Rail Cargo Group setzt neue Standards

Im Jahr 2010 sah die Welt in der Gütersparte der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) noch anders aus. Angesichts eines Minus von 350 Millionen Euro in der Bilanz schrillten nicht nur in der Führungsetage der ÖBB die Alarmglocken. Auch beim Eigentümer, dem Staat, sorgten die Zahlen für große Besorgnis. 2014 bestes Ergebnis im Güterverkehr Es musste etwas passieren. Ein straffer Sanierungskurs wurde eingeläutet. Die Erträge dieser Anpassungsmaßnahmen kann der Konzern jetzt ernten: Die Rail Cargo Group (RCG) hat sich zu einer der profitabelsten Güterbahnen Europas entwickelt. Mit einem Umsatz von 2,1 Milliarden Euro, einer Tonnage von 110 Millionen Tonnen und einem Ebit von 103,6 Millionen Euro hat die Gruppe im Vorjahr eigenen Angaben zufolge das beste Ergebnis im Güterverkehr eingefahren. Die Umstrukturierungen hatten jedoch auch negative Folgen, wie Alexander Klacska weiß: "Im intermodalen Verkehr wurden der Service reduziert und gleichzeitig die Preise erhöht, was zu einer deutlichen Rückverlagerung auf die Straße geführt hat", sagt der Obmann der Bundessparte Transport und Verkehr in der Wirtschaftskammer Österreich. Doch sei mittlerweile die Zahl der Eisenbahnverkehrsunternehmen auf 33 Anbieter gestiegen. Damit liegt Österreich laut Klacska gemessen an der Größe des Landes im europäischen Spitzenfeld. "Viele private Bahngesellschaften haben Gütervolumen von der RCG übernommen. Und die positive Entwicklung der RCG zeigt, dass die Restrukturierungen gegriffen haben", lautet sein Fazit, wobei seiner Ansicht nach noch weitere Kraftanstrengungen nötig sind, um das Schienenangebot attraktiver zu machen. "Sowohl auf der Marktseite als auch auf der Produktionsseite hat sich bei der RCG sehr vieles verändert, was die Wirtschaftlichkeit des Geschäftes deutlich verbessert hat", sagt Professor Sebastian Kummer, Vorstand des Instituts für Transportwirtschaft und Logistik der Wirtschaftsuniversität Wien. Die ÖBB-Tochter habe genau das gemacht, was andere Unternehmen in der Sanierung auch tun: Sie habe sich von schlechten Geschäften getrennt und gezielt die Stärken aufgebaut. Die RCG ruht sich aber nicht auf den Lorbeeren aus. ÖBB-Holding-Chef Christian Kern präsentierte im April dieses Jahres eine schwarze Bilanz, die in den nächsten Jahren noch schwärzer werden soll. Von den 110 Millionen Tonnen wurden 73 Millionen allein in Österreich transportiert, der Rest in "unserem Heimmarkt Europa", wie es Kern formulierte. Dieser reicht im Verständnis der RCG über 18 Länder von der Nordsee bis zum Schwarzen Meer und den adriatischen Raum. In Österreich und Ungarn ist die RCG der Platzhirsch, in den südlichen Ostbalkanländern und in Richtung Türkei wird derzeit gerade am Aus- und Aufbau der Eigentraktion gearbeitet. "Die vermehrte Konkurrenz im Schienengüterverkehr belebt den Markt, steigert die Qualität und trägt maßgeblich zur Produktvielfalt aller bei", kommentiert Wolfram Senger-Weiss, Präsident Zen tralverband Spedition & Logistik in Österreich, die Veränderungen. Dabei strebt der RCG-Konzern von einer Güterbahn hin zur einer Systembahn, betont Reinhard Bamberger, RCG-Vorstand, gegenüber der Verkehrs-Rundschau. Dieser Wandel spiegelt sich im Aufbau eigener Strukturen, eigener Netzwerke und der steigenden eigenständigen Produktion wider. "Wir folgen jetzt einer neuen Logik", hebt Bamberger hervor. Diese Logik besteht in neuen Produktionsformen. Das Netz von Systemzügen mit hohem Qualitätsanspruch ist ein Beispiel dafür. "Wir lasten unsere Züge zu 100 Prozent selbst aus und produzieren sie wo möglich in Eigenregie", nennt Bamberger Erfolgsfaktoren. Auslastungsrisiko bei der Bahn Die Supply Chain in eigener Hand zu haben, gibt die Möglichkeit, bei Ungereimtheiten sofort eingreifen zu können. Daraus ergibt sich die Chance, die Wertschöpfung beim Kunden zu vertiefen, günstiger zu produzieren und die Produktionskosten im eigenen Haus zu senken. "Wir wollen uns mit den Kunden stärker verzahnen und so weniger schnell substituierbar sein", betont der Manager. Konkretes Beispiel für den Wandel ist der Slawkow-Shuttle zwischen Italien und Polen mit der Option, dieses System in Richtung Weißrussland und GUS-Staaten auszuweiten. Aber auch der Balkan-Zug, die Rumänien-Züge und der GUS-Express sind Produkte, bei denen einzelne Waggons oder Waggon-Gruppen gebündelt werden. Von diesem Bündelungseffekt verspricht sich Bamberger viel. "Die RCG hat durch Gründung eigener Tochtergesellschaften und den Aufbau einer eigenen Produktion entlang wichtiger Korridore die Chance genutzt und ist damit grundsätzlich gut für die zukünftigen Herausforderungen des Schienengüterverkehrs in Südosteuropa gerüstet", beurteilt Kummer die Aktivitäten positiv. Neuer Shuttle nach Belgien Erst kürzlich gestartet wurde ein neuer aus Einzelwagen und Wagengruppen bestehender Ganzzug zwischen Linz und Antwerpen. Die Herausforderung bei dem als Systembahn bezeichneten Produkt: In Linz müssen die aus dem Balkan kommenden Wagen mit dem neuen Shuttle nach Belgien verknüpft werden. Und die Verlader sollen die genaue Info erhalten, wann die Wagen abgeholt werden können und wie lange sie unterwegs sind. Bei der Systembahn spricht RCG nicht mehr von Einzelwagen, sondern von Einzelsendungen, die aus einem Waggon oder Wagengruppen bestehen. Verlader sollen ihre Waren nicht sammeln, bis sie damit einen Ganzzug zustande bringen, sondern flexibel ihre Wagen mit den Systemzügen losschicken. Bamberger: "Wir übernehmen das Auslastungsrisiko, bündeln für viele Kunden einen Zug und können so öfter fahren." Dass dieses Konzept aufgeht, würden die Zahlen belegen. So stieg beim Slawkow-Shuttle das Volumen in einzelnen Fällen um bis zu 26 Prozent. Neue Systemzüge sind die eine Innovation, die Kreation von neuem rollenden Material die andere, mit der "wir einen neuen Industriestandard in Europa setzen wollen", kündigt Bamberger an. Gemeinsam mit der steirischen Innofreight-Gruppe und Voestalpine wurde eine Serie neuer Container für den Schüttguttransport entwickelt, die bereits in Europa im Einsatz sind. Das Neue dabei: Transportbehälter und Waggon werden technisch voneinander getrennt. 300 Millionen Euro investiert die RCG in die neuen Wagen. Operator-Geschäft wird forciert Kräftiger als bisher will RCG im Intermodal-Verkehr mitmischen. Das neue Unternehmen "Rail Cargo Operator Austria" tritt seit Anfang Juli auf dem europäischen Markt auf. Laut Erik Regter, Mitglied im Vorstand der RCG, ist diese neue Firma eine Ergänzung zu den bestehenden Teilgesellschaften und Beteiligungen in Tschechien, Ungarn und Slowenien. Rail Cargo Operator (RCO) als Geschäftsbereich unter dem Dach der RCG ist in Tschechien mit der Rail Cargo Operator CSKD sowie am Terminal Brünn und am Rail Cargo Terminal in Prag am Markt präsent. In Ungarn zeigt RCO am Rail Cargo Terminal in Budapest und bei zwei anderen Unternehmen Flagge und in Slowenien ist RCO an der dortigen Kombigesellschaft Adria Kombi beteiligt. "Wir wollen im Operator-Bereich die Besten in Europa werden", gibt sich Regter selbstbewusst. Die Serie Die großen Güterbahnen In unserer Serie stellen wir die großen (Staats-)Güterbahnen in Europa vor- Teil 1: DB Schenker Rail (VR 27)- Teil 2: Rail Cargo Austria (VR 28)- Teil 3: PKP Cargo (VR 29)- Teil 4: SBB Cargo (VR 31)- Teil 5: Trenitalia Cargo (VR 32/33)- Teil 6: Fret SNCF (VR 34/35) Rail Cargo Group (RCG) Die "beste" Güterbahn Europas "Die erfolgreichste Güterbahn Europas": So ist das Kapitel zur RCG im Geschäftsbericht der ÖBB für das Jahr 2014 überschrieben - wobei"erfolgreich" sich auf die finanzielle Lage bezieht. Die ÖBB lässt in ihrem Bericht keine Zweifel, wohin man mit der Gütersparte will:"Ziel der Rail Cargo Group ist es, die beste Güterbahn Europas zu werden - gemessen am Ergebnis, an der Kundenzufriedenheit, aber auch als Arbeitgeber."Zahlen zur RCG 2014*- Transportleistung: 29 Milliarden Tonnenkilometer (25,9; +12,0)- Tonnage: 110,1 Millionen (Mio.) Tonnen (109,3; +0,8); davon in Österreich: 73 Mio. Tonnen- Marktanteil in Österreich: 79 Prozent- Marktanteil in Ungarn: 70 Prozent- Umsatz: 2073 Mio. Euro (2280; -9,1)- EBIT: 103,6 Mio. Euro (76,0; +37,6) cd* in Klammern: Wert für 2013; Abweichung zu 2013 in Prozent