Frankfurt/Main/Berlin. Millionen Bahnreisende müssen sich wegen des Lokführerstreiks auch am Freitag auf ein schmales Zugangebot einstellen. Die Bahn fährt am zweiten Tag des Ausstands wie am Vortag nach Ersatzfahrplänen.
Am Donnerstag waren rund ein Drittel der Personenzüge und die Hälfte der Güterzüge im Einsatz. Das soll in etwa auch am Freitag so sein. Im Fernverkehr sollen am Freitag 256 Züge rollen, unter normalen Umständen wären es 878, wie eine Bahn-Sprecherin sagte. Tags zuvor seien die Fern- und Regionalzüge oft nicht ausgelastet gewesen, weil offensichtlich viele Reisende auf andere Verkehrsmittel umgestiegen waren.
Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) hat ihre Mitglieder bis zum frühen Montagmorgen zum Streik aufgerufen. Der Bahn-Konzern hatte am Donnerstag vergeblich versucht, die Arbeitsniederlegung verbieten zu lassen. Das Frankfurter Arbeitsgericht lehnte aber einen Antrag auf eine einstweilige Verfügung ab.
Laut Gerichtsurteil verstößt der Arbeitskampf nicht gegen die Friedenspflicht und ist auch verhältnismäßig. Die Forderungen der GDL seien nicht widerrechtlich. Auch die Feierlichkeiten zum 9. November in Berlin seien durch den Streik nicht gefährdet. In einer Berufungsverhandlung am Freitag will die Bahn ihre Haltung dennoch durchsetzen. Das Landesarbeitsgericht Hessen wird voraussichtlich am Vormittag zusammentreten.
Dem Urteil waren stundenlange Verhandlungen über einen Vergleichsvorschlag der Arbeitsrichterin Ursula Schmidt vorausgegangen. Der Vergleich scheiterte letztlich daran, dass die GDL bereits in den Schlichtungsplan hineinschreiben wollte, dass es bei der Bahn verschiedene konkurrierende Tarifverträge geben könne. Das lehnte Bahn-Anwalt Thomas Ubber ab. „Wir können keine Ergebnisse der Tarifverhandlungen hier vor Gericht vorwegnehmen“, sagte er.
Zudem bedaure man, dass die GDL den Vorschlag abgelehnt habe, der eine Streikpause bis 17. November vorgesehen hätte. In dieser Zeit hätten GDL, die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) und Deutsche Bahn Gelegenheit gehabt, inhaltliche Verhandlungen vorzubereiten.
GDL erhöht den Druck
Die Lokführergewerkschaft will im Tarifkonflikt mit der Bahn den Druck erhöhen. Sie fordert für die Beschäftigten mehr Geld sowie eine kürzere Arbeitszeit und will neben den Lokführern vor allem auch das übrige Zugpersonal in Verhandlungen vertreten, für das bislang die EVG zuständig ist. Die Bahn will konkurrierende Tarifverträge einzelner Berufsgruppen verhindern.
Unions-Fraktionschef Volker Kauder signalisierte dafür Verständnis. Bei einem derart großen Unternehmen seien unterschiedliche Verträge für eine Gruppe von Beschäftigten kaum zu handhaben, betonte er in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Freitag). Der CDU-Politiker sieht die Streikfront bei der Lokführer-Gewerkschaft bröckeln: „Mehr und mehr Lokführer merken doch, dass sie für einen Machtkampf missbraucht werden, in dem es längst nicht mehr um ihre Interessen geht.“
Kauder warnte davor, wegen des Streiks in Deutschland „eine Krise herbeizureden“. Die Streiktage seien nach wie vor verhältnismäßig gering. Die Gewerkschaften gingen meist verantwortungsvoll mit dem Streikrecht um. „Nichts ist aus den Fugen geraten, aber ärgerlich ist es schon“, sagte er. (dpa)