPAG) in Hamburg und Norddeutscher Lloyd (NDL) in Bremen. Die größten Gesellschafter der Hapag-Lloyd sind die chilenische Reederei CSAV (34,0 Prozent), HGV (im Besitz der Stadt Hamburg; 23,2 Prozent), Kühne Maritime (20,8 Prozent) und TUI (13,9 Prozent). Im April 2014 hatten Hapag-Lloyd und die CSAV eine Vereinbarung über die Zusammenlegung der Geschäfte beschlossen. Damit ist Hapag-Lloyd zur viertgrößten Reederei weltweit aufgestiegen. cd

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