Die Sperrung der Rader Hochbrücke ist eine echte Katastrophe für die Logistikbranche – wer trägt die Schuld?
Es ist wahrlich eine Katastrophe, dass die wichtigste Brücke in Schleswig-Holstein für Fahrzeuge oberhalb 7,5 Tonnen gesperrt werden musste. Die Schuldfrage ist schwierig zu beantworten, aber sicher fängt es mit dem Bau der Brücke an. Sie ist in den 60er-Jahren nicht für die Belastungen des heutigen Schwerlastverkehrs geplant worden. Und dann ist beim Bau zwischen 1969 und 1971 nicht alles so gemacht worden, wie man sich das vorstellt, insbesondere bei den tragenden Pfeilern.
Liegt es nicht auch an der Unterfinanzierung der deutschen Infrastruktur?
Indirekt natürlich schon, weil die Rader Hochbrücke nur ein Beispiel für viele Probleme ist. Wir sehen das konkret jetzt auch bei den vielen Umleitungen, wo wir mit vielen Baustellen zu kämpfen haben, die wir aufgrund des Geldmangels nicht so schnell beenden konnten, wie wir das gerne hätten.
Sind die vier Monate bis zum Ende der Sanierungsmaßnahmen realistisch?
Das ist nicht sicher, aber ich bin zuversichtlich. Wir haben 28 tragende Pfeiler und jeder wird nach und nach saniert und begutachtet. Von Anfang an habe ich gesagt, dass man vor Überraschungen nicht sicher sein kann. Die vier Monate sind kalkuliert mit dem Stand, den wir zu Beginn hatten. Aber mittlerweile haben wir schon an sechs Pfeilern Schäden entdeckt, die darüber hinausgehen, was wir vorher erwartet haben. Das wird die Arbeiten zumindest intensiver gestalten. Was das am Ende für die Gesamtsanierung aller Pfeiler bedeutet, kann ich nicht sagen. Unser Ziel – Ende November – steht noch.
Aus dem Logistikgewerbe kommt der Vorwurf, dass der Sanierungsbedarf schon lange bekannt war, die Infos aber in untergeordneten Behörden versickert seien. Stimmt das?
Es gibt Hinweise, dass manche Dinge nicht so gelaufen sind, wie sie sollten. Das werden wir sauber aufarbeiten. Es gab eine Brückenhauptprüfung in 2009, wo Sanierungsbedarf festgestellt wurde. Der Sanierungsauftrag wurde auch ausgeschrieben, die Ausschreibung aber nicht abgeschlossen. Und dann ist alles versandet. 2012 hat dann eine kleine Prüfung stattgefunden und man hat festgestellt: Moment, da war doch was.
Klingt nach Schlamperei.
Das ist sicher nicht der normale Prozess. Wenn die Sanierungsarbeiten damals vergeben worden wären, wären die massiven Probleme von heute schon damals aufgefallen und behoben worden.
Erst die Rheinbrücke, jetzt die Rader Hochbrücke. Werden Spediteure sich an solche Zustände gewöhnen müssen?
Ich kämpfe dafür, dass das nicht zum Standard wird. Aber das Problem ist klar: Wir haben mindestens 20 Jahre die Instandhaltung der Verkehrsinfrastruktur verschlafen. Da haben wir eine ganze Menge aufzuholen, wir haben überall Bauwerke in Deutschland, die ähnliche Probleme haben. Da müssen wir ran.
Wie bekommt man denn mehr Geld ins System für die Infrastruktur?
Man könnte schon im Bundeshaushalt 2014 die Gelder massiv erhöhen. Wir haben ja den Solidaritätszuschlag. 4 Milliarden von den 14 Milliarden gehen ja schon jetzt nicht in den Aufbau Ost – dieses Geld könnte man für die Infrastruktur verwenden. Das wären in den nächsten sechs Jahren, bis 2019, wenn der Soli ausläuft, 24 Milliarden Euro. Und bis dahin könnte man in Ruhe das System der Infrastrukturfinanzierung in Deutschland transparent umbauen.
Das Interview führte Tobias Rauser