In der Stadt der Zukunft

Elektro-Roller surren fast lautlos über das Gelände. Autos von Sharing-Anbietern zapfen Öko-Strom aus reichlich vorhandenen Ladestationen und in den klimaneutral mit Energie versorgten Gebäuden brüten große Unternehmen, Start-ups und Forschungseinrichtungen an Ideen für nachhaltige Stadtversorgung. Der Euref-Campus in Berlin ist ein Modell für die Stadt der Zukunft. Sicher war es kein Zufall, dass DB Schenker dieses Gelände am historischen Gasometer im hippen Berlin ausgesucht hat, um "IHub" zu präsentieren. Mit dem Projekt erforscht der Logistikdienstleister gemeinsam mit fünf Partnern den wirtschaftlichen Einsatz von Elektro-Lkw im städtischen Stückgutverkehr. E-Lkw fährt nur die Tour, die er schafft "Berlin ist ein Nukleus für Elektro-Mobilität. Hier haben Sie die Menschen, die mitmachen", sagte Erik Wirsing, Innovation-Vize-Chef bei DB Schenker. Deshalb - und weil die Niederlassung des Logistikdienstleisters dort nahe der Innenstadt liegt, habe sich die Hauptstadt für den Testlauf angeboten. DB Schenker setzt dort drei Elektro-Lkw unterschiedlicher Größe ein. Ziel ist es, ein softwaregesteuertes System für Mischflotten aus Elektro- und Diesel-Lkw zu entwickeln, bei dem die Tourenplanung automatisch nur dann Elektro-Fahrzeuge losschickt, wenn die entsprechende Tour genauso gut, schnell und effizient erledigt werden kann wie mit einem Diesel-Lkw. "Als wir vor ein paar Jahren von Elektro-Lkw gesprochen haben, wurden wir ausgelacht", sagte Wirsing auf der Vortragsveranstaltung auf dem Euref-Campus. "Wir sind allerdings einer der größten Landfrächter und in ganz Europa in Städten unterwegs. Wir müssen überlegen, wie wir das morgen machen", ergänzte er in Hinblick auf drohende Diesel-Fahrverbote in Städten. Für die KEP-Branche gebe es bereits Konzepte, die ließen sich aber nicht auf Stückgutverkehre und erst recht nicht auf den Fernverkehr anwenden. Einfach die Diesel-Lkw gegen die Stromer auszutauschen sei nicht möglich, man müsse das ganze Transportkonzept neu denken. Der Elektro-Lkw könne beispielsweise während der Tour nicht nachtanken, spricht Wirsing das Reichweitenproblem an. Partner steuern Know-how bei Deshalb hat DB Schenker gemeinsam mit Partnern 2016 das Projekt IHub gestartet, das vier Jahre lang laufen soll. Zunächst fuhren ein 5,5-Tonner und ein Acht-Tonner und seit Februar 2018 nun ein 12-Tonner des sächsischen Elektro-Lkw-Spezialisten und Projektpartners Framo im Auftrag des Logistikdienstleisters. Hinter dem Steuer sitzt ein Fahrer des Schenker-Subunternehmers Eco-Trans, weil Schenker selbst im Landverkehr Berlin keine eigenen Nahverkehrs-Lkw hat. Der Softwareanbieter PTV steuert das notwendige Kartenmaterial und die Tourensoftware bei. Das Institut für postfossile Logistik in Münster begleitet das Projekt auf der Forschungsseite. Gefördert wird IHub wiederum vom Bundesumweltministerium. "Förderungen sind wichtig, um Dinge voranzutreiben, die vielleicht noch nicht so gut laufen. Aber irgendwann müssen die Konzepte wirtschaftlich sein", stellte Wirsing klar. Das Fraunhofer-Institut für Verkehrs- und Infrastruktursysteme (IVI) kümmert sich um den Batterieantrieb. "Batteriemanagement hört sich trivial an, ist aber hochkomplex. Die Lkw hier in Berlin müssen im Winter minus 15 und im Sommer plus 40 Grad aushalten können. Da steige ich als Logistiker aus. Deshalb braucht es Projektpartner wie das Fraunhofer, die ihr Know-how einbringen", sagte Wirsing. Die Batterie sei auch einer der teuersten Faktoren beim Einsatz der Elektro-Lkw. Mit dem Vorurteil aber, dass die Akkus nach kurzer Zeit in die Knie gehen, möchte er aufräumen. "Wir haben noch keine Batterie, die Schrott ist. Die Lebensdauer ist auf sechs bis sieben Jahre angelegt", erklärte der Schenker-Mann gegenüber der VerkehrsRundschau. Sechs bis acht Stunden Ladezeit Um das intelligente System zur Steuerung der Lkw zu ermöglichen, überwacht die Telematik ständig den Ladezustand der Batterie im Einsatz und speist die Informationen in das Transport-Management-System. Überrascht hat die Projektpartner zum Beispiel, dass das Auf und Ab der Hebebühne am Lkw kaum Strom frisst. Problematischer ist es, die Batterie zu laden. Sechs bis acht Stunden muss der 12-Tonner an die Steckdose. Es gebe auch Schnellladesysteme, die seien aber zehn Mal so teuer, nannte Wirsing einen Haken an der Sache. Außerdem müsse man im Hinterkopf behalten, was das Stromnetz überhaupt aushalte. Wenn 200 Lkw zeitgleich am Abend an Schnellladesteckern hängen, könne es in Berlin plötzlich ziemlich dunkel werden, scherzte Wirsing mit ernstem Unterton. Aber vielleicht können die Stadt-der-Zukunft-Forscher des Euref-Campus dieses Problem ja bald lösen. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Elektro-Lkw www.verkehrsrundschau.de/dossiers E-Lkw wirtschaftlich einsetzen Das ProblemNicht zuletzt die drohenden Diesel-Fahrverbote zwingen DB Schenker zum Umdenken bei den Stückgut-Verkehren im Stadtbereich. Auch von Konzern-Seite wächst der Druck, die Schadstoffbilanz zu verbessern. Wirtschaftliche Transportkonzepte mit E-Lkw gibt es aber noch nicht. Standzeiten für die Batterieladung oder begrenzte Reichweiten erschweren die Tourenplanung. Außerdem ist nicht klar, inwieweit Variablen wie der Stromverbrauch der Hebebühne, Staus oder Topografie auf den Batterieverbrauch wirken. Ganz zu schweigen von dem spärlichen Fahrzeugangebot.Die LösungGemeinsam mit fünf Partnern erforscht DB Schenker im Praxiseinsatz das IT-gestützte System IHub, das Lkw-Flotten steuern soll, die aus dieselbetriebenen und elektrischen Fahrzeugen besteht. Für einen effizienten Einsatz der Batterie werden deren Betriebsdaten online erfasst und daraus Handlungsempfehlungen abgeleitet. Die Tourenplanung soll Transportaufträge nur dann einem Elektro-Lkw zuteilen, wenn dieser den Auftrag mit der gleichen Zuverlässigkeit erledigen kann wie ein Diesel-Lkw. Die Fahrzeuge für den Pilotversuch liefert der vergleichsweise kleine Hersteller Framo. ks

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