CO2-freie Transporte

CO2-freie Transporte Zurückhaltende Verlader Auch wenn die Euro-Krise den Klimawandel in den Hintergrund gerückt hat: Die Ein-sparung von CO2 bleibt ein Thema im Güterverkehr. Die Bahnen hoffen, mit CO2-freien Transporten bei ihren Kunden zu punkten. Als erstes Unternehmen in Europa erhält die BSH Bosch und Siemens Hausgeräte GmbH künftig CO2-Zertifikate für ihre umweltfreundlichen Warentransporte. Und der weltweit agierende Chemiekonzern Lanxess, hervorgegangen aus den Chemie- und Kunststoffaktivitäten der Bayer AG, hat „Grüne Mobilität“ zum Schwerpunktthema für 2012 gemacht. In Anzeigen und Beilagen in der Wirtschaftspresse macht das Unternehmen auf das Thema aufmerksam und hat dazu sogar eine eigene Homepage kreiert (www.green-mobility.com). Angesichts dieser „Umwelthysterie“ sollte man meinen, dass den Bahnen ihre Angebote zum klimaneutralen Transport nur so aus den Händen gerissen werden. Doch bislang hat DB Schenker Rail in drei Jahren nur zehn Kunden von seinem Angebot des CO2-freien Transports überzeugen können. Darunter mit Kombiverkehr und Transfracht zwei Operateure, die zur Hälfte der DB gehören. Nur drei Kunden bei SBB Cargo Auch die SBB Cargo bietet ein ähnliches Produkt an. Bei den Schweizern sind es mit SAW, Papyrus und Sika erst drei Kunden, die das seit 2009 bestehende Angebot eines klimaneutralen Transports nutzen. Sind also die CO2-freien Angebote ein Rohrkrepierer? Das sieht man bei der DB nicht so. „Das Angebot im Markt ist angekommen“, sagt Hendric Fiege, bei DB Schenker Rail verantwortlich für Marketing. Zu Jahresanfang hat ein neuer Kunde unterschrieben: die Grillo-Werke in Duisburg, ein Unternehmen, das sich auf die Verarbeitung von Zink und auf die Schwefelchemie spezialisiert hat. Weitere Abschlüsse stehen laut Fiege unmittelbar bevor (siehe Interview). Bei den Gesprächen mit den Neukunden sieht SBB Cargo noch Nachholbedarf. „Wir möchten noch mehr Kunden für die Kompensation ihrer Transporte begeistern“, sagt Matthias Widmer, Leiter Marketingkommunikation bei SBB Cargo. Das Problem für die Bahnen: Viele Unternehmen sind der Auffassung, dass sie bereits mit der Verlagerung der Verkehre von der Straße auf die Schiene einen Beitrag zur CO2-Vermeidung leisten. „Das Angebot der klimaneutralen Transporte muss daher als Ergänzung betrachtet werden“, sagt Widmer. Dennoch, wie die DB sehen auch die Schweizer gute Chancen, dass die Zahl der Nutzer künftig steigt. Die SBB hat in einer Umfrage Nichtkunden und Kunden zur Zahlungsbereitschaft befragt. Das Ergebnis: Im Schweizer Markt waren im Jahr 2010 41 Prozent der Nichtkunden und 44 Prozent der Kunden von SBB Cargo bereit, für ein umweltfreundlicheres Transportangebot Mehrkosten in Kauf zu nehmen. Paul Wittenbrink, Professor für Transport und Logistik an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Lörrach und davor Geschäftsführer bei SBB Cargo, erklärt, warum für viele Unternehmen der CO2-freie Transport noch nicht infrage kommt: „Diese Maßnahme steht immer am Ende einer Umweltstrategie. Vorher muss das Unternehmen eine Reihe von anderen Maßnahmen ergriffen haben, mit der es glaubhaft und nachhaltig unterstreicht, dass Umweltschutz ein wichtiges Thema ist“, sagt der Bahnexperte. Für die Güterbahnen sieht er es sogar als notwendig an, CO2-freie Angebote zu machen: „Wenn sich ein Verkehrsträger als umweltfreundlich positioniert, gehört es einfach dazu, dass man im Produktportfolio ein entsprechendes Angebot hat und dies glaubhaft anbieten kann.“ Er geht davon aus, dass das Interesse an dem Thema steigt. „Das beweisen auch Umfragen, die wir für den Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik gemacht haben“, sagt Wittenbrink. Auch bei der DB zeigt man sich zuversichtlich und will das Produkt Eco Plus auf internationale Transporte ausdehnen. „Ein großer Teil unserer Verkehre ist bereits grenzüberschreitend. Da ist es logisch, dass unsere Kunden ein großes Interesse haben, auch international CO2-frei zu fahren“, sagt Fiege. Eine Hürde sind die mit dem klimaneutralen Transport verbundenen höheren Preise. „Vor allem bei Gütern, wo der Transportkostenanteil im Vergleich zu den Gesamtkosten hoch ist, ist das ein Argument“, sagt Wittenbrink. Hingegen zählt das CO2-Argument eher bei komsumnahen Produkten, da es hier besser als Verkaufsargument gelten kann, und bei höherwertigen Gütern wie Autos, Haushalts- oder Elektronikartikel, bei denen der Anteil der Transportkosten an den Gesamtkosten vergleichsweise gering ist. „Die Mehrkosten für den CO2-freien Transport fallen dann kaum ins Gewicht“, sagt Wittenbrink. Bei Lanxess hält man übrigens an dem Produkt Eco Plus fest. Mit dem Angebot ist es gelungen, die CO2-Emissionen im Schienentransport um 75 Prozent von 870 auf 220 Tonnen jährlich zu verringern. 110.000 Tonnen der insgesamt 160.000 Tonnen, die Lanxess jährlich mit der Bahn befördern lässt, fahren klimaneutral mit Eco Plus. Verwunderlich nur, dass in der neuen, groß angelegten grünen Mobilitätsoffensive davon nirgendwo etwas zu lesen ist. ❙❚■ Michael Cordes Grüne Lokomotive CO2-frei unterwegs: Audi ist einer von zehn DB-Kunden, die Eco Plus nutzen „Wir werden weitere Kunden von Eco Plus überzeugen“ Hendric Fiege, Leiter Marketing bei DB Schenker Rail, über die Resonanz auf das klimaneutrale Angebot Eco Plus, über die Zukunftschancen und über die Kosten, die für die Nutzer von Eco Plus entstehen. Wie fällt Ihre Bilanz nach drei Jahren Eco Plus aus? Hendric Fiege: Das Angebot ist im Markt angekommen. Wir haben geraden den zehnten Kunden gewonnen: die Grillo-Werke in Duisburg. Mit einem weiteren Unternehmen stehen wir kurz vor dem Abschluss. Bei zwei anderen sind wir in konkreten Gesprächen und zuversichtlich, dass wir in diesem Jahr eine Einigung erzielen werden. Welche Unternehmen machen bereits mit? Audi ist bereits seit August 2010 auf der Relation Ingolstadt – Emden dabei, Lanxess ist unser großer Kunde aus der Chemieindustrie, und in der Montanindustrie hat Europipe CO2-frei Röhren für die Nordsee-Pipeline transportieren lassen. Ein weiterer Kunde ist Deucon. Kombiverkehr und Transfracht sind die zwei Operateure, die Eco Plus nutzen. Die anderen haben mit uns vereinbart, dass sie ungenannt bleiben wollen. Stellen Ihre Kunden komplette Pakete auf Eco Plus um oder nur einzelne Transportdestinationen? Zunächst mal ist für viele unserer Kunden der erste Schritt, dass sie Transporte von der Straße auf die Schiene verlagern. Unsere Eco-Plus-Kunden nutzen dann das Angebot ganz unterschiedlich: Einige fahren das komplette Netzwerk CO2-frei, andere nur auf besonderen Relationen wie Audi zwischen Ingolstadt und Emden. Dort befördert Audi etwa 150.000 Fahrzeuge pro Jahr und kann dadurch jährlich rund 5250 Tonnen CO2 einsparen. Sind zehn Kunden in drei Jahren aber nicht ein bisschen wenig? Nein, wenn Sie bedenken, wie unser Geschäft im Schienengüterverkehr funktioniert. Wir haben etwa 200 Großkunden – und mit ihnen machen wir über 80 Prozent unseres Geschäftes. Daher kommen weniger Unternehmen infrage, als man womöglich vermuten könnte. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass wir weitere Kunden von Eco Plus überzeugen werden können. Was macht Sie da so optimistisch? Im Rahmen einer Kundenbefragung haben uns 50 Prozent der Kunden gesagt, dass Umweltfragen einen Einfluss auf die Transportentscheidung haben. Positiv überrascht hat mich dabei, dass bei den Kunden aus dem Ausland das Interesse besonders ausgeprägt ist. Aber wenn es um das Thema Preis geht, wenn es darum geht, für CO2-Einsparung extra etwas zu zahlen, dann machen viele doch einen Rückzieher. Natürlich ist nicht jeder Kunde bereit, einen höheren Preis zu bezahlen. Aber neben selbstverpflichtenden Aspekten muss man bedenken, dass es anders als in anderen Branchen noch keine Verpflichtung für den Bereich Transport gibt, den CO2-Ausstoß zu reduzieren. Wie viel teurer ist Eco Plus im Vergleich zum normalen Schienengüterverkehr? Wir sprechen grundsätzlich nicht über Preisvereinbarungen. Wir müssen aber zumindest die Mehrkosten für die Erzeugung der regenerativen Energie decken. Diese sind stark abhängig von der Art der Verkehre und der Energiequelle und können bis zu einem niedrigen zweistelligen Prozentwert ausfallen. cd Interview Hendric Fiege