Lappen weg, Job weg

Für Waldemar Grund ist die Sache klar: "Keinen Führerschein - keinen Job", sagt der Geschäftsführer von Container Operation & Logistic (COL) mit Sitz in Stuhr-Brinkum nahe Bremen. Zu seinen Dienstleistungen zählen Container- und Spezialtransporte in der Region Hamburg, Bremen und Bremerhaven, aber auch im nationalen und internationalen Fernverkehr. Seine 30 Lkw-Fahrer sind gut ausgebildet. "Daher haben wir mit Führerscheinentzug auch noch nie ein Problem gehabt", sagt er. Sollte ein solcher vorkommen, müsse der Fahrer aber mit einer Kündigung rechnen, so stehe es auch im Arbeitsvertrag. Der Teufel steckt wie so oft im Detail Das scheint konsequent und logisch. "Ein Berufskraftfahrer ohne Führerschein ist nicht mehr in der Lage, seine arbeitsvertraglich geschuldete Leistung zu erbringen", erklärt Hermann Gloistein, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Halle. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat bereits klargestellt: Die Entziehung der Fahrerlaubnis eines Berufskraftfahrers, der mehr als acht Punkte in Flensburg gesammelt hat, kann einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darstellen. Allerdings sollte man hier ganz genau hinsehen. Es macht nämlich einen Unterschied, ob gegen den Fahrer ein Fahrverbot verhängt oder ihm die Fahrerlaubnis entzogen wurde (siehe Kasten links auf Seite 50). "Ein Fahrverbot ist etwas anderes ein Fahrerlaubnisentzug", weiß auch Grund. "Es ist auch bei uns schon vorgekommen, dass Fahrer wegen einer roten Ampel ein Fahrverbot von einem Monat erhalten haben. In diesen Fällen haben wir uns darauf geeinigt, dass der Mitarbeiter die Zeit mit Urlaub überbrücken kann." Mit seiner Einschätzung liegt er grundsätzlich richtig: "Generell kann man sagen, dass eine Kündigung wegen eines Fahrverbots schwerer durchzusetzen ist als bei einer Fahrerlaubnisentziehung", sagt Fachanwalt für Arbeitsrecht Alexander Bredereck. "Der Arbeitgeber sollte auf jeden Fall schnell und konsequent handeln", rät der Experte aus Berlin. Denn der Mitarbeiter ist von heute auf morgen nicht mehr einsetzbar und dem Chef sitzt - zumindest bei einer fristlosen Kündigung - die Kündigungsfrist von zwei Wochen im Nacken. Gleichzeitig warnt er: "Eine Kündigung wegen eines Fahrverbots oder der Entziehung der Fahrerlaubnis ist nicht unkompliziert." Es gibt zwei Möglichkeiten zu kündigen Das fängt schon bei der Frage an, ob der Arbeitgeber fristlos oder ordentlich, also unter Einhaltung der Kündigungsfrist, kündigen soll. "Bei einem Fahrverbot kommt meist nur eine fristlose Kündigung infrage", sagt Bredereck. Eine ordentliche Kündigung mache häufig keinen Sinn, weil die Kündigungsfrist mitunter genau so lang ist, wie das Fahrverbot dauert. Für einen sofortigen Rauswurf muss der Vorfall allerdings so schwerwiegend sein, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zumutbar ist. "Hat ein Fahrer zum Beispiel ein Stoppschild überfahren, kann das allein eher keine fristlose Kündigung rechtfertigen", erklärt Bredereck. Komme so etwas hingegen jede Woche vor, sei eine fristlose Kündigung eher drin. Bei dem schwerer wiegenden Führerscheinentzug kommen beide Kündigungsarten in Betracht. So kann der Chef beispielsweise auf eine sofortige Entlassung bestehen, wenn der Fahrer während der Arbeitszeit mit einer erheblichen Alkoholisierung am Steuer erwischt wird. Bei nicht so gravierenden Verstößen muss er eher auf eine ordentliche Kündigung zurückgreifen. Die ist relativ einfach durchsetzbar, wenn der Betrieb höchstens zehn Arbeitnehmer beschäftigt oder der betroffene Mitarbeiter dort noch keine sechs Monate gearbeitet hat. "Hier hat der Arbeitgeber im Rahmen der ordentlichen Kündigung relativ freie Möglichkeiten, da er die Kündigung nicht weiter begründen muss", erklärt Anwalt Gloistein. Schwieriger wird es, wenn der Arbeitgeber mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt. Dann gilt das Kündigungsschutzgesetz. Es verlangt, dass sich der Vorfall als personenoder verhaltensbedingter Kündigungsgrund einordnen lässt. Anwalt Gloistein erklärt den Unterschied so: "Die verhaltensbedingte Kündigung setzt immer eine Verletzung von Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis voraus. Sie kommt beispielsweise bei einer beruflichen Trunkenheitsfahrt oder bei Geschwindigkeitsverstößen in Betracht." Allerdings müsse der Arbeitnehmer hier in der Regel zuvor abgemahnt werden. "Bei der personenbedingten Kündigung muss dem Arbeitnehmer eine Eigenschaft fehlen oder verloren gegangen sein, die erforderlich ist, um die Arbeit auszuführen." Wurde der Mitarbeiter beispielsweise bei einer Privatfahrt geblitzt, liege keine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten vor, so der Experte. Man könne aber verkürzt sagen, dass ihm die Eigenschaft "Fahrerlaubnis" fehlt." Für die personenbedingte Kündigung ist laut Gloistein immer eine negative Zukunftsprognose erforderlich. Bisweilen überschneiden sich die Kündigungsgründe auch. Arbeitgeber muss Alternativen prüfen Ungeachtet dessen verlangt das BAG, dass der Arbeitgeber vor jeder Kündigung prüft, ob es nicht ein milderes Mittel gibt. Hier stellt sich die Frage, welche Alternativen zur Kündigung ihm zumutbar sind. Geht es um die Überbrückung eines relativ kurzen Zeitraums, kann der Vorgesetzte den Mitarbeiter beispielsweise beurlauben, sofern dieser noch Resturlaub hat. Ist der Lappen länger weg, muss der Arbeitgeber überlegen, ob er den Fahrer auf einen anderen, freien Arbeitsplatz versetzen kann. Das funktioniert nur, wenn die Zuweisung der neuen Arbeit vom Direktionsrecht des Arbeitgebers gedeckt ist. "Einen Berufskraftfahrer, dessen Tätigkeitsbeschreibung sich vertraglich auf das Lenken von Lkw beschränkt, kann man nicht ohne Weiteres auf einen Büroarbeitsplatz umsetzen", sagt Gloistein. Die Lösung könne hier in einer einvernehmlichen Vertragsänderung oder einer Änderungskündigung liegen. Das wäre auch der rechtlich korrekte Weg, wenn der Chef für den Ersatzarbeitsplatz weniger Lohn zahlen will. Auf den Vorschlag des Arbeitnehmers, zur Überbrückung einen Freund oder den Ehepartner fahren zu lassen, muss sich der Arbeitgeber nicht einlassen "Die Arbeit ist eine höchstpersönliche Leistung", betont Gloistein. Hier würden zudem Fragen des Versicherungsschutzes berührt. Der Anwalt rät daher dringend davon ab. Begriffsdefinition Unterschied: Fahrverbot und Entziehung der Fahrerlaubnis Während eines Fahrverbots ist dem Fahrer untersagt, für einen bestimmten Zeitraum von seiner Fahrerlaubnis Gebrauch zu machen. Der Führerschein wird in amtliche Verwahrung genommen. Die Fahrerlaubnis selbst bleibt aber erhalten. Das Fahrverbot darf für ein bis maximal drei Monate verhängt werden.Bei der Entziehung der Fahrerlaubnis wird dem Fahrer das Recht zum Führen eines Fahrzeugs endgültig entzogen. Der Führerschein, also das amtliche Dokument, wird eingezogen. Das bedeutet, er wird unbrauchbar gemacht und der zuständigen Verwaltungsbehörde übersandt. Er muss neu beantragt werden. Daneben wird eine Sperrfrist verhängt, vor deren Ablauf die Behörde keine neue Fahrerlaubnis erteilen darf. Die Sperre beträgt mindestens sechs Monate und höchstens fünf Jahre. ir Kontrollpflichten Das muss der Arbeitgeber tun Ist der Arbeitnehmer beruflich auf seinen Führerschein angewiesen, muss er seinen Arbeitgeber von sich aus darüber informieren, wenn er seiner Arbeit wegen eines Fahrverbotes oder der Entziehung der Fahrerlaubnis nicht mehr nachgehen kann.Umgekehrt muss der Arbeitgeber als Halter regelmäßig kontrollieren, ob seine Fahrer ein Fahrzeug lenken dürfen. Paragraf 21 Absatz 1 Ziffer 2 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) regelt, dass dem Halter eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe droht, wenn er zulässt, dass jemand das Fahrzeug führt, der die dazu erforderliche Fahrerlaubnis nicht hat oder gegen den ein Fahrverbot vorliegt. Zudem kann die Haftpflichtversicherung die Leistung bei einem Unfall verweigern. Wie häufig kontrolliert werden muss, sagt das Gesetz nicht. Die Rechtsprechung geht davon aus, dass eine halbjährliche Kontrolle ausreicht. Gibt es bei einem Mitarbeiter Auffälligkeiten, können auch häufigere Prüfungen angezeigt sein. Der Arbeitgeber sollte sich dabei immer die Originaldokumente vorlegen lassen und eine Kopie für die Personalakte anfertigen. ir