Nokian Winterreifen

Nokian Winterreifen Eiskalt draufgehauen! Für den Schwerpunkt Reifen demonstrierte Reifenhersteller Nokian eindrucksvoll die Unterschiede zwischen M+S- und echten Winterreifen. A m 13. März 2013 kam es zum ersten „Ü-100-Einsatz“ der hessischen Einsatzkräfte, nachdem auf der A45 bei Münzberg über 100 Fahrzeuge verunfallt waren. Der Grund war ein schlagartiger Eisregen, der die vorher trockene Fahrbahn binnen weniger Meter zur Eispiste werden ließ. Zu den Betroffenen gehörte auch Krones Marketing-Leiter Tobias Eichberg, dem der Massenunfall noch in den Knochen sitzt: „Die Fahrbahn war sofort spiegelglatt – da hatte man auch mit Winterreifen keine Chance mehr: Vorne krachte es schon und trotz genügend Sicherheitsabstand konnte ich meinen PKW nur mit Mühe zum Stehen bringen, als es hinter mir schon wieder knallte. Am Schluss hatte ich vorn noch zehn und hinten vielleicht 60 Zentimeter Luft zum nächsten Auto – da hatte ich wirklich Glück!“ Nokians Vize-Präsident der Sparte LKW Reifen, Pontus Stenberg, sieht aus wie ein Wikinger und glaubt bei späten März-Temperaturen zwischen minus 32 Grad nachts und minus 16 Grad tagsüber (bei Sonnenschein!) nicht an die gern propagierte Klimaerwärmung. Viel eher an einen raschen Klimawechsel, wie deutsche Autofahrer ihn auf der A45 erlebten. Laut Stenberg häufen sich solche abrupten Klimawechsel, weshalb er auch die Winterreifendiskussion am LKW wieder anschieben möchte – natürlich auch, weil Nokian sich darauf spezialisiert hat. Er nennt es das „Hakkapeliitta-Gen“, wobei Hakkapeliitta eigentlich von „hakkaa päälle“ kommt, was man wörtlich mit „hau drauf“ übersetzen könnte und was im Dreißigjährigen Krieg als Koppelwort für die finnischen Söldner übernommen wurde. Mittlerweile bezeichnet es die griffigsten Winterreifen der finnischen Marke. In Russland steht „Hakkapeliitta“ gar als Gesamtbegriff für „Winterreifen“. Das Labelling verschärft den Konflikt Den Unterschied zur mitteleuropäischen Spritsparbereifung verdeutlicht Nokian mit mehreren Fahr- und Bremsversuchen. Natürlich beschleunigt der Hakkapäliitta-bereifte Zug schneller, bremst besser und durchfährt den S-Schlag deutlich gelassener als die vergleichbare Kombination mit Spritsparreifen. Interessant sind die Unterschiede beim Bremsen, wobei die Werte hier je nach Untergrund schnell mal zwischen sechs und 25 Metern differieren, was im Ernstfall kriegsentscheidend sein kann. Doch auch Nokian kann sich der Laufleistungs- und Verbrauchsdiskussion nicht entziehen. „Nachdem unsere Traktionsprofile auch in sandigen Wüstengegenden eingesetzt werden, wo teils ähnliche Bedingungen wie bei weichem Schnee herrschen, können wir keine ultraweichen Mischungen anbieten, die sich bei höheren Temperaturen runterfahren wie Radiergummis“, weiß Stenberg. In Mitteleuropa werden Traktionsreifen meist in den Wintermonaten in den Alpenregionen gefahren, bevor sie gegen M+S-Profile getauscht werden. Doch das kostet Zeit und Geld. Die Lösung könnte künftig eine Art „Wechselprofil“ sein, das anfangs extrem viel Grip bietet und sich bei zunehmender Kilometerleistung zunehmend schließt und verhärtet, um Sprit zu sparen. In Skandinavien, wo viele Züge in Doppelbesatzung 200.000 bis 250.000 Kilometer im Jahr fahren, wäre zum nächsten Winter ohnehin eine Runderneuerung fällig, die Nokian auch aktiv propagiert. Mehr noch: Neu entwickelte Laufstreifenprofile testen die Skandinavier teils zuerst in der Runderneuerung, bevor die beste Praxisoption dann zum Serienprofil neuer „Hakkapeliittas“ wird. Das ungewöhnliche Vorgehen begründet Stenberg auch mit der Praxisnähe. Ein Wert, der für die skandinavische „Transportbranchenfamilie“ wichtig ist. Große Fortschritte beim Rollwiderstand Da Stenberg davon ausgeht, dass das Reifenlabelling im Allgemeinen und der Rollwiderstand im Besonderen an Bedeutung gewinnen wird, bemühen sich die Entwickler im finnischen Ort Nokia bei allen neuen „Hau-drauf-Profilen“ natürlich in erster Linie, den Rollwiderstand zu senken. Außerdem erweitert Nokian sein Nutzfahrzeugprogramm kontinuierlich: Neu ist der Hakkapelitta Truck D für die Antriebsachse in 315/80 R 22,5 und, rechtzeitig zur Bauma, der Lenkachsreifen NTR 46 in 315/80 R 22,5 und 385/65 R 22,5. Starke Verbesserungen in Sachen Rollwiderstand gab es auch bei der neuen R2-Serie für SUV und Pickups, die im Vergleich zum besten Wettbewerber in Kriterien wie Grip oder Geräusch überall ein bisschen, beim Rollwiderstand aber dramatisch besser liegen soll. Für Grip, Nasshaftung und Laufleistung nutzt Nokian ähnliche Tricks wie alle Reifenhersteller: Dreidimensionale Waffellamellen stützen sich gegenseitig ab und Röhren, die unter Druck als „Pumpen“ arbeiten und Nässe förmlich aufsaugen sollen, sorgen für Grip. Als Clou setzen die Finnen der Mischung aber noch eine Art eines kristallinen Materials bei, das extrem widerstandsfähig ist und für eine permanente Rauigkeit des Profils sorgen soll – zur genauen Zusammensetzung wollte sich Matti Morri, technischer Service- und Kundenmanager, nicht äußern. Bei den PKW- und SUV-Reifen sind die Finnen übrigens schon weiter: Auch hier begannen sie Ende der Neunzigerjahre, Mitteleuropa mit Winterreifen zu versorgen. Mittlerweile bieten sie auch Sommerreifen an und gewannen damit den Auto-Bild-Sommerreifenvergleich 2013. Just am 13. März 2013 hat Nokian übrigens den Geschwindigkeitsrekord auf Eis auf 335,713 km/h hochgeschraubt. Nachdem Pirelli am 15. Februar 2011 Ambitionen zeigte, mit 330,695 km/h den einstigen Nokian-Rekord einzustellen. Da musste „Hakkapeliitta“ einfach mal wieder draufhauen... ❙❚■ Gregor Soller Durch das EU-Reifenlabel verlagert sich die Diskussion sehr stark Richtung Rollwiderstand