Die Verhandlungen in der Ampel-Koalition über den Haushalt 2025 sind beendet: Die Spitzen der Ampel-Koalition haben einen neuen Kompromiss zum Bundeshaushalt für das kommende Jahr gefunden. Das teilte ein Regierungssprecher am Freitagnachmittag, den 16. August mit. "Die Vorgaben der Schuldenbremse des Grundgesetzes werden weiterhin eingehalten, eine Umgehung findet nicht statt." Die Einigung sieht im Kern Umschichtungen von Geldern für die bundeseigene Deutsche Bahn vor.
Bei den Verhandlungen ging es darum, noch verbliebene milliardenschwere Lücken im Haushaltsentwurf zu schließen. Vertreter der Bundesregierung hatten eine Einigung bis Ende der Woche in Aussicht gestellt. Der vom Kabinett beschlossene Entwurf geht dann ans Parlament - die Abgeordneten brauchen Zeit, das über Tausend Seiten umfassende Dokument durchzuarbeiten. Der Haushalt soll nach derzeitigem Stand in einer Haushaltswoche vom 10. September an zum ersten Mal im Bundestag beraten und dann im Spätherbst beschlossen werden.
Nach Angaben der Bundesregierung wird durch die jetzt erzielte Einigung die sogenannte globale Minderausgabe um insgesamt rund 5 Milliarden Euro auf dann noch rund 12 Milliarden Euro verringert. Die Regierung geht davon aus, dass sich rund 0,5 Milliarden Euro davon durch die wirtschaftliche Entwicklung ergeben werden. Das ist faktisch eine Lücke im Haushalt. Dem Parlament steht nun eine vergleichsweise große Aufgabe bevor in den Beratungen zum Haushalt, weil die globale Minderausgabe deutlich größer ist als üblich.
Anfang Juli hatten Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) bereits einmal eine Einigung über den Etat für 2025 verkündet. Wochenlang hatten sie zuvor darum gerungen, eine Lücke von mindestens 30 Milliarden Euro zu stopfen. Dann sollte das ohne allzu harte Sparmaßnahmen gelungen sein.
Milliardenschwere Lücke
Die Bundesregierung hatte in ihrem im Juli vorgestellten Entwurf mit einer sogenannten Minderausgabe von rund 17 Milliarden Euro geplant. Dabei geht die Bundesregierung davon aus, dass die Ministerien ohnehin nicht das gesamte Geld in dem Jahr ausgeben werden - zum Beispiel, weil sich Projekte verzögern. Das Vorgehen ist durchaus üblich, die Summe aber sehr hoch.
Deswegen sollte diese Lücke geschlossen werden, und zwar um rund acht Milliarden Euro. Dazu gab es Prüfaufträge, ob die Bahn und die Autobahngesellschaft kreditfinanzierte Darlehen statt direkte Zuschüsse aus dem Haushalt bekommen sollen. Daneben ging es um Gelder bei der staatlichen Förderbank KfW.
Warum die Nachverhandlungen zum Haushalt?
Lindner hatte bereits nach der Einigung deutlich gemacht, es gebe rechtliche und wirtschaftliche Bedenken, ob alle für eine Lösung ins Auge gefassten Vorhaben auch umsetzbar seien. Nachdem zwei Gutachten die Zweifel in Teilen bestätigt hatten, verwarfen die Koalitionäre die Idee, 4,9 Milliarden Euro der KfW statt für die Gaspreisbremse im Haushalt zu anderen Zwecken einzusetzen.
Umstritten war auch, ob Bahn und Autobahngesellschaft unterstützt werden können, ohne dass dies auf die Schuldenbremse angerechnet werden muss. Hier waren Lindner und Scholz unterschiedlicher Meinung - deswegen kam es nun zu Nachverhandlungen. Die Rede war davon, dass noch eine Lücke von fünf Milliarden Euro geschlossen werden muss.
Mehr Eigenkapital für die Bahn gleich steigende Trassenpreise: Wird der Güterverkehr ausgebremst?
Laut der Einigung erhält der bundeseigene Konzern eine zusätzliche Eigenkapitalspritze von mehreren Milliarden Euro. Eine solche finanzielle Transaktion würde nicht auf die Schuldenbremse angerechnet.
Bisher war 2025 eine Eigenkapitalerhöhung von rund 5,9 Milliarden Euro vorgesehen, damit sollte die Bahn Investitionen zur Sanierung des maroden Schienennetzes vornehmen.
Um den hohen Investitionsbedarf der Bahn zu decken, hat sich die Ampel nun darauf geeinigt, im Haushalt 2025 Investitionsmittel in Höhe von insgesamt 15,1 Milliarden Euro für die Schieneninfrastruktur vorzusehen.
Neben der bisher schon enthaltenen Eigenkapitalerhöhung in Höhe von 5,9 Milliarden Euro stellt der Bund laut Mitteilung des Sprechers der Bahn weitere 4,5 Milliarden Euro für eine Erhöhung des Eigenkapitals zur Verfügung. Darüber hinaus sollen 4,7 Milliarden Euro an Zuschüssen hinzukommen. Außerdem soll der Bahn ein Darlehen des Bundes in Höhe von drei Milliarden Euro gewährt werden, um am Markt begebene Anleihen für die Infrastruktur abzulösen.
Mehr Eigenkapital für die Bahn würde weiter steigende Trassenpreise bedeuten - das sind Gebühren für Nutzung des Schienennetzes, eine Art Schienenmaut. Befürchtet wird, dass höhere Kosten eine Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene ausbremst.
Kritik vom Verband
(Aktualisierung vom 16. August 18:30 Uhr)
„Der Rettungsversuch der Ampel-Spitzen für einen schuldenbremsenkonformen Bundeshaushalt wird Millionen Verlierer haben. Die desaströse Vereinbarung verschweigt die kostentreibenden Folgen für die Eisenbahnkunden im Personen- und Güterverkehr“, äußerte sich Neele Wesseln, Geschäftsführerin vom Verband Die Güterbahnen zum Kompromiss.
Über steigende Trassenpreise würden die Kunden und nicht die gesamte Gesellschaft Ersatz und Ausbau des Schienennetzes finanzieren. Ursache dafür sei der Austausch der eingeplanten Baukostenzuschüsse gegen Eigenkapitalzuführungen. Die unverändert vom Bund mit Baukostenzuschüssen finanzierte Straßeninfrastruktur werde im Vergleich zur Schiene in der Folge noch günstiger. Sie nennt Zahlen: „Mit jeder Milliarde zusätzlichem Eigenkapital kann die DB InfraGO jedes Jahr 59 Millionen Euro zusätzliche Trassenpreise verlangen."
Auch das geplante Bundesdarlehen sieht sie kritisch. Zur Tilgung und für eventuelle Zinsen seien noch höherer Trassenpreise erforderlich. „Da die DB aus ihren Unternehmensanleihen keine Schieneninfrastrukturinvestitionen, sondern vor allem Züge für ihre Verkehrsunternehmen finanziert hat, diskriminiert die Regierung außerdem mit diesem Vorgehen alle Eisenbahnen jenseits des DB-Konzerns."
(Update Ende)
Keine Änderung bei Autobahn GmbH
(Aktualisierung vom 16. August, 17:52 Uhr)
Die Idee von Darlehen für die bundeseigene Autobahngesellschaft ist vom Tisch. Denn dafür wären eigene Einnahmen der Autobahn GmbH nötig, die sie derzeit nicht hat. Generell möglich wäre, dass die Autobahn GmbH einen Teil der Einnahmen aus der Lkw-Maut bekommt. Die Rede war nun davon, es brauche für Änderungen bei der Finanzierung der Autobahn GmbH eine "vertiefte Debatte".
Laut des bisherigen Entwurfs will die Ampel im kommenden Jahr mehr als 480 Milliarden Euro ausgeben, fast ein Zehntel davon auf Kredit. Doch sicher ist das auch weiterhin nicht.
Denn beschlossen wird ein Bundeshaushalt nicht von der Regierung, sondern vom Parlament. Die Haushälter im Bundestag nehmen bis zum Beschluss kurz vor Weihnachten für gewöhnlich noch eine ganze Reihe an Änderungen vor - und nehmen teils auch von der Regierung vorgesehene Kürzungen wieder zurück. Die Ampel-Koalition will zugleich mit einem Maßnahmenpaket die taumelnde Wirtschaft wieder ankurbeln, Sozialleistungen erhalten, Steuerzahler entlasten und der angespannten internationalen Sicherheitslage gerecht werden.
Der Chefhaushälter der Union, Christian Haase, sagte: "Diese Regierung hat erneut ein unwürdiges Schauspiel abgeliefert. Über Monate führt sie einen Eiertanz zum Haushalt auf, um dann in einem zweiten Anlauf etwas zu präsentieren, dass weiterhin verfassungsrechtlich höchst zweifelhaft ist." Der Regierung fehle offensichtlich die Kraft für einen soliden Haushalt. "Deutschlands Zustand ist der eines kranken Patienten, dem leider die richtige Medizin fehlt."
Auch aus der eigenen Koalition kam Kritik an den Verhandlern: Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch sagte der dpa: "Das Hin und Her zwischen Finanzminister und Kanzler war völlig überflüssig. Niemand in Deutschland hat Lust auf diesen Hickhack."
Kritik an der Minderausgabe
(Update 19.August, 10 Uhr)
Die mühsam errungene Einigung der Ampel-Regierung zum Bundeshaushalt 2025 stößt nicht nur bei der Opposition, sondern auch bei Beobachtern auf Kritik.
Für rechtlich riskant hält sie der Münchner Staatsrechtler Stefan Korioth. Als "das größte Problem bei diesem Kompromiss" sieht er die hohe globale Minderausgabe an, also die Annahme, dass 12 Milliarden Euro zwar verplant, am Ende voraussichtlich aber doch nicht ausgegeben werden. Dieses Instrument sei zwar üblich, aber nicht in der Höhe, sagte er dem "Tagesspiegel". Es sei unklar, von welchen Erfahrungswerten die Koalition hier ausgehe. "Und daher stellt sich die Frage, ob hier nicht einfach eine Unterdeckung verschleiert werden soll", so Korioth.
Die 12-Milliarden-Euro-Lücke ist die größte in einem Regierungsentwurf für den Bundesetat in den vergangenen zwanzig Jahren. Das geht aus einer Auskunft des Bundesfinanzministeriums an den Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Alexander Dobrindt, hervor, über die die "Bild am Sonntag" berichtete. Das Dokument liegt auch der Deutschen Presse-Agentur vor. 2004, von 2007 bis 2013 sowie von 2015 bis 2017 hatte die Bundesregierung sogar einen Entwurf ohne Lücke an den Bundestag gegeben. "Unseriöse Haushaltspolitik ist zum Markenzeichen der Ampel geworden", sagte Dobrindt der Zeitung.
Grünen-Chef Omid Nouripour hingegen wertete die Aufgaben beim Haushalt im ARD-Sommerinterview als machbar. Die verbleibende Finanzierungslücke sei "ein Bruchteil dessen, was im Haushalt an und für sich steht".