Gruibingen. Es war einmal. Da war genug Platz auf Deutschlands erklärtermaßen „schönster Autobahnstrecke”. Stressfrei rollten VW Käfer und Opel Kapitän, Busse und Brummis den Albaufstieg der A 8 herauf oder den -abstieg herunter. In malerischer Landschaft über zwei Fahrbahnen, die - eine seltene Besonderheit im deutschen Autobahnbau - auf zwei parallel verlaufende Berg- und Talabschnitte verteilt sind. Fünf Jahrzehnte danach sind auf dieser Strecke nahe Filstal und Drackensteiner Hang pro Tag rund 70.000 Fahrzeuge unterwegs. Meistens Stoßstange an Stoßstange.
Hauptgrund: Auf beiden Seiten verengt sich die inzwischen teils sechsstreifig ausgebaute A 8 auf die zwei engen Fahrspuren, deren Bau 1937 (Abstieg) und 1957 (Aufstieg) fertiggestellt worden waren. Deutschlands schönste Staustrecke - das Nadelöhr der A 8 wäre ein herausragender Anwärter auf diesen Titel. Längst nicht allein zum Leidwesen der Autobahnbenutzer, sondern mehr noch der Menschen in den umliegenden Gemeinden.
„Mindestens drei Mal in der Woche gibt es richtig große A8-Staus, und wir haben dann den ganzen Ausweichverkehr im Ort”, klagt der Bürgermeister von Gruibingen, Roland Schweikert (parteilos). „Dann kommt man kaum noch aus einer Seitenstraße raus, und bis man es über die Ampel vor Mühlhausen (2,5 Kilometer entfernt) geschafft hat, ist eine Dreiviertelstunde vergangen.”
Ähnlich wie in Gruibingen am Nordende des Albaufstiegs sieht es in Hohenstadt am Südende aus. „Wir leiden genauso am Stauverkehr”, sagt Hohenstadts Bürgermeister Günter Riebort (parteilos). Ebenso wie Schweikert fordert er: „Es muss etwas geschehen, der Neubau muss endlich beginnen.”
Dringendes Infrastrukturprojekt
Im Verkehrsministerium in Stuttgart scheinen die Kommunalpolitiker damit inzwischen offene Türen einzurennen: „Der Neubau des Albaufstiegs ist eines der dringlichsten Infrastrukturprojekte in Baden-Württemberg”, sagt Ministerialdirektor Uwe Lahl. „Er muss so schnell wie möglich angegangen werden.”
Pläne für eine neue, sechsstreifige A 8-Trasse zwischen den Anschlussstellen Mühlhausen im Norden und der Höhe Widderstall im Süden lagen schon seit 2005 weitgehend fertig in den Schubladen. Umstritten war lange Zeit die Finanzierung. Jahre vergingen, ehe der Bund Gedanken an eine Mautstraße oder eine private Trägergesellschaft aufgab.
Endlich, im Oktober 2018, verkündete Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne): „Ich freue mich sehr, dass der Bund nun abschließend entschieden hat, den Albaufstieg konventionell, das heißt mit Bundesmitteln, zu finanzieren und zu bauen.” Geschätzte Kosten: 603 Millionen Euro. Für die Ausführungsplanung, die Ausschreibung und die Vergabe der Hauptbauleistungen werden nach Angaben das Regierungspräsidiums Stuttgart etwa zwei Jahre benötigt. Die Bauzeit könne weitere fünf bis sechs Jahre betragen.
Rund 3000 Einwendungen
Irgendwann zwischen 2026 und 2027 könnte demnach der Verkehr zwischen Deutschlands Südmetropolen auch am Drackensteiner Hang reibungslos rollen. Immer vorausgesetzt, das Planfeststellungsverfahren wird noch in diesem Herbst abgeschlossen. Dieses Ziel hatte Minister Hermann vor einem Jahr gesetzt. Dass es noch zu halten ist, gilt längst als unwahrscheinlich. Mittlerweile sind rund 3000 Einwendungen erhoben worden - großteils durch Unterschriftenaktionen. Beschwerden beziehen sich unter anderem auf Lärmschutzpläne und die Gestaltung der Anschlussstelle Hohenstadt.
Fast schon eine Art Kulturkampf ist um die geplante Trassenführung entbrannt. Vor allem darum könnte es an diesem Donnerstag (26.9.) bei einem weiteren öffentlichen Erörterungstermin zu dem Bauprojekt in Gruibingen gehen. Auf dem Tisch liegt dabei auch die Forderung der Bürgerinitiative „A8 Drackensteiner Hang”, Abstand zu nehmen von der durch Bund und Land favorisierten sogenannten E-Trasse.
Dabei ist eine direkte Linie - mit zwei Tunneln und zwei Brücken - vorgesehen, durch die sich die Strecke um 3,8 auf 7,6 Kilometer verkürzen würde. Dagegen laufen die „Drackis”, wie sich die Mitglieder der Initiative nennen, Sturm. Die E-Trasse sei „mit der Mentalität «einfach geradeaus durch” gemacht worden», ohne Rücksicht auf Umweltbelange, sagt „Dracki”-Sprecher Michael Danner.
Die Bürgerinitiative tritt für die sogenannte K-Trasse ein, die vor langer Zeit durch ein Planungsbüro entwickelt worden war. Sie würde weitgehend der bisherigen Aufstiegsstraße folgen und mit nur einer neuen Brücke auskommen. Die im E-Projekt geplante Brücke über das Gosbachtal könne dessen Funktion als Frischluftschneise beinträchtigen. Auch unterschiedliche Prognosen zur Lärmbelastung spielen eine Rolle.
In Gruibingen und Hohenstadt hofft man, dass der „Trassenkampf” am Albaufstieg zugunsten der auch in Stuttgart favorisierten E-Trasse entschieden wird. „Vor allem aber muss das rasch geschehen”, sagt Roland Schweikert. „Denn wenn man jetzt nicht bald baut, gibt es die große Befürchtung, dass dann wiedermal kein Geld da ist.” (dpa)