Erstfeld. Der Gotthard-Basistunnel ist offiziell eingeweiht - mit 57 Kilometern ist er der längste Tunnel der Welt. Nicht immer war es so einfach, die Alpen zu überqueren. Ein Ausflug in die Geschichte.
HANNIBAL: Karthagos Feldherr zog 218 v. Chr. mit Kriegern, Pferden und Elefanten über die Alpen bis vor die Tore Roms („Hannibal ad portas”). Sein Weg durchs Gebirge gilt bis heute als logistische Meisterleistung. Wo genau sein Tross langzog, ist ungeklärt. Forscher der Queens Universität in Belfast gehen davon aus, das Hannibal über den fast 3000 Meter hohen Col de la Traversette südlich des Mont Blanc kam. Nahe des Passes fanden sie jede Menge etwa 2200 Jahre alte Kotreste, möglicherweise von Pferden.
VÖLKERWANDERUNG: Vom vierten nachchristlichen Jahrhundert an drangen vor allem germanische Stämme aus dem Norden und Osten Europas nach Süden und Westen vor. Als die Westgoten über den Brenner und andere Pässe kamen, um in Italien neue Siedlungsgebiete zu gewinnen, konnte das durch Bürgerkriege geschwächte Weströmische Reich sie nicht aufhalten. 410 eroberten die Westgoten die „Ewige Stadt” Rom.
GANG NACH CANOSSA: Im Winter 1076/1077 war der Bittgang von König Heinrich IV. über die Alpen zum Papst Gregor VII. der Höhepunkt im „Investiturstreit” um weltliche und kirchliche Macht. Heinrich wollte in Canossa bei Parma die Aufhebung des gegen ihn verhängten Kirchenbanns erreichen. Der König zog über den 2083 Meter hohen Mont-Cenis-Pass westlich von Turin. „Sie krochen bald auf Händen und Füßen vorwärts, bald fielen sie hin und rutschten ein ganzes Stück hinunter”, beschrieben Zeitgenossen den beschwerlichen Weg. Der Papst nahm den Bann zurück und Heinrich im Büßerhemd festigte seine Macht.
PILGER: Seit Jahrhunderten überquerten Wallfahrer die Alpen und zogen meist zu Fuß nach Rom. Für das Heilige Jahr 1500 schuf der Nürnberger Erhard Etzlaub (um 1460-1532) für die erwarteten vielen Pilger die wohl erste Wegekarte Mitteleuropas. Es wurde der „Rom-Weg von Meylen zu Meylen mit Puncten verzeychnet” - mit einem Übergang zwischen Chur und Chiavenna sowie einer Route über den Brenner.
SEHNSUCHTSLAND ITALIEN: Johann Wolfgang von Goethes (1749-1832) Gedicht vom „Land, wo die Zitronen blühn” gilt als Ausdruck deutscher Italien-Sehnsucht. Immer mehr Menschen aus dem gehobenen Bürgertum unternahmen eine „Petit Grand Tour” in den Süden. Der Weg in wackeligen Kutschen über die Alpen galt dabei als notwendiges Übel. Viele taten es wohl dem Antikenforscher Johann Joachim Winckelmann (1717-1768) gleich, der bei einer Alpenquerung die Fenster seiner Kutsche verhängen ließ, um sich den Anblick der „schaurigen Landschaft” zu ersparen.
ALPENTUNNEL: Der älteste große Alpentunnel ist der bis 1871 gebaute 12 Kilometer lange Mont-Cenis-Tunnel zwischen Frankreich und Italien. Er war der längste Tunnel der Welt - bis 1882 zur Eröffnung des 15 Kilometer langen Gotthard-Scheiteltunnels zwischen den Schweizer Kantonen Uri und Tessin. Weitere spektakuläre Bauprojekte folgten. Als 1965 erste Autos durch den Montblanc-Tunnel rollten, hatten Franzosen und Italiener ein Jahrhundert-Projekt abgeschlossen. Erst dieser 11,6 Kilometer lange Tunnel ermöglichte den ganzjährigen Straßenverkehr über die Alpen. Traurige Berühmtheit erreichte der Tunnel 1999 durch einen verheerenden Brand mit 39 Toten.
BRENNERAUTOBAHN: Unter den vielen Transitrouten durch die Alpen ist die Strecke über den 1375 Meter hohen Brenner zwischen Österreich und Italien die beliebteste. 1963 bis 1974 wurde dort eine der ersten Gebirgsautobahnen der Welt gebaut. Die Brennerautobahn gehört heute mit mehr als 12 Millionen Fahrzeugen pro Jahr zu den am meisten frequentierten Routen Mitteleuropas. Zur Entlastung vereinbarten Wien und Rom den Bau des Brennerbasistunnels. Von 2026 an soll er auf einer Länge von 64 Kilometern die Alpen durchqueren. (dpa)