Berlin. Wer mit seinem Dieselfahrzeug in Städten Waren zustellen möchte, könnte sich bald auf verbotenes Terrain begeben. So drohen in Stuttgart und München Fahrverbote zur Luftreinhaltung. Stuttgart kündigte dieses Verbot bereits für ältere Diesel ab 2018 an. Auch in München wird es wohl nicht ohne solche Verbote gehen, um die Luft sauber zu halten – das deutete der Verwaltungsgerichtshof München in seinem Urteil vergangene Woche an. Doch machen solche Verbote überhaupt Sinn? Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags in Berlin, hat sich im Rahmen unseres Interviews mit diesem Thema auseinandergesetzt.
VerkehrsRundschau: Um die hohe Belastung der Luft mit Stickoxiden zu reduzieren, muss sich München auf Fahrverbote für Dieselfahrzeuge vorbereiten. So urteilte nun der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH). Ist das aus Sicht des Deutschen Städtetags eine gute oder schlechte Nachricht?
Helmut Dedy: Der VGH-Senat hat mit diesem Urteil eine Zwei-Stufen-Lösung geschaffen: Bayern und die Stadt München müssen zwar nun bis August 2017 ein Konzept erarbeiten, wie sie künftig Dieselfahrzeuge mit zu hohen Schadstoffen aussperren können. Aber das Gericht zwingt sie nicht zu Fahrverboten. Wobei sich der letzte Abschnitt der VGH-Pressemitteilung so liest, dass das Gericht vermutet, dass es ohne Fahrverbote in München wohl nicht gehen wird. Diese Einschätzung teilt auch der Deutsche Städtetag.
Welche Signalwirkung hat dieses Urteil auf andere Städte: Kommt es nun zu flächendeckenden Fahrverboten für Diesel?
Flächendeckende Fahrverbote für Dieselfahrzeuge wird es nicht geben. In Deutschland gibt es derzeit rund 80 Städte, in denen es Stickoxid-Probleme gibt. In einigen davon dürften sich laut Umweltbundesamt die Grenzwerte auch anderweitig, etwa durch die Verstetigung des Verkehrsflusses, senken lassen, also ohne Fahrverbote. In anderen Städten aber dürften solche Maßnahmen nicht mehr ausreichen. In diesen wird es wohl begrenzte Fahrverbote geben. Das ist aber eine Entscheidung, die zunächst lokal und regional getroffen werden muss.
Sind Fahrverbote für Diesel aus Sicht des Deutschen Städtetags überhaupt der richtige Weg, um die Luft sauber zu halten? Oder wäre es nicht besser, wie das Bundesverkehrsministerium vorschlägt, wenn Taxis, Busse und Behördenfahrzeuge alternative Antriebe einsetzen?
Grundsätzlich stehen die Städte in dieser Frage vor einem Dilemma. Für die Gesundheit der Bürger sind Fahrverbote richtig. Andererseits legen diese den Lieferverkehr lahm. Um diesen Zielkonflikt zu lösen, braucht es das gesamte Maßnahmenbündel. Dazu gehören weiter verbesserte Lenkung der Verkehrsflüsse, der Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs und die finanzielle Förderung von alternativen Antrieben. Da sind aber auch die Logistikfirmen und ihre innovativen Ideen gefragt. Alles, was hilft, die Luft sauberer zu machen und Fahrverbote zu vermeiden, ist willkommen!
Für wie wahrscheinlich erachten Sie es, dass es Ausnahmeregelungen für den Lieferverkehr gibt und dass sich diese an den Investitionszyklen der Spediteure orientieren?
Ich kann die Position der Spediteure verstehen. Als Unternehmer würde ich genauso argumentieren. Wenn aber der Grenzwert gerissen wird, ist es letztlich egal, ob das durch ein Fahrzeug passiert ist, dessen Investitionszyklus abgelaufen ist oder nicht. Dennoch: Es wird Ausnahmen für Lieferverkehr geben müssen. Wie die aussehen, muss noch entschieden werden.
Kommt die blaue Plakette jetzt also doch? Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt war ja bislang dagegen.
Der Deutsche Städtetag will keine Fahrverbote. Wir glauben aber, dass wir in einigen Städten ohne diese die Grenzwerte nicht einhalten können. In solchen Fällen müssen Verbote auch kontrolliert werden können. Insofern ist die Entscheidung des VGH ein Wink mit dem Zaunpfahl in Richtung Bundesverkehrsministerium, ein Instrumentarium dafür zu schaffen, durch eine Kennzeichnung der Fahrzeuge, etwa mit einer blauen Plakette. In dieser Legislaturperiode wird es diese wohl nicht mehr geben, aber die nächste Bundesregierung wird da kurzfristig handeln müssen.
Das Interview führte VerkehrsRundschau-Redakteurin Eva Hassa.