Lang-LKW

Lang-LKW Der Lang-LKW kommt zum Zug Erfolgreicher Start des Feldversuches: Die Spedition Ansorge schickt den ersten Lang-LKW auf die Straße. Und die Spedition Schwarz ist kurz davor – obwohl sie ihren Sitz in Baden-Württemberg hat, das den Feldversuch boykottiert. Eigentlich ist so eine Fahrt mit einem Lang-LKW ziemlich langweilig. Kein im Kreisel oder in Kurven festhängender Sattelauflieger, keine hupenden PKW-Fahrer, weil sie beim Einfädeln auf die Autobahn neben sich einen 25 Meter langen LKW fahren sehen und kein 18 Meter langes Gefährt wie gedacht. Von Schreckensszenarien, wie sie die Lang-LKW-Gegner gerne heraufbeschwören, ist im Ansorge-Lang-LKW keine Spur. Keinerlei brenzlige Situationen Wir befinden uns im ersten Lang-LKW, der im Rahmen des Feldversuchs in Deutschland unterwegs ist. Startpunkt des Motorwagens mit Dolly-Achse und einem Sattelauflieger dahinter ist die Zentrale der Spedition Ansorge in Biessenhofen im Allgäu. Beladen mit leichten Sanitärwaren geht es über die B 12, die Autobahnen A 96, A 99 und A 94 zum Terminal für den Kombinierten Verkehr (KV) in München. Von brenzligen Situationen sind wir auf der 126 Kilometer langen Fahrtstrecke deutlich weiter entfernt als die Grünen von einer Zustimmung zum Feldversuch. Langweilig ist die Fahrt dennoch nicht. Denn am Steuer sitzt wie bei der allerersten Lang-LKW-Tour im Rahmen des Feldversuchs Wolfgang Thoma, geschäftsführender Gesellschafter der Spedition Ansorge. Bei der Premiere zehn Tage zuvor waren die Bedingungen alles andere als ideal: Temperaturen von minus zehn Grad und Schneetreiben. Trotzdem lief auch bei der Premiere alles glatt, sieht man von zwei Staus wegen zweier Unfälle ab. Erwischt hatte es jeweils unter fünf Meter lange PKW, nicht jedoch den fünfmal längeren Lastzug. Thoma kann daher auch nicht die Bedenken verstehen, die in punkto Sicherheit immer wieder als Gegenargument genannt werden. Die Einhaltung des sogenannten BO-Kraftkreises sei mit der gelenkten Dolly kein Problem, weder im Kreisverkehr, noch beim Abbiegen im 90-Grad-Winkel. „Ich fahre keine großen Bögen, es ist nirgendwo eng, es ist völlig unspektakulär“, sagt Thoma beim Blick in den Spiegel. Fahrer-Schulung nicht ausreichend Die Spedition hatte sich schon Monate vorher auf den Feldversuch vorbereitet. Dass die Premierenfahrt so früh geglückt ist, lag auch daran, dass die Allgäuer großen Wert auf hohe Sicherheitsstandards und die KV-Fähigkeit ihres Fuhrparks legen. So erfüllte die Spedition nahezu komplett die Anforderungen aus der Verordnung zum Lang-LKW. Einzige wesentliche Ausnahme ist die Rückfahrkamera. Zudem hatte Ansorge im Vorfeld Verwaltung und Politik über die Pläne eingeweiht. Daher erfolgte die Genehmigung der beantragten Strecken durch die Behörden schnell und komplikationslos. Fehlte nur noch die Schulung. „Wir haben etwa einen Tag gebraucht. Und unsere Fahrer hatten bereits im Vorfeld aufgrund unserer Versuche auf unserem Gelände und von Fahrten mit Holztransport-LKW Erfahrung mit den Lang-LKW“, sagt Thoma. Daher plädiert er dafür, die vorgeschriebene Schulung von zwei Stunden auf einen Tag auszudehnen. Zwei Lang-LKW fahren für die Spedition auf der Strecke zum KV-Terminal. Der Einsatz im Vor- und Nachlauf zum KV ist kein Zufall. Ansorge setzt im Fernverkehr ganz auf die Schiene und gehört zu den Top-20-Kunden beim deutschen Operateur Kombiverkehr. Deshalb hat die Spedition auch für alle ihre 800 Wechselbrücken und 250 Auflieger eine Bestätigung vom TÜV, dass diese für den Feldversuch geeignet sind. Doch nicht jeder Transport kommt für den Lang-LKW infrage. „Bei idealen Bedingungen – dazu gehört auch, dass alle Bundesländer sich am Feldversuch beteiligen – könnten wir 20 Prozent unserer Verkehre mit dem Lang-LKW transportieren“, hat Thoma berechnet. Drei Punkte sind es, bei denen er sich derzeit eine Veränderung der Verordnung zum Feldversuch wünscht. Zum einen das Streckenprofil. Hier wäre es ihm am liebsten, wenn die Lang-LKW in ganz Deutschland fahren könnten. Gerne würde er beispielsweise zum KV-Terminal nach Singen oder Ulm fahren. Aber das geht nicht, da Baden-Württemberg nicht an dem Feldversuch teilnimmt. Er hat mittlerweile einen Brief an den Verkehrsminister von Baden-Württemberg geschickt mit der Bitte, für die Zufahrt zum KV-Terminal in Ulm eine Ausnahme zuzulassen. Die Antwort steht noch aus. Der zweite Änderungsvorschlag: eine Erhöhung der Gewichte im KV (derzeit 44 Tonnen Gesamtgewicht), da aufgrund der Dolly doch einiges an Nutzlast verloren geht. So sind im Lang-LKW nur 22 Tonnen im KV gegenüber 29 Tonnen im normalen Sattelauflieger an Zuladung möglich. Und als dritten Punkt würde Thoma gerne die eine oder andere technische Maßgabe verändern. Verlader zeigen Interesse am Lang-LKW Die Resonanz auf die Lang-LKW-Premiere war im Übrigen nicht nur bei der Presse groß. Mittlerweile hat Thoma diverse Anfragen von Bestands- und Neukunden erhalten, ob er nicht auch den Lang-LKW bei ihnen einsetzen kann. Doch dazu bedarf es noch einiger Voraussetzungen. Vielleicht auch deshalb fällt seine Antwort auf die Frage, wie viel Lang-LKW er denn für sein Haus bis Ende 2012 prognostiziert, zurückhaltend aus: „Auf jeden Fall mehr als zwei.“ Ganz so weit wie Ansorge ist die Spedition Schwarz noch nicht. Ihr Lang-LKW ist bislang nur auf dem Betriebshof und zu Fototerminen gefahren. „Aber nach der jüngst erfolgten Fahrerschulung soll es losgehen“, sagt Thomas Schwarz, Geschäftsführer der Spedition mit Sitz im schwäbischen Herbrechtingen. Die dafür notwendigen Papiere hat er beisammen. Problematisch am Feldversuch ist für Schwarz das Streckennetz: „Es ist schwierig, Strecken zu finden, auf denen der Einsatz Sinn macht.“ Für seine Kunden würde er gerne nach Berlin oder ins Ruhrgebiet fahren können. Darf er aber nicht, da die Länder am Feldversuch nicht teilnehmen. Unmut über grün-rotes Veto Noch nicht einmal vor seiner Haustür kann Schwarz die LKW ohne Hindernisse einsetzen. Denn die grün-rote Landesregierung in Baden-Württemberg macht beim Feldversuch nicht mit. Das bedeutet für Schwarz: Die Handvoll Kilometer vom Speditionshof zum Kunden und vom Kunden bis zur Autobahn darf er mit dem Lang-LKW nicht fahren – so er nicht doch noch eine Genehmigung erhält. „Wir haben mit einem Vertreter der Landesregierung gesprochen und hoffen, dass wir auf dem kleinen Dienstweg eine Lösung finden“, sagt Schwarz. Unterstützung erhält er vom Verband der Automobilindustrie (VDA): „Auch die Bundesländer, die im Moment noch außen vor sind, sollten sich beteiligen“, fordert VDA-Geschäftsführer Kay Lindemann. Schwarz fährt für Bosch und Siemens Hausgeräte (BSH) Kühlschränke vom Werk Giengen in Baden-Württemberg zum Umschlagpunkt im thüringischen Leinefelde. Auf seinem Rückweg über Hannover nimmt der Lange Hygieneartikel mit nach Herbrechtingen. Ohne die Genehmigung wird es eine ziemlich umständliche Fahrerei. Dann fahren der Motorwagen mit Dolly sowie eine zusätzliche Sattelzugmaschine mit dem Auflieger zu BSH, nehmen die Kühlschränke auf und fahren getrennt weiter zur Rastanlage Lonetal. Dort erst entsteht in zehnminütiger Rangierarbeit der eigentliche Lang-LKW, der seine Reise nach Leinefelde antritt. Die Sattelzugmaschine fährt ohne Auflieger zurück. Macht unter dem Strich knapp zwei zusätzliche Stunden Fahrzeit und 43,5 unnötig gefahrene Kilometer. „Wir beißen in den sauren Apfel, um Praxiserfahrungen zu sammeln“, hält Unternehmer Schwarz an seinen Plänen fest. Aus logistischer Sicht macht das Fahrzeug für diese Volumentransport Sinn. In einen Lang-LKW passen 280 statt 200 Kühlschränke. Bei täglich 480 sogenannten Großgeräteeinheiten kämen statt drei normaler LKW nur noch ein Langer plus ein weiterer LKW zum Einsatz. „Unter dem Strich rechnen wir mit einem Produktivitätsgewinn von um die 20 Prozent“, lautet die Kalkulation von Schwarz. „Wir werden die Ergebnisse gemeinsam mit Schwarz auswerten“, sagt Andreas Tonke, Head of Transport Management bei BSH. Wenn es sich rechne, wolle BSH mit seinen anderen Partnern auf anderen Relationen auch über den Einsatz des 25,25 Meter langen Nutzfahrzeugs diskutieren. Bislang zahlt BSH für den Lang-LKW den gleichen Frachtsatz wie für die normalen Transporte. „Wenn die Fahrzeuge je in den Flächeneinsatz gehen, werden wir von dem Produktivitätsgewinn etwas abhaben wollen. Nicht aber für die Zeit des Feldversuches.“ Das Potenzial für den Lang-LKW Als einziges Unternehmen neben Ansorge und Schwarz hat auch die Spedition Voigt Logistik in Neumünster von der Bast grünes Licht bekommen. Weitere stehen in den Startlöchern: „Bis dato haben sich bei uns 14 Unternehmen mit Equipment eingedeckt“, sagt Frank Albers, Prokurist beim Trailerhersteller Krone. Bei Fliegl liegen bislang zwar keine konkreten Bestellungen vor, mehrere Unternehmen hätten aber Interesse bekundet. Sofern die Politik „mitspielt“, schätzt Geschäftsführer Helmut Fliegl das Marktanteilsvolumen des Lang-LKW am gesamten LKW-Güterverkehr in Deutschland auf insgesamt 20 Prozent. Dann müssen aber auch die Genehmigungsbehörden mitmachen, weshalb VDA-Geschäftsführer Lindemann anmerkt: „Gerade bei der in einigen Fällen noch offenen Frage der letzten Meile sollten die Behörden das Transportgewerbe jetzt mit schnellen und praxisnahen Lösungen unterstützen.“ ❙❚■ Jan Burgdorf, Michael Cordes, Serge Voigt Lang-LKW im KV-Terminal München: Der Trailer und die Wechselbrücke gehen auf den Zug nach Köln Lang-LKW Lang-LKW Gewichtsverteilung im Vergleich Die Achslasten eines 40-Tonnen-Sattelzuges verglichenmit denen eines 40-Tonnen-Lang-LKW Die Achslasten eines voll beladenen Lang-LKW sind deutlich geringer als die eines normalen Sattelzuges. Das gilt auch dann noch, wenn der Lang-LKW mit den im Kombinierten Verkehr zulässigen 44 Tonnen Gesamtgewicht eingesetzt wird. Der Grund sind die drei zusätzlichen Achsen des Langen. sv 6,5 t 11,0 t 7,5 t 7,5 t 7,5 t 4,9 t 7,2 t 5,3 t 5,3 t 5,3 t 4,0 t 4,0 t 4,0 t Prüfgebühr unter 200 Euro Derzeit haben sich erst drei Unternehmen bei der Bundesanstalt für Straßenwesen (Bast) für die Teilnahme am Feldversuch registriert. Prüforganisationen wie TÜV und Dekra, die für die Begutachtung der Fahrzeuge zuständig sind, verzeichnen dementsprechend nur eine geringe Nachfrage im Markt. In der Ausnahmeverordnung zum Lang-LKW werden die technischen Voraussetzungen aufgelistet. Hierzu zählen insbesondere Vorgaben zur Sicherheitsausstattung, unter anderem ein elektronisch gesteuertes Bremssystem, Spurhaltewarnsystem, elektronisches Fahrdynamikregelsystem, Abstandstempomat und Heckkamera sowie die Überwachung der Achslasten. Die Prüfingenieure müssen außerdem im Fahrversuch nachweisen, dass das Gespann die Kurvenlaufeigenschaften (BO-Kraftkreis) gemäß § 32d StVZO einhält. TÜV Süd, TÜV Nord und TÜV Rheinland prüfen in ihren technischen Prüfstellen in den alten Bundesländern. Dekra ist für die neuen Bundesländer zuständig. Der TÜV Süd hat bisher nur wenige Anfragen erhalten, unter anderem von einem Aufbauhersteller aus Ostbayern sowie von Ansorge. Dem TÜV Rheinland liegt keine Anfrage vor, nehmen doch die Bundesländer NRW, Rheinland-Pfalz und Berlin, in denen der TÜV Rheinland vornehmlich prüft, nicht am Feldversuch teil. Der TÜV Nord hat für einen Kunden in Schleswig-Holstein drei Gutachten für ein Zugfahrzeug mit drei Anhängern erstellt. Eine weitere Begutachtung für einen Kunden in NRW läuft zurzeit. Dekra hat eine einzige Fahrzeugkombination begutachtet und eine Interessenbekundung von einem weiteren Unternehmen. Für die Prüfung, die etwa zwei Stunden in Anspruch nimmt, wird die Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr zugrunde gelegt. Die Kosten liegen je nach Aufwand unter 200 Euro pro Gespann. diwi Begutachtung durch Prüforganisationen

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