"Keine Hauruck-Verfahren"

Was sorgt Sie als neuer Vorsitzender des Präsidiums des DVF derzeit besonders? Ich habe den Eindruck, dass in den letzten Monaten zunehmend verdrängt oder vergessen wird, was früher eine Binsenweisheit war: Eine prosperierende Wirtschaft ist die Voraussetzung für eine wohlhabende Gesellschaft. Eine prosperierende Wirtschaft ist jedoch ohne Mobilität nicht denkbar. Das muss man bedenken angesichts der zahlreichen Herausforderungen, vor denen wir stehen und die eine Gefahr darstellen für die Mobilität. Welche Herausforderungen sind das denn im Speziellen? Zum einen die nicht ausreichende Infrastruktur aufgrund der Investitionsstaus in der Vergangenheit. Das betrifft die Verkehrsinfrastruktur genauso wie die informationstechnologische. Damit sind wir bei der zweiten großen Herausforderung, der Digitalisierung. Hier gilt es die Chancen, die die Digitalisierung bietet, besser zu nutzen, damit die Logistik noch effizienter und leistungsstärker wird. Nicht zuletzt müssen wir bei all den Aktivitäten beachten, dass wir die Klimaschutzziele erreichen. Da gibt es für den Mobilitätssektor noch einige Hausaufgaben zu erledigen. Befürchten Sie, dass die durch die Europawahlen und die Fridays-for-Future-Bewegung ausgelöste Klimadebatte die Mobilität zunehmend erschwert? Was die Transport- und Logistikbranche braucht, ist Planungssicherheit. Wenn die Anforderungen an den Umweltschutz steigen, ist es wichtig, dass dies nicht im Hauruck-Verfahren erfolgt oder Maßnahmen mal in die eine und dann in die andere Richtung beschlossen werden. Eine CO2-Steuer, sofern sie kommt, muss mit einem entsprechenden Vorlauf beschlossen werden. Eine CO2-Steuer würde die Mobilität allerdings verteuern und damit womöglich einschränken. Umweltschutz ist nicht kostenfrei zu bekommen. Der BDI hat berechnet, dass die Transformation zu einem CO2-ärmeren Verbrauch im Transportsektor Kosten im dreistelligen Milliardenbereich verursachen wird. Wir im Deutschen Verkehrsforum sprechen uns daher dafür aus, einen Finanzfonds in Höhe von zunächst fünf Milliarden Euro aufzulegen. Mit diesen Geldern abseits von haushaltspolitischen Entscheidungen sollen Projekte vorangetrieben werden, die diese Transformation unterstützen. Das können etwa der Aufbau einer Ladeinfrastruktur für E-Fahrzeuge oder die Digitalisierung der Schiene sein. Dann soll der Staat also die CO2-Einsparung bezahlen und nicht die Wirtschaft? Der Staat soll sie nicht komplett bezahlen. Aber in dem Bereich der Daseinsvorsorge, beispielsweise bei der Vorhaltung einer Ladeinfrastruktur für E-Fahrzeuge, sollte er sich in der Tat beteiligen. Und wir haben noch nicht über Wasserstoff-, LNG- oder CNG-Antrieb gesprochen, für die wir ebenso ein entsprechendes Netz an Tankstellen benötigen. Der Staat sollte sich auch hier engagieren wie bei der Straßen- und Schieneninfrastruktur. Raimund Klinkner Vorsitzender des Präsidiums des Deutschen Verkehrsforums (DVF) in Berlin Der neue Chef des DVF Raimund Klinkner ist seit dem 11. April der neue Präsidiumsvorsitzende des Deutschen Verkehrsforums (DVF). Er löste Jörg Mosolf, Vorsitzender des Vorstands der Spedition Mosolf, ab, der das Amt für ein Jahr als Interimsvorsitzender übernommen hatte. Klinkner, geboren 1965, war von 2007 bis 2011 Vorsitzender des Vorstands der Knorr-Bremse AG. Von 2007 bis 2017 bekleidete er das Amt des Vorstandsvorsitzenden der Bundesvereinigung Logistik (BVL).

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