Brüssel. Der Beschluss des Verkehrsausschusses im EU-Parlament, die Frage nach grenzüberschreitenden Fahrten von Lang-LKW nicht zu entscheiden, sondern die EU-Kommission zunächst mit einer ordentlichen Folgenabschätzung zu beauftragen, verteidigen die Ausschussmitglieder mehrheitlich als guten Kompromiss und als Sieg der Demokratie gegen eine unrechtmäßige Entscheidungen von EU-Verkehrskommissar Siim Kallas. Branchenverbände kommentieren vor allem die neuen Regeln für die Vergrößerung der Fahrerhäuser. Dem Lob vom Umweltverband Transport & Environment (T&E) und dem Europäischen Verkehrssicherheitsrat (ETSC) steht die Kritik des Verbands der Europäischen Fahrzeughersteller ACEA gegenüber.
Kallas hat das Ergebnis bisher nicht kommentiert
„Das ist eine schwere Niederlage für Kallas“, zeigte der österreichische Sozialdemokrat Jörg Leichtfried, Berichterstatter für die Gesetzesänderungsvorschläge, auch nach der Abstimmung noch kämpferisch gegen den EU-Kommissar. Den Kompromiss bezeichnete Leichtfried als „sehr gut“. Kallas selbst kommentierte die Abstimmung gestern nicht.
„Megatrucks, nicht mit uns“, schreibt auch der SPD-Abgeordnete Ismail Ertug in einer Pressemitteilung. „Es gibt im Straßengüterverkehr aktuell dringendere Herausforderungen als die Diskussion um Megatrucks. Besonders die Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen von Berufskraftfahrern sowie eine erhöhte Straßenverkehrssicherheit müssten Priorität auf der politischen Agenda haben.“ Hier habe der Ausschuss für Verbesserungen gesorgt.
Unterschiedlich bewerten die Politiker, wie legal die grenzüberschreitenden Fahrten von Lang-LKW bis zu einem eventuell neuen Vorschlag der EU-Kommission sein werden. Für den Grünen-Abgeordnete Michael Cramer bleiben diese „Gigaliner-Fahrten“ weiterhin „rechtswidrig“, wie er in einer Pressemitteilung schreibt. Anders der CDU-Abgeordnete Dieter-Lebrecht Koch: „Für den grenzüberschreitenden Verkehr von Lang-LKW sehe ich kein Hindernis. Wenn zwei benachbarte EU-Mitgliedstaaten miteinander vereinbart haben, dass der Lang-LKW über ihre gemeinsame Grenze rollt, dann ist das auch weiterhin möglich. Neue Grenzen sollten nicht da entstehen, wo Europa sie schon längst abgeschafft hat.“
So sieht das auch die FDP-Abgeordnete Gesine Meißner. Allerdings zeigt sie sich offen enttäuscht über den Kompromiss im Ausschuss, der aber auch von ihrer Fraktion unterstützt wurde. „Beim grenzüberschreitenden Verkehr herrscht weiter Unklarheit. Theoretisch müssten die Lang-LKW heute an der finnisch-schwedischen Grenze geteilt und danach wieder zusammengesetzt werden, obwohl beide Länder diese LKW zulassen. Eine unsinnige Vorstellung. Ich bin enttäuscht, dass die blinde Ablehnung von längeren LKW verhindert hat, solche Fahrten über die Grenze unmissverständlich zu erlauben. Wir sollten ohne ideologische Scheuklappen untersuchen, auf welchen Strecken und unter welchen Auflagen Lang-LKW Sinn ergeben.“
Lob der Umweltverbände
William Todts von T&E spricht von einem „guten Tag“ für Fußgänger, Radfahrer, PKW- und LKW-Fahrer und die Umwelt. „Diese Abstimmung bringt uns einen Schritt weiter zum Ende der backsteinförmigen LKW-Fahrerhäuser. Es ist eine Schlüssel-Entscheidung, die zu weniger Verkehrstoten führt und nach 20 Jahren Stillstand wieder für Bewegung beim Thema CO2-Emissionen von LKW sorgt.“
Für ETSC-Generalsekretär Antonio Avenoso werden die neuen Möglichkeiten für die Neugestaltung der Fahrerhäuser dabei helfen, die führende Position der europäischen LKW-Hersteller beim Thema Sicherheit zu festigen.
Fahrzeugindustrie spielt Bedeutung herunter
Deren Branchenverband ACEA sieht das anders. Für mehr Sicherheit sei eine Neugestaltung der Fahrerhäuser nicht nötig. „Sicherheitstechnologien eigenen sich viel besser dafür, Unfälle zu vermeiden“, so ACEA Generalsekretär Erik Jonnaert. Innovative Motoren, mit denen sich Kraftstoff sparen ließe, seien ein besseres Kriterium als Aerodynamik und Sicherheitsaspekte, um die zulässigen Höchstmaße der LKW an ihrer Front zu vergrößern. (kw)