Lernen im digitalen Wandel

Die Inventur im Lager übernehmen Drohnen. Die Kommissionierung machen fahrerlose Transportsysteme. Gabelstapler fahren vollautomatisch über das Gelände und beladen Lkw. Die Lkw fahren selbstständig zwischen dem Zentrallager und der Produktion hin und her. Selbstlernende Systeme übernehmen die optimale Routenplanung schneller und zuverlässiger, als es heute noch die Disponenten könnten. Gesteuert werden die Geräte von einem Mitarbeiter, der per Datenbrille und Datenhandschuh sicher durch Regale und über den Hof manövriert. Und 70 Prozent der deutschen Logistiker denken laut einer aktuellen Studie der Messe Transport Logistic schon über den Einsatz von künstlicher Intelligenz nach. Die Digitalisierung wird ganze Berufsbilder in der Logistik nachhaltig verändern. "Die Logistik ist heute schon eine der am stärksten digitalisierten Branchen", sagt Bernhard Rohleder, Hauptgeschäftsführer des Digitalbranchen-Verbandes Bitkom. In den kommenden Jahren stehe die Branche mit Drohnen, autonomen Systemen und künstlicher Intelligenz aber vor geradezu revolutionären Veränderungen durch die Digitalisierung. Eine Revolution, die aber nicht zulasten der Arbeitsplätze gehen muss. So hat eine allgemeine Studie der Beratung Accenture Anfang des Jahres gezeigt, dass die Deutschen in der fortschreitenden Digitalisierung nicht unbedingt eine Bedrohung ihrer Arbeitsplätze sehen. Im Gegenteil: Die überwiegende Mehrheit erkennt darin eine Erleichterung und die Chance, effizienter und qualitativ besser zu arbeiten. Die Mitarbeiter sind sich aber bewusst, dass in der Arbeitswelt von morgen zusätzliche Kompetenzen gefragt sind. Das sieht auch Rohleder so. "Durch die Digitalisierung der Logistik werden sich die Anforderungen an die Mitarbeiter stark verändern. Aus- und Weiterbildung kommt dabei eine zentrale Rolle zu - dabei sind die Betriebe ebenso gefordert wie jeder Mitarbeiter." Demnach werden vor allem qualifizierte Fachkräfte weiterhin gute Chancen in der Logistik haben. "Digitalisierung kann ein echter Job-Motor sein. Lernen und Qualifizierung - und zwar nicht nur in der Schule, sondern über das gesamte Berufsleben hinweg - ist dafür der Schlüssel", sagt Rohleder. "Unternehmen sollten schon heute dafür sorgen, ihre Mitarbeiter entsprechend fortzubilden und zu qualifizieren." Neue Kompetenzen gezielt aufbauen Gleichzeitig vermissen viele Arbeitnehmer die Angebote von ihren Arbeitgebern. Schon 2016 stellte eine Studie der Beratungsfirma EY fest, dass die Logistikbranche bei den Angeboten zur Weiterbildung in Sachen Digitalisierung im Branchenvergleich ganz weit hinten rangiert. Dabei könne der digitale Wandel nur gelingen, wenn die Betriebe stärker als bisher in den Aufbau neuer Kompetenzen und zusätzlicher Qualifikationen in der Belegschaft investierten, mahnt Frank Riemensperger, Vorsitzender der Geschäftsführung von Accenture in Deutschland. Es gehe weniger darum, die Beschäftigten auf neue Berufe umzuschulen, sondern ihnen kontinuierlich die nötigen Kompetenzen für den Umgang mit neuen Technologien zu vermitteln. "Die Bedeutung der ständigen Weiterqualifizierung am Arbeitsplatz wird stark zunehmen, nicht zuletzt, da die Halbwertszeit unseres Wissens angesichts der rasanten technologischen Entwicklung immer kürzer wird", so Riemensperger. Das setze allerdings Weiterbildungskonzepte voraus, die sich nahtlos in den Berufsalltag integrieren ließen. "Der Arbeitsplatz wird zum Trainingsort und der Kollege zum Trainer. Wir werden häufiger in kleinen Einheiten lernen", sagt Riemensperger. So werden E-Learning-Systeme, bei denen die Mitarbeiter über das Internet an Schulungen und Weiterbildungs-Maßnahmen teilnehmen, wohl künftig häufiger genutzt werden. Wichtiger noch als die Frage, ob am Computer oder in einem Seminarraum gelernt wird, sind die Inhalte, die vermittelt werden müssen. Für Riemensperger ist neben den kreativen Fähigkeiten vor allem der Aufbau von Kompetenzen im Umgang mit intelligenten Maschinen wichtig. Überschaubare Schulungsangebote Dieses Wissen fehlt vielen Fachkräften in der Logistik. Und auch bei den Schulungsangeboten hapert es oft noch. Das Angebot an Seminaren ist überschaubar. Die Anbieter konzentrieren sich bei der Logistik 4.0 oft darauf, lediglich den Unternehmenslenkern und Führungskräften die groben Grundzüge der Digitalisierung zu vermitteln. Dabei müssen immer mehr Mitarbeiter mit den digitalen Aufgaben umgehen können. Der Einsatz einer Datenbrille, die Steuerung einer Lieferdrohne oder die Kommissionierung mit Robotern oder per Datenhandschuh ist dabei nur die Krönung, die in den meisten Fällen noch einige Jahre in der Zukunft liegt. Für Gabriel Sieglerschmidt, COO bei der digitalen Spedition Frachtraum.com, fängt das digitale Grundwissen bei einfachen Dingen an. "Die meisten Speditionen arbeiten heute noch vor allem mit Fax und Telefon", beobachtet er. Für Mitarbeiter sei der erste Schritt, den Umgang mit Online-Plattformen sowie mit modernen Kommunikations-Tools wie Chat oder Push-Benachrichtigungen zu erlernen. "Die Kommunikation mit Kunden und Fahrern wird überwiegend digital ablaufen", sagt Sieglerschmidt. Solche Weiterbildungen bieten oft Volkshochschulen oder die IHK. Auch Fahrer weiterbilden Auch Lkw-Fahrer müssen verstärkt mit neuen Programmen auf Smartphones und Tablet umgehen können, um etwa von unterwegs Ladung oder Routen zu disponieren. Dazu gehören Schulungen, die etwa den richtigen Umgang mit einem digitalen Kontrollgerät vermitteln. Denn die Daten aus den Geräten können Firmen wichtige Erkenntnisse liefern. Und auch hier lässt die Ausbildung teils zu wünschen übrig. Götz Bopp von der IHK in Stuttgart beobachtet, dass viele Schulungen auf oberflächlichem Niveau ablaufen würden. Dabei werden die Fähigkeiten, Daten zu analysieren, die Kontrolle von Prozessen und die soziale Kompetenz künftig deutlich in den Vordergrund treten, ergab schon vor zwei Jahren eine Studie des Bundesamtes für Güterverkehr. Aufgaben werden komplett überflüssig Die Digitalisierung trifft auch die Kaufleute für Spedition und Logistik. "Der Disponent wird bei standardisierten Transporten wie Ladungsverkehren schon in zehn Jahren keine Rolle mehr spielen", ist Sieglerschmidt überzeugt. Die mit großen Datenmengen gefütterten Computersysteme planen Fahrtrouten automatisch und effizienter als der Mensch. An anderer Stelle machen digitale Prozesse einige Aufgaben in der Verwaltung überflüssig. Routineanfragen von Kunden werden Computerprogramme künftig selbstständig beantworten. So bleibt dem Vertrieb mehr Zeit, sich etwa um wichtige Kunden zu kümmern. Die Kommunikations-Fähigkeiten und der richtige Umgang mit diesen werden noch wichtiger. Bisher spielten solche Vertriebsseminare, die den Umgang etwa mit schwierigen Kunden vermitteln oder zur Persönlichkeitsschulung eher eine geringere Rolle. Gerade mit den Hauptkunden wird die soziale Kompetenz eine größere Rolle spielen. Und mit der Globalisierung kommen noch Fremdsprachenkenntnisse hinzu. Fachkräfte in der Lagerlogistik stehen wohl vor der größten Herausforderung. Die Automatisierung kann diese Tätigkeiten künftig ersetzen. Diese Mitarbeiter müssen umgeschult oder in die Lage versetzt werden, intelligente Lagerroboter, wie sie teilweise schon im Einsatz sind, zu bedienen. Wichtig werden vor allem Fähigkeiten, die digitalen Prozesse in der Disposition, der Routenplanung und die Schnittstellen zu den Kunden und Partnern zu managen. Hier entstehen neue Berufsbilder wie der Frachtinformatiker. Mehr zum Thema im Dossier Fach- und Führungskräfte www.verkehrsrundschau.de/dossiers Praxislösung Meyer Logistik schult seine Fahrer am IPad Bei der Ludwig-Meyer-Spedition in Friedrichsdorf werden unter anderem die 1600 Berufskraftfahrer seit Jahren auf die Digitalisierung vorbereitet. So hat die Firma die Fahrer seiner Systemgastronomie-Logistik-Tochter Meyer QSL mit IPads ausgestattet, über die fast die gesamte Kommunikation läuft. Von der Abfahrtskontrolle am Lkw über die Tourenplanung und Navigation bis zur Ablieferkontrolle und der Empfangsbestätigung durch den Kunden finden die Prozesse auf dem Tablet statt. Für die Fahrer sei das eine erhebliche Erleichterung, sagt Markus Bappert, Geschäftsführer bei Ludwig Meyer. Zwar seien Hürden wie Sprachbarrieren oder die Skepsis vor allem bei älteren Mitarbeitern zu überwinden gewesen, doch letztlich würden die Vorteile gesehen. So meldet das System etwa automatisch eine Verspätung an die nächsten Ablieferstationen. Früher hätte der Lkw-Fahrer dafür per Handy den Disponenten anrufen müssen, der dann alle Stationen einzeln informierte.Die Ausbildung am digitalen Kontrollgerät ist bei Meyer ebenfalls Standard. Sowohl die Fahrer als auch die Mitarbeiter, die die Daten auslesen und weiterverarbeiten, werden speziell geschult. Bei Schulungen setzt die Spedition vor allem auf E-Learning-Systeme. Bei speziellen Themen arbeitet das Unternehmen auch mit einem externen Anbieter zusammen. ah VR-Online-Unterweisung Fit für die digitale Welt Schulungen können Mitarbeiter fit machen für Themen rund um die Digitalisierung. Doch die Bereitschaft der Firmen, ihre Mitarbeiter auf eine Schulung zu schicken oder alle Fahrer für eine Weiterbildung zusammenzutrommeln, ist begrenzt. Als Alternative bieten sich E-Learning-Modelle an. Dabei lassen sich Schulungen über das Internet abhalten. Die Teilnehmer müssen sich also nicht an einem gemeinsamen Ort aufhalten. Ein Beispiel für eine solche Online-Unterweisung ist das Praxistraining am digitalen Kontrollgerät im Profiportal VerkehrsRundschau plus. In dem Online-Seminar lernen Teilnehmer den Umgang und die wichtigsten gesetzlichen Neuerungen anhand von praktischen Beispielen. Einzige Voraussetzung für die Teilnahme sind ein PC oder ein mobiles Endgerät. Nach einem bestandenen Abschlusstest erhalten die Teilnehmer ein Zertifikat, das konform zum Artikel 33 ist. Abonnenten der VerkehrsRundschau können die E-Learnings in einem bestimmten Umfang kostenlos nutzen. ggwww.verkehrsrundschau-plus.de