Paris. Während in Brüssel über das Mobilitätspaket verhandelt wird, spezialisieren sich osteuropäische Transporteure, insbesondere aus Polen, Rumänien und Bulgarien, auf Kabotageleistungen Richtung Westeuropa. Polen steht kurz davor, in diesem Bereich den bisher von Deutschland gehaltenen ersten Platz einzunehmen. Dies geht aus einer europaweit angelegten Studie des paritätisch besetzten Pariser Straßengütertransport-Beobachters CNR hervor. Sie spricht von einer wahren Kabotage-Explosion. Vor zwei Jahren ermittelte das CNR einen Zuwachs um 20,9 Prozent. Gefördert wurde die Entwicklung auch dadurch, dass sich der europäische Transportmarkt seit 2015 peu-à-peu von der Krise erholt hat und ein Jahr später einen Mengenzuwachs um 4,6 Prozent verzeichnete - laut CNR eines der besten Ergebnisse seit der Jahrtausendwende. Am stärksten zugelegt hat der internationale Verkehr mit plus 6,4 Prozent. Die Binnenmärkte verzeichneten demgegenüber nur einen Anstieg um 3,6 Prozent.
35 Prozent der Straßengütertransporte in der EU entfielen vor zwei Jahren auf den internationalen Bereich. Er profitierte insbesondere vom Warenfluss zwischen Drittländern mit plus 11,9 Prozent und dem Kabotageverkehr, für dessen Entwicklung die CNR-Studie einen „explosionsartigen Anstieg“ konstatiert. Dieser ist jedoch ungleich verteilt. Denn das „Europa der 15” hat bei der Kabotage zwei Prozent eingebüsst, während die neuen EU-Länder in Osteuropa einen Zuwachs um 36 Prozent aufwiesen. Hier konnte Polen seine führende Position konsolidieren und kam auf einen Anstieg um 35,8 Prozent, womit auf die dortigen Transportunternehmen ein Drittel aller Kabotageleistungen in der Europäischen Gemeinschaft entfallen.
An zweiter und dritter Position lagen 2015 Rumänien und Bulgarien mit Marktanteilen von acht und sieben Prozent und einer Zuwachsrate um mehr als 70 Prozent. Erst danach folgen Spanien und die Niederlande. Kabotage sei inzwischen längst nicht mehr nur eine verschwindend geringe Aktivität, kommentiert das CNR seine Untersuchungsergebnisse. Sie stelle „mittlerweile für bestimmte Länder einen realen Markt dar” Hier würden Kabotageleistungen in die Organisation von europaweiten Transporttouren integriert.
Frankreich als wichtiges Kabotageziel
Das besondere Interesse der Franzosen am Kabotagethema erhellt daraus, dass ihr Land vierzigmal stärker das Ziel solcher Transporte ist als es selbst welche praktiziert. 93 Prozent der von heimischen Transporteuren getätigten Leistungen betrafen ausschliesslich den eigenen Binnenmarkt. Polen dagegen kabotiert 73 Mal mehr als es selbst das Transportziel ist.
Harte Preiskämpfe
Bei ihrer Fixierung auf die internationalen Märkte liefern sich die Ostländer harte Preiskämpfe, wobei sie von ihren Regierungen wie beispielsweise der polnischen unterstützt werden. „Diese Länder wollen den Markt nicht nur dominieren, um ihre eigenen Regeln im Straßengütertransport durchzusetzen, sondern auch im Handelsverkehr zwischen EU-Mitgliedsstaaten, warnt der CNR-Bericht. Bei dem massiven Tarifwettbewerb befinden jedoch schon andere Osteuropaländer wie Tschechien, Lettland und Ungarn auf der Verliererseite und haben Marktanteile eingebüsst. (jb)