Lkw soll sicherer werden

Selten gab es bei dem Deutschen Verkehrsgerichtstag in Goslar so viel Zuspruch für den Kurs des Gesetzgebers: Bei der 57. Ausgabe des Kongresses, an dem rund 2000 Verkehrsexperten aus Justiz, Hochschulen, Verbänden, Unternehmen, Behörden und Ministerien teilnahmen, zeigten sich viele mit den aktuellen Bemühungen zu Notbrems- und Abbiegeassistenten in Lkw zufrieden. In einem von acht Arbeitskreisen regten die Fachleute allerdings Korrekturen bei der Umsetzung von geltendem Recht und bessere Rahmenbedingungen an. In dem sechsten Arbeitskreis, der sich unter dem Vorsitz von SPD-Verkehrspolitikerin Kirsten Lühmann mit Lkw- und Busunfällen beschäftigte, ging es vor allem um Fahrerassistenzsysteme und wie diese dazu beitragen können, Auffahr- und Abbiegeunfälle noch weiter zu reduzieren. Die Bundesregierung lobten dort sowohl die Teilnehmer als auch die Referenten auf dem Podium - darunter Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung im Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), Manfred Schuckert, Leiter Emission und Sicherheit bei Daimler, sowie Guido Belger, Justiziar des Bundesverbandes Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL). Derzeit setzt sich Deutschland auf internationaler Ebene laut Thomas Fuhrmann-Bäcker vom Bundesverkehrsministerium (BMVI) für eine Verschärfung der sicherheitstechnischen Anforderungen an Lkw ein. Dafür muss die EU-Typengenehmigung angepasst werden. Eine Regelung, die auf einem Entwurf des BMVI basiert und erstmalig verbindliche Anforderungen an Abbiegeassistenzsysteme festlegt, ist 2018 bei der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen (UNECE) beschlossen worden und befindet sich im weiteren Abstimmungsprozess. Die Regelung wird nach jetzigem Stand ab Ende 2019 anwendbar sein. Bereits 2017 hatte das BMVI der UNECE vorgeschlagen, dass Fahrer den Notbremsassistenten in Lkw ab einer Geschwindigkeit von 30 Stundenkilometern nicht mehr abschalten dürfen. Zudem sollen sich beide Fahrerassistenzsysteme nach einer Abschaltung nach einer gewissen Zeit automatisch wieder aktivieren. Notbremsassistenten sind bereits in neuen Lkw vorgeschrieben. Technisch möglich wäre aus Sicht von Brockmann zwar eine Bremsung bis zum Stillstand, im Idealfall also eine völlige Vermeidung der Kollision. Vorgeschrieben sei bisher aber nur eine Verringerung der Geschwindigkeit von 80 auf 60 Stundenkilometer. "Die Vorschrift muss jetzt schnell angepasst werden, umso mehr, da diese Assistenten nicht nachrüstbar sind", sagte der Unfallforscher. Hier sowie in anderen Punkten verlangten er und die anderen Experten aus dem Arbeitskreis deshalb diese Verbesserungen: Das empfiehlt der Verkehrsgerichtstag - Die Bundesregierung soll in den internationalen Gremien weiterhin darauf hinwirken, dass Notbremsassistenten in Lkw und Bussen dem neuesten Stand der Technik entsprechen. Unter anderem soll ein fahrendes Fahrzeug vor einem Stauende zum Stehen kommen und abschaltbare Systeme sollen sich automatisch wieder reaktivieren. - Die Bundesregierung soll sich weiterhin auf europäischer Ebene dafür einsetzen, dass alle neuen Lkw mit einem Assistenten ausgerüstet sein müssen, der Radfahrer im kritischen Abbiegebereich erkennt und den Fahrer optisch und akustisch warnt. Hersteller sollen die Zuverlässigkeit so verbessern, dass künftig auch ein Bremseingriff möglich ist, wenn der Fahrer nicht eingreift. - Die Einhaltung der Vorschriften im Straßengüterverkehr, vor allem der Lenk- und Ruhezeiten, muss effizienter überwacht werden. Das Bundesamt für Güterverkehr (BAG) sowie die Polizei sollen deshalb deutlich mehr Personal erhalten. Sowohl für die Einhaltung der Vorschriften als auch für ihre Kontrolle sind viele zusätzliche Stellplätze notwendig. Diese sollen Bund und Kommunen schaffen - auch abseits der Autobahnen. - Radfahrer und Fußgänger sollen durch geeignete Maßnahmen - auch in der schulischen Verkehrserziehung - über die eingeschränkten Sichtmöglichkeiten des Lkw-Fahrers aufgeklärt und zu vorausschauendem Verhalten angehalten werden. Die verpflichtenden Fahrerschulungen sollen um das Thema "Möglichkeiten und Grenzen von Assistenzsystemen" erweitert werden. - Die Kommunen sollen Verkehrsströme so steuern, dass abbiegende Fahrzeuge sowie Fahrräder und Fußgänger jeweils eigene Grünphasen an Ampeln haben. Bund plant bereits StVO-Verschärfung Beinahe interessanter als die Beschlüsse des Verkehrsgerichtstags waren die Zwischentöne. So ließ ein BMVI-Mitarbeiter durchblicken, dass Fahrer von Lkw und Pkw künftig bestraft werden sollen, wenn sie Notbremsassistenzsysteme ab einer Geschwindigkeit von 30 Stundenkilometern ausschalten. Es sei bereits ein Entwurf für eine Änderung der Straßenverkehrsordnung (StVO) vorbereitet, erklärte er auf Nachfrage. Die Verkehrssicherheit gefährde es vor allem, wenn der Notbremsassistent dauerhaft deaktiviert sei. Dazu hatte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) im vergangenen Jahr versprochen: "Seit längerer Zeit sind wir im Ministerium international und europäisch dran, dieses Thema zu lösen. Aber trotzdem gibt es dazu noch einiges zu diskutieren. Für die deutsche, nationale Ebene sage ich: Wir werden das Abschalten von Notbremsassistenten mit der nächsten Änderung der Straßenverkehrsordnung untersagen" Der StVO-Änderungsentwurf soll den Verkehrsverbänden bald zur Stellungnahme zugehen und muss noch vom Bundesrat abgesegnet werden. Danach könne er in Kraft treten - möglicherweise noch in diesem Jahr. Durch die Novelle will der Gesetzgeber eine Verhaltensänderung bei Verkehrsteilnehmern bewirken, die Fahrerassistenzsysteme ausschalten, weil sie diese als störend empfinden. Nach Aussage des Fachmanns drohen in solchen Fällen künftig empfindliche Bußgelder. Kontroverser diskutiert wurden zudem strukturelle Probleme, die sich auf die Verkehrssicherheit auswirken: übermüdete, abgelenkte oder überforderte Lkw-Fahrer; zu wenige Parkplätze, um Sozialvorschriften einzuhalten, und der Mangel an Kontrolleuren auf den Straßen, der "kalkulierte Wirtschaftskriminalität" ermögliche. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Verkehrsrecht www.verkehrsrundschau.de/dossiers Alkolock Experten wollen Einbaupflicht für GüterverkehrsunternehmenDer fünfte Arbeitskreis beim Deutschen Verkehrsgerichtstag hat sich mit dem Einsatz von Alkohol-Interlocks, kurz Alkolocks, beschäftigt. Solche Atemalkohol-Messgeräte, die das Starten eines Pkw oder Lkw durch einen alkoholisierten Fahrer verhindern, sind in anderen europäischen Ländern bereits im Einsatz. In Deutschland lassen einige Spediteure ihre Fahrer pusten, bevor sie auf den Bock dürfen. Die Expertengruppe in Goslar hat empfohlen, dass Alkolocks mehr genutzt werden. Der Vorschlag: Die Bundesregierung soll ein Programm als Ergänzung zu den bestehenden verkehrserzieherischen Maßnahmen für alkoholauffällige Fahrer starten. Im Rahmen des Modellversuchs sollen diejenigen, die bei Trunkenheitsfahrten unter 1,6 Promille erwischt worden sind, ihre Abstinenz vor Fahrtantritt über die technische Wegfahrsperre nachweisen. Im Gegenzug dürfen sie die Fahrerlaubnis behalten oder profitieren von einer Verkürzung der Sperrzeit. Aufgrund eines "erhöhten Gefahrenpotenzials" sprach sich der Arbeitskreis zudem für eine europaweite Pflicht zum Einbau von Alkolocks im gewerblichen Güterverkehr aus. Eigentlich gilt für Lkw-Fahrer das 0,0-Promille-Prinzip. Zuletzt hatten Polizeikontrollen im Südwesten und Hessen aber ergeben, dass einige Trucker zum Ende ihrer Wochenend-Ruhezeit noch so stark alkoholisiert sind, dass sie nicht losfahren dürften. Die Experten forderten die Bundesregierung überdies auf, Anreizsysteme für den freiwilligen Einbau von Alkolocks zu schaffen. ag

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