"Noch ein weiter Weg vor uns"

Ganze 147 Jahre lang war das Speditions- und Logistikunternehmen Hellmann Worldwide Logistics in Osnabrück von der Familie geführt worden. Spätestens Ende 2018 ist damit Schluss: Jost Hellmann, geschäftsführender Gesellschafter, scheidet dann aus dem Vorstand aus, und Thomas Knecht, der seit 2015 mit an Bord ist, führt als Vorsitzender des Vorstands das niedersächsische Speditions- und Logistikunternehmen. Ob Jost Hellmann diesen Schritt freiwillig geht, weiß man nicht, dazu gibt es offiziell keine Aussagen. Ebenso unklar ist, welche Rolle er bei Hellmann künftig einnehmen wird - ob rein beratend, oder ob er seinem Cousin Klaus Hellman, dem die andere Hälfte des Familienunternehmens gehört, in den Aufsichtsrat folgt. Fest steht: Mit dem Ausscheiden von Jost Hellmann endet eine Ära - mit ihm gibt der letzte Vertreter der Gründungsfamilie die operative Leitung der Firma ab. Überfällige Reorganisation Seit 1968 hatten Jost und Klaus Hellmann die Spedition geführt, wenngleich Letzterer schon Ende 2016 aus der Geschäftsführung schied. Die beiden haben Hellmann zu dem milliardenschweren Global Player gemacht, der das Unternehmen heute ist. Mit insgesamt über 13.000 Mitarbeitern in 162 Ländern und der gesamten Logistikpalette unterwegs: Sowohl in der See- und Luftfracht, im Landverkehr als auch in der Kontraktlogistik zählt Hellmann zu den Branchengrößen. Doch dieses starke organische Wachstum brachte dem Unternehmen auch Probleme, weil es letztlich nicht immer struktureffizient und stringent erfolgte, formuliert es CEO Knecht aus heutiger Sicht. So lag der Hellmann-Umsatz 2014 zwar bei 2,16 Milliarden Euro, trotzdem schrieb es damals 14,7 Millionen Euro Verlust. 2015 konnte es diesen zwar auf 4,82 Millionen Euro verringern. Aber es sah unterm Strich nicht gut aus für die Osnabrücker: "Bei Hellmann brennt die Hütte", hieß es damals in der Branche. 2015 zogen dann wohl die Banken die Reißleine, wie gemunkelt wurde, und setzten mit Thomas Knecht einen Ex-Investmentbanker und Ex-Roland-Berger-Restrukturierungsexperten als Vorsitzenden der Geschäftsführung durch. "Diese Reorganisation war überfällig. Von außen betrachtet war sie zumindest ein Erfolg", formuliert es ein Branchen- und Hellmann-Kenner, der namentlich nicht genannt werden will. Und mittlerweile trägt Knechts straffer Kurs zumindest erste Früchte: Das Vorsteuer-Ergebnis (EBT) von Hellmann lag im vergangenen Jahr bei 22,2 Millionen Euro und damit 37 Prozent höher als 2016. Und beim Gesamtumsatz legte Hellmann um sieben Prozent auf 3,2 Milliarden Euro zu, führt Thomas Knecht gegenüber der VerkehrsRundschau aus (siehe Kasten Seite 19). "Wir haben ein gutes Ergebnis erzielt", sagt er, betont aber im gleichen Atemzug, dass Hellmann damit noch nicht alle Ziele erreicht habe, die man sich im Zuge der Restrukturierung vorgenommen habe. "Unser Ziel ist eine EBIT-Marge von jenseits drei Prozent. Heute machen wir knapp unter zwei Prozent", sagt der CEO. Über 200 Optimierungs-Maßnahmen Auch die EBIT-Marge sei noch zu niedrig, weil die Kosten in der Leistungserbringung zu hoch seien. Das meint zumindest der Branchen- und Hellmann-Kenner. Da habe lange die Transparenz gefehlt: "Wenn man nicht weiß, wie viel Kosten für die Erstellung bestimmter Leistungen entstehen, kann man das nicht managen. Bei einer Größenordnung von mehreren Milliarden Euro Umsatz ist das ein Problem", erklärt er. Fest steht aber auch: Das Unternehmen Hellmann hat im vergangenen Geschäftsjahr strukturell viel getan. Mehr als 200 Optimierungs-Maßnahmen umfasste das gesamte Programm, führte Knecht vor einem Jahr im Gespräch aus (siehe VR24/2017). Noch ist nicht jede Maßnahme vollumfänglich umgesetzt, fallweise befindet man sich noch mittendrin. Der wichtigste Schritt aber: Die Überführung der Geschäftsfelder Road & Rail, Air & Sea sowie Contract Logistics in Teilkonzerne sowie die Umfirmierung von der GmbH & Co. KG in eine Hellmann SE & Co. KG sind laut Knecht mittlerweile umgesetzt. "Wir haben dadurch die Strukturen professionalisiert und Governance samt klarer Zuordnung der Overhead-Kosten auf die einzelnen Bereiche erreicht." Die einzelnen Gesellschaften werden nun von je einem COO mit klarer Verantwortlichkeit geführt. Führungskräfte entscheiden mehr Der Weg dorthin war kein Zuckerschlecken. So waren Knecht zufolge unter der Gesellschaft Hellmann GmbH & Co. KG rund 190 Legal-Einheiten und Beteiligungen gesammelt worden - auch weil Hellmann in den letzten Jahrzehnten stark organisch gewachsen war. "Wir mussten Transparenz in diese 190 Legal-Einheiten und Beteiligungen bringen, aber auch Steuerbarkeit. Und diese Steuerbarkeit funktioniert nur, wenn man den Führungskräften dieser Legal-Einheiten auch Entscheidungskompetenzen einräumt", erklärt Knecht. "Die Menschen müssen für ihr Tun verantwortlich sein - im Guten wie im Schlechten. Das unterscheidet sicher den Führungsstil eines Gesellschafters von einem familienfremden Manager, der an seinen Ergebnissen gemessen wird. Das war für die Führungskräfte eine neue Geisteshaltung, aber dieses Umdenken war erforderlich", sagt der CEO. Und in dieses "Knäuel" der Legal-Einheiten schob man dann, um Knecht zu zitieren, die drei Sparten Road & Rail, Air & Sea und Contract Logistics. "Das war kein einfacher Prozess", räumt er ein. "Wir hatten da gesellschaftsrechtliche und steuerliche Themen - allein der Schriftwechsel mit den Behörden hat so viele Ordner generiert, dass wir damit eine ganze Schrankwand füllen." Auch dieser Schritt sei nun abgeschlossen. Und noch in diesem Jahr sollen alle weiteren internationalen Konzerngesellschaften den drei Spartengesellschaften zugeordnet werden. Sprich: Die Spartenstruktur wird auch global umgesetzt - mit dem Ziel, die Struktur weiter zu vereinfachen, erklärt Knecht. Damit nicht genug: Auch ein großes "Change"-Projekt in Sachen operative Exzellenz und Performance (Leistungsfähigkeit) ist aktuell aufgelegt worden. So wurde im Bereich See- und Luftfracht der Wertschöpfungsprozess in 39 Prozessschritte unterteilt. Knecht zufolge bietet diese neue Transparenz nur Vorteile: "Wir wissen nun, welcher dieser Prozessschritte sich digitalisieren lässt, wo wir disruptive Technologien im Einsatz haben, in welchen Bereichen wir fallweise den Prozess standardisieren und damit effizienter machen müssen." In den USA habe dies Hellmann bereits 2017 umgesetzt und konnte so laut dem CEO "das Ergebnis dramatisch steigern". Alles das zeigt: Hellmann ist in Bewegung, letztlich aber geplant. "Wir erledigen die Hausaufgaben, die wir seit zehn Jahren hätten machen müssen, erst jetzt", räumte Jost Hellmann vor einem Jahr ein (siehe VR24/17). Es spricht viel dafür, dass die Weichen richtig gestellt werden - auch im Sinne einer möglichen fünften Hellmann-Generation. Ob die dann noch mal ans Ruder will, wird die Zeit weisen. Mehr dazu im Dossier Hellmann Worldwide Logistics www.verkehrsrundschau.de/dossiers Daten & Fakten Hellmann Worldwide Logistics Das Speditions- und Logistikunternehmen Hellmann Worldwide Logistics wurde 1871 in Osnabrück gegründet. 2017 beschäftigte das Unternehmen weltweit nach eigenen Angaben 13.074 Mitarbeiter, davon in Deutschland an 46 Standorten 4612 Mitarbeiter. Der Umsatz lag im vergangenen Geschäftsjahr bei 3,2 Milliarden Euro. Hellmann bietet Logistik, Gütertransport auf der Straße, Schiene, Schiff und Flugzeug, sowie IT-Lösungen, Warehousing, Consulting und Entsorgungsdienstleistung. Das Unternehmen ist Gesellschafter der Stückgut-Kooperationen System Alliance und System Alliance Europe. eh

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