Nachfolger zahlen drauf

Generationswechsel mit Hindernissen: Einen Nachfolger zu finden oder den Junior dafür zu begeistern, in die väterlichen Fußstapfen zu treten, ist für alternde Geschäftsführer eines Speditions-, Transport- und Logistikunternehmens nicht einfach. Spätestens ab Sommer nächstes Jahres wird es noch schwieriger. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) plant höhere Hürden für die Steuerverschonung beim Vererben und Verschenken von Betriebsvermögen. Vergangenen Dezember hatte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entschieden, dass das Erbschaftssteuer- und Schenkungssteuergesetz (ErbStG) teilweise gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstößt. Nun hat der Bundesfinanzminister einen Entwurf für eine Gesetzesänderung vorgelegt, der "auf eine verfassungsgemäße Ausgestaltung der Verschonung betrieblichen Vermögens und damit auf eine verfassungskonforme Erhebung der Erbschaft- und Schenkungssteuer" zielt. Neue Steuergrenze bei drei Mitarbeitern Bislang belohnt der Gesetzgeber Erben und Beschenkte - der Referentenentwurf nennt sie Erwerber - die sich langfristig an das übernommene Unternehmen binden und die Gesamtsumme der jährlichen Lohnzahlungen beibehalten (siehe Kasten). Nach dem Referentenentwurf des Schäuble-Ressorts soll zwar eine Steuerbefreiung weiter möglich sein, wenn eine bestimmte Zahl an Arbeitsplätzen (gemessen an der Lohnsumme) über mehrere Jahre erhalten wird. Statt der bisherigen 20-Mitarbeiter-Grenze für die Verschonung will das Bundesfinanzministerium aber eine Grenze von bis zu drei Mitarbeitern vorgeben. Bis zu dieser Größenordnung sollen Erwerber von Betriebsvermögen keine Steuer bezahlen müssen. Damit wird die Ausnahme auf relativ wenige Betriebsübergänge beschränkt. "Viele Erwerber kleiner und mittelständischer Unternehmen müssen dann dieselben Nachweise erbringen wie etwa Erben großer Betriebsvermögen", erklärt Carola Ritterbach, Rechtsanwältin in der Kanzlei Brennecke & Partner in Karlsruhe. Dies sei für diese eine erhebliche Belastung. "Vor allem in der Buchhaltung entsteht Mehraufwand", sagt sie. Mit einem Blick in die Gewinn- und Verlustrechnung ist es künftig nämlich nicht mehr getan, da bei der Lohnsummenermittlung nicht nur die Brutto-Gehälter maßgeblich sind, sondern noch andere Vergütungsbestandteile zu beachten sind. Außerdem gibt es am Ende des fünf- oder siebenjährigen Zeitraums eine Meldepflicht. Ritterbach empfiehlt bei Unternehmen mit bis zu 20 Mitarbeitern, künftig auch unterjährig zu ermitteln, ob sie die Voraussetzungen für die steuerfreie Übertragung von Betriebsvermögen erfüllen. Bei vier bis zehn Arbeitnehmern soll es immerhin flexible Vorgaben bei der Lohnsummenregel geben. Die Mindestlohnsumme soll bei der Regelverschonung von bisher 400 auf künftig 250 Prozent beziehungsweise bei der Verschonungsoption von 700 auf 500 Prozent sinken. Liegt die Summe aller Vergütungen während der jeweiligen Behaltensfrist darunter, verringert sich der gewährte Steuerrabatt rückwirkend in demselben prozentualen Umfang, wie die Mindestlohnsumme unterschritten wurde. Damit sich Betriebsaufspaltungen nicht auf die Mindestlohnsumme insgesamt auswirken, sollen die Lohnsummen und die Zahl der Beschäftigten in solchen Fällen zusammengerechnet werden. "Trotz der niedrigeren Mindestlohnsummen sind die Anforderungen bei vier bis zehn Mitarbeitern deutlich höher", erklärt Ritterbach. Die Bedingung, Unternehmen nach der Übertragung fünf beziehungsweise sieben Jahre fortführen zu müssen, sei angesichts des volatilen Marktumfelds und der hohen Insolvenzquote im Speditions-, Transport- und Logistikgewerbe eine Herausforderung, betont die Rechtsanwältin. Nachweispflicht bei großen Vermögen Die Karlsruher Richter fordern zudem, dass Erwerber von größeren Betriebsvermögen nur dann verschont werden dürfen, wenn sie in einer Bedürfnisprüfung nachweisen, dass sie persönlich nicht in der Lage sind, die Steuer aus ihren verfügbaren Nettovermögen zu begleichen. Hier ist es eine Freigrenze von 20 Millionen Euro je Erbfall oder Schenkung vorgesehen. Unterhalb dieser Schwelle bleibt es bei der bisherigen Steuerbefreiung, wenn das erworbene Unternehmen wie gehabt einige Jahre fortgeführt wird und die Jobs erhalten bleiben. "Hat der Erwerber genügend übrige Mittel zur Verfügung, um die auf das begünstigte Vermögen entfallende Steuerlast zu tragen, scheidet eine Verschonung aus", heißt es in dem Referentenentwurf. Demnach erhöht sich jedoch die Freigrenze auf 40 Millionen Euro, "wenn bestimmte qualitative Merkmale in den Gesellschaftsverträgen oder Satzungen vorliegen". Gemeint sind Kapitalbindungen der Eigner wie ein Ausschüttungsverbot. Unter gewissen Voraussetzungen kann die Steuer auch gestundet werden - zum Beispiel, wenn der Erbe oder der Beschenkte dafür einen Kredit aufnehmen müsste. Erwerber können Steuermodell wählen Neu ist eine Wahlmöglichkeit: Wer die Einbeziehung des Privatvermögens nicht will, kann stattdessen auf ein Abschmelzmodell zurückgreifen. Dafür muss man einen Antrag auf Gewährung eines Verschonungsabschlags stellen: In einem Korridor zwischen 20 Millionen bis 110 Millionen Euro begünstigten Betriebsvermögens schmilzt dieser Abschlag schrittweise um einen Prozentpunkt je 1,5 Millionen Euro. "Beträgt das Vermögen mehr als 110 Millionen Euro, sind davon bei der Regelverschonung nur noch 25 Prozent und bei der Optionsverschonung nur noch 40 Prozent steuerfrei", erklärt Stephanie Thomas, Rechtsanwältin und Steuerberaterin der Kanzlei Wirtz, Walter, Schmitz aus Mönchengladbach. Der Bundesfinanzminister will Steuervorteile übrigens auf das Vermögen begrenzen, das dem Hauptzweck nach überwiegend der Ausübung einer gewerblichen Tätigkeit dient. "Nicht begünstigtes Vermögen bleibt nur steuerfrei, wenn es bis zu maximal zehn Prozent des begünstigten Betriebsvermögens ausmacht. Andernfalls hält der Fiskus die Hand auf", sagt Thomas. Die Differenzierung nach dem Anteil des Verwaltungsvermögens innerhalb des betrieblichen Vermögens gibt der Gesetzgeber auf. Mit Übertragung nicht zu lange zögern Auch wenn sich im Gesetzgebungsverfahren noch etwas ändern kann, ist aus der Sicht von Stephanie Thomas absehbar, dass künftig weniger Erwerber in den Genuss von Steuervorteilen kommen. Zudem werde der Kreis derjenigen erweitert, die für Erleichterungen strikte Bedingungen erfüllen müssen. "Trotz ungewisser Rahmenbedingungen ist Untätigkeit die schlechteste Option", mahnt die Expertin. Wer sich mit Ausstiegsgedanken trage, solle sich eher mit seinem Steuerberater sorgfältig auf alle denkbaren Szenarien vorbereiten. In vielen Fällen sei eine vorgezogene Unternehmensübertragung reizvoll. "Gerade inhabergeführte Unternehmen mit einem Juniorchef sollten sich mit dieser Option befassen." Der Gesetzgeber muss die Reform der steuerprivilegierten Übertragung von Betriebsvermögen bis spätestens 30. Juni 2016 verabschieden. Wer Betriebsvermögen verschenkt oder vererbt, sollte sich mit einem Widerrufsvorbehalt im Übergabevertrag für den Fall absichern, dass die Änderungen doch noch rückwirkend zum 17. Dezember 2014, also dem Tag der Urteilsverkündung, in Kraft treten, rät Thomas. Der Vorteil daran: "Wenn die erhofften steuerlichen Vorteile ausleiben, können Firmenchefs gegebenenfalls ihre Unternehmensanteile zurückfordern." Diese Regeln gelten bisher Betriebsvermögen steuerfrei vererben oder verschenken Für Unternehmensnachfolger gibt es derzeit zwei Varianten, sich von der Erbschafts- und Schenkungssteuer zu befreien: die Regelverschonung und die Verschonungsoption. Voraussetzung in beiden Fällen ist, dass der Betrieb für eine bestimmte Zeit fortgeführt wird (Behaltensfrist). Bei der Regelverschonung für fünf Jahre, bei der Verschonungsoption für sieben Jahre.Bei der Regelverschonung sind nur 15 Prozent des Wertes des Betriebsvermögens steuerpflichtig, sofern die Summe aller Löhne und Gehälter sowie anderer Bezüge innerhalb von fünf Jahren mindestens 400 Prozent der Ausgangslohnsumme beträgt. Maßgeblich ist die durchschnittliche Lohnsumme der letzten fünf Jahre vor der Unternehmensübertragung. Die 15 Prozent des Wertes des begünstigten Betriebsvermögens sind bei diesem Modell sofort zu versteuern.Bei der Verschonungsoption darf das Betriebsvermögen sogar komplett steuerfrei vererbtoder verschenkt werden. Der Unternehmensnachfolger muss dabei innerhalb von sieben Jahre eine Mindestlohnsumme von 700 Prozent erreichen. Begünstigtes Betriebsvermögen liegt bisher aber nur vor, wenn das Betriebsvermögen zu höchstens 50 Prozent (Regelverschonung) beziehungsweise zu maximal 10 Prozent (Verschonungsoption) aus Verwaltungsvermögen (zum Beispiel vermietete Immobilien oder Wertpapiere) besteht.Nach den vorgeschriebenen fünf beziehungsweise sieben Jahren kann der Erbe oder Beschenkte ohne steuerliche Konsequenzen Teile des Unternehmens verkaufen, Mitarbeiter entlassen oder Geld privat entnehmen. Betriebe mit maximal 20 Mitarbeitern hat der Gesetzgeber aktuell von allen Auflagen befreit. Das bedeutet, dass bei ihnen nicht kontrolliert wird, ob und in welchem Umfang sie Arbeitsplätze erhalten. ag

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