Kleiner Stromer

Hundert Kilometer haben die Entwickler dem überarbeiteten Renault Kangoo ZE draufgepackt - freilich nicht an Topspeed, sondern an Reichweite, die von 170 auf 270 Kilometer gewachsen ist. Die Testfahrt in Frankreich beginnt mit Stopp-and-go-Verkehr und von irgendwoher gongt es ständig, während unser silbergrauer Kangoo Z.E. geräuschlos im Schneckentempo dahinkriecht. Der Gong nennt sich Z.E.Voice, erklärt ein Renault-Mann. Das ist ein Sicherheitston, der bis 30 km/h automatisch aktiviert ist und Fußgänger vor dem leisen Auto warnt - gute Idee. Auf den Überlandpassagen der 165 Kilometer langen Testrunde fährt sich der Stromer kinderleicht, schalten erübrigt sich dank konstanter Untersetzung und die geschwindigkeitsabhängige Servolenkung vermittelt Sicherheit. Die in Frankreich gerne im Asphalt verbauten künstlichen Geschwindigkeitsbegrenzungen bügelt das Fahrwerk mit MacPherson-Vorderachse mit Querstabi und Verbund-Hinterachse mit Schraubenfedern aus. Ein Blick auf das Display zeigt einen Stromverbrauch von etwas mehr als 15 Kilowattstunden (kWh) pro 100 Kilometer. Damit ist der überarbeitete Minivan nicht signifikant sparsamer als sein in Deutschland seit November 2011 verkaufter Vorgänger. 250 Kilo Ladung haben die Mechaniker der Renault-PR-Abteilung unserem Testwagen an die neuen acht Ösen geschnallt. Auch auf einem längeren, siebenprozentigen Gefällestück durch den Wald muss sich der Fahrer erst daran gewöhnen, die Bremsen nicht zu bemühen - es reicht, mit dem Fuß vom Gas zu gehen, denn der neue Synchronmotor bremst vehement. Der modifizierte Antrieb aus dem Renault ZOE legt mit einem maximalen Drehmoment von 225 Newtonmetern ab 400 Umdrehungen einen kräftigen Antritt hin. Dennoch hat auch der überarbeitete Kangoo Z.E. keine Sprinterqualitäten: 20,6 Sekunden benötigt der kleine Franzose, um seine 1,5 Tonnen auf 100 Stundenkilometer zu beschleunigen, bei Tempo 130 riegelt die Software den Vortrieb ab. Weiter dank größerem Akku Gewachsen ist die Leistung des neuen Lithim-Ionen-Akkus von 22 auf 33 Kilowattstunden. Ein Grund für die auf 270 Kilometer erhöhte Norm-Reichweite. Bei unserem ersten Stopp, der nach etwa 60 Kilometer Fahrstrecke als halbe Reichweite der letzten Z.E.-Version markiert wurde, zeigt das Display an, dass wir noch knapp 180 Kilometer weit kommen. Um das abzulesen, muss der Fahrer nicht mal hinter dem Steuer sitzen, wenn er "My Z.E.: Inter@ctive" nutzt - einen von vier vernetzten Services, mit denen Renault die Flexibilität von Z.E. und dem längeren Bruder Maxi Z.E. steigern will. Den aktuellen Ladezustand der Batterie kann der Fahrer mit "My Z.E. Connect" per Smartphone oder PC abfragen. "Z.E. Trip" erlaubt, öffentliche Ladestationen in ganz Deutschland zu finden - und diese vorher auf Kompatibilität zu prüfen. Bargeldloses Stromtanken funktioniert mit der App "Z.E. Pass", an gut 80 Prozent aller öffentlichen Ladepunkte in Europa. Als Alternative kann zum Zahlen eine per Radiofrequenz identifizierbare Chipkarte verwendet werden (RFID). Ein zuschaltbarer ECO-Modus verspricht zehn Prozent mehr Reichweite durch ein besonders energieeffizientes Fahrprogramm - es deaktiviert sich in der Standardversion allerdings selbstständig bei starkem Beschleunigen. Ladeanzeige statt Drehzahlmesser Im Schubbetrieb werden die Motoren zu Generatoren und so die Bewegungsenergie als Strom zurückgewonnen. Dies kann am Bordcomputer angezeigt werden, ebenso wie die Anzahl der verbrauchten Kilowattstunden und der momentane sowie der durchschnittliche Energieverbrauch. Die beiden Rundinstrumente kennzeichnen den Z.E. als Stromer. Dort wo im Kangoo Rapid die Tankanzeige sitzt, zeigt der Econometer dem Fahrer Momentanverbrauch und zurückgewonnene Energie - Dunkelblau bedeutet etwa bei Bergabfahrt optimale Rekuperation. Wandert der Zeiger in den roten Bereich, steigt der Energieverbrauch. Die Batterie-Ladeanzeige sitzt links außen, wo sonst der Drehzahlmesser untergebracht war. Speziell für den Winterbetrieb, der bisher möglicherweise zur Zitterpartie wurde, hat Renault durch Adaptieren der Wärmepumpe nach ZOE-Vorbild vorgesorgt und die Energiebilanz in den kalten Monaten verbessert. So wird beim Z.E. Energie zum Heizen oder Kühlen aus der Umgebungsluft und nicht der Batterie entnommen. Neu ist auch die Vorschaltfunktion der Klimaanlage - hängt der Stromer am Netz, wird zur Klimatisierung ausschließlich Netzstrom verwendet. Zwei Möglichkeiten zum Aufladen gibt es: per Wallbox, die den 400-Volt-Akku über Nacht in sechs Stunden mit 32 Ampere lädt. Zudem gibt es ein Ladekabel für die Haushaltsteckdose. Die Batterie kann gemietet (Monatsmiete startet bei 58 Euro) oder gekauft werden (9100 Euro netto). Auf die Batterie gibt es acht Jahre beziehungsweise 100.000 Kilometer Garantie. Knapp über 80 Kilometer Restreichweite verrät die rote LED-Anzeige, als wir nach unserer Tour den Testwagen abgeben. Das waren 165 Kilometer gemischte Strecke, den ECO-Modus haben wir nur sporadisch eingesetzt. Die angegebene Norm-Reichweite hätten wir zwar nicht erreicht, aber hochgerechnet um die 240 Kilometer geschafft. Den Neuen gibt es in zwei Längen und vier Varianten, darunter auch eine Doppelkabine. Die Ladekapazität des Kangoo Z.E. kann sich mit 3,5 Kubikmetern (Z.E.) respektive 4,6 Kubikmetern (Maxi Z.E., 2-Sitzer) durchaus sehen lassen. Die Preise beginnen bei knapp 21.000 Euro netto. Von der ersten Version des Z.E. hat Renault bis Ende Mai insgesamt 25.000 Stück verkauft. Mal sehen, ob mehr Reichweite auch zu mehr verkauften Autos führt. Alle Tests und Fahrberichte für Abonnenten www.verkehrsrundschau.de/testdatenbank

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